Welthandelsorganisation Die WTO kämpft ums Überleben

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Trump und der Handel

Drohender Todesstoß für die WTO

Und das sorgt für Panik in der Genfer Zentrale. Dort sitzt ein hochrangiger Beamter im lichtdurchfluteten Innenhof mit Glasdach, seinen Namen will er nicht lesen, aber seine Sorge schon. „Ohne die Amerikaner lief bislang gar nichts. Wenden sie sich komplett ab, wäre das für die Welthandelsorganisation eine Katastrophe.“

Genau danach sieht es aus. Trump hat einige seiner Drohungen in Sachen Handel schon wahr gemacht. So ordnete er eine Prüfung für die Stahlindustrie auf Basis eines Gesetzes aus dem Jahr 1962 an. Untersucht werden soll, ob Stahlimporte die nationale Sicherheit beeinträchtigen. Dies könnte etwa für gepanzerte Schiffe gelten. Handelsminister Wilbur Ross plant ähnliche Schutzmaßnahmen für die Chipbranche, den Schiffsbau oder Aluminiumhersteller.

Damit könnte die US-Regierung weit über die Strafzölle hinausgehen, die sie für Grobbleche europäischer Hersteller angekündigt hat. Auch die Dillinger Hüttenwerke im Saarland und Salzgitter in Niedersachsen wären betroffen. Deutschen Autobauern drohte Trump unverhohlen mit Strafzöllen, sollten sie weiterhin Autos für den US-amerikanischen Markt in Mexiko produzieren.

Länder mit den meisten Streitfällen Grafik

Bislang haben die Deutschen sich all dies ruhig angehört. Sie wollten den Amerikanern erst einmal Zeit geben, sich zu sortieren. Doch macht Trump ernst, könnte sich alles in den hellen Konferenzräumen am Genfersee entscheiden, deswegen sind die Handels-Freaks um Brauner gerade so wichtig.

Das sogenannte Streitschlichtungsverfahren der WTO ist die letzte Instanz, um unfaire Einfuhrbeschränkungen aufzuheben. Und sie gilt als das schärfste Schwert der Genfer Behörde. Insgesamt hat sie seit Gründung 524 Streitfälle behandelt. In mehr als 90 Prozent der Fälle halten sich die Staaten an die Urteile.

Die Streitbeilegung ist die Erfolgsgeschichte der WTO, ein Sieg weniger Technokraten über die Weltenlenker. Vor dem Prozedere der Streitbeilegung zittern selbst Großmächte. Auch weil man sich die Regeln, wie WTO-Vize Brauner erklärt, wie eine Art ökonomisches Schiffeversenken vorstellen sollte. Es geht nämlich so: Hat eine Partei erfolgreich feststellen lassen, dass ihr Streitgegner Welthandelsregeln verletzt hat, erhält sie von der WTO das Plazet zum Gegenschlag. Sie kann Strafzölle einführen, die dem Wert der zu Unrecht erhobenen Strafzölle entsprechen. Diese müssen sich aber nicht auf die gleiche Produktgattung beziehen. Das lässt Raum für Kreativität – und für gezielte Nadelstiche.

Ein Beispiel: Als die USA laut WTO ungerechtfertigt Stahlzölle gegen Europa verhängten, durften die Europäer sich wehren – und suchten sich statt Stahlzöllen Empfindlicheres aus: Einfuhrtarife auf Motorräder der Marke Harley-Davidson. Die wurden in einem wichtigen Swing State im Präsidentschaftswahlkampf produziert. Prompt strich die damalige US-Regierung ihre Strafzölle wieder.

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