Ein scharfes Schwert also. Und vielleicht niemand denkt so laut darüber nach, es gegen Trump einzusetzen, wie eine Frau, die mit ihrer politischen Karriere schon so gut wie abgeschlossen hatte: Brigitte Zypries. Doch im Januar musste sie nach dem Abgang von Sigmar Gabriel plötzlich noch einmal als Bundeswirtschaftsministerin ran.
Nun wirkt Zypries wieder voller Tatendrang. Anfang Mai steht sie in Berlin vor Vertretern der deutschen Wirtschaft. „Wir wollen das Handelssystem unter dem Dach der WTO stärken“, ruft die SPD-Politikerin. Und die Botschaft will sie auch in der Höhle des Löwen verkünden, Ende Mai bricht Zypries in die USA auf. Vorher schärft sie ihr Argument in China.
Es klingt wie eine Drohung. Und so soll es auch klingen. Zypries hat den Europäern früh öffentlich geraten, notfalls vor die WTO zu ziehen. Die gelernte Juristin hat keine Angst vor juristischem Zoff.
Und die WTO freut sich offen über die Rückendeckung aus Deutschland. „Ich erwarte von dem G20-Gipfel in Hamburg, dass wir intensiv darüber reden werden, wie wir das Regelsystem verbessern wollen“, sagt WTO-Chef Azevêdo. Deutschland müsse „ein Gespräch über Handelspolitik und das multilaterale System anstoßen“. Genf braucht Berlin, denn ein Treffen zwischen Azevêdo und Trump findet bis auf Weiteres nicht statt.
Könnte die kleine Organisation in Genf also mit deutscher Hilfe Trump stoppen?
Das wird schwer. Es fehlt ja nicht nur an Geld. Auch die Strukturen sind anfällig, selbst der hochgelobte Streitbeilegungsmechanismus. Problematisch ist etwa die Auswahl der Richter. Nach WTO-Regeln sind Richter aus Ländern ausgeschlossen, die an Streitfällen beteiligt sind.
Weil die USA und die Europäische Union aber jeden Fall auch als Drittpartei begleiten, dürfen sie keinen Richter stellen. Also kommen oft zweitrangige Juristen zum Zuge, die zudem noch schlecht bezahlt werden. Änderungen an den Prinzipien sind schon deshalb schwierig, weil sie Einstimmigkeit erfordern.
Wissenswertes zum internationalen Handel
Die Frage, ob Handel gut oder schlecht ist, gilt in der Volkswirtschaftslehre längst als geklärt. Eine weit überwiegende Mehrheit von Ökonomen vertritt die Meinung, dass internationale Arbeitsteilung nützlich ist und den Wohlstand steigert. Indes unter einer wichtigen Voraussetzung: Die Regeln müssen fair sein, damit das Kräfteverhältnis zwischen den Handelspartnern nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden - nachfolgend eine Übersicht.
Einfache Handelsverträge etwa zwischen zwei Ländern sind die unkomplizierteste Form von Handelsabkommen. Im Gegensatz etwa zu multilateralen Vereinbarungen sind nur zwei Parteien an den Verhandlungen beteiligt, was eine Einigung deutlich vereinfacht. Zudem geht es bei solchen Verträgen meistens nur um Handelsströme, insbesondere die Höhe von Zöllen. Andere Fragen wie Umweltstandards werden meist ausgeklammert. Das führt jedoch zum größten Nachteil solcher Abkommen: Von ihnen kann nicht erwartet werden, dass sie zwei Wirtschaftsräume umfassend miteinander verbinden, weil viele Fragen ungeklärt bleiben.
Wollen zwei oder mehr Länder über den Tausch von Waren und Dienstleistungen hinausgehen und ihre wirtschaftlichen Beziehungen umfassend regeln, werden die benötigten Abkommen umfangreicher und komplexer. Beispiele sind das zwischen der EU und den USA angedachte TTIP, das asiatisch-pazifische Abkommen TPP oder das asiatische Freihandelsprojekt RCEP. Derartige Abkommen regeln nicht nur Handelsfragen oder Zölle. Vielmehr geht es auch um Fragen des Verbraucherschutzes, der Umweltverträglichkeit von Waren und Diensten, den Schutz von Unternehmensinvestitionen oder die Angleichung von Produktstandards. Die Länder versprechen sich davon einen noch reibungsloseren Handel und mehr Wohlstand.
Eine Steigerung zu TTIP & Co. sind feste Verbünde aus mehreren souveränen Staaten. Als Paradebeispiel gilt die Europäische Union (EU), die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine - wenn auch unvollendete - politische Union ist. Die Beziehungen der Länder sind über den EU-Vertrag geregelt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU verfügt über weitgehende Bewegungsfreiheit von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitnehmern und Kapital. Auch sind viele rechtliche Fragen stark angeglichen, was Kritikern mitunter zu weit geht. Großbritannien bemängelte die Vereinheitlichung schon lange, beschloss den Austritt aber vor allem wegen des Zustroms ausländischer Arbeitskräfte. Wie kompliziert ein Abschied aus einem Wirtschaftsverbund ist, wird der Brexit zeigen.
Die WTO ist quasi eine Dachorganisation für den Welthandel. Ihr gehören 164 Mitgliedsländer an, darunter die Staaten der Europäischen Union, die USA und China. Die WTO als Handelsverbund zu bezeichnen, ginge viel zu weit. Vielmehr soll die Organisation die allgemeinen Regeln für den Handel überwachen und weiterentwickeln. Der Einfluss der WTO auf ihre Mitglieder ist indes begrenzt und basiert vor allem auf Kooperation. Eigene Sanktionsmittel im Falle des Regelbruchs hat die WTO im Grunde nicht.
Mit der Globalisierung galt der Protektionismus eigentlich als überwunden. Er ist das Gegenteil von Freihandel, weil dabei versucht wird, sich nach außen abzuschotten. Dazu dienen hohe Einfuhrzölle und -verbote, verbunden mit der Subventionierung eigener Exporte. Protektionismus kennt nach ökonomischer Lehre keine Gewinner, weil meist Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden. Ergebnis ist ein kleineres und teureres Güterangebot, das den Wohlstand verringert. Dennoch will US-Präsident Donald Trump der amerikanischen Industrie zu neuem Glanz verhelfen, indem er sie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Kritiker wenden ein, dass nicht nur die Globalisierung, sondern auch die fortschreitende Technisierung für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich sei.
Zypries weiß das, daher tüftelt sie an Alternativen. In einem Papier ihres Hauses an die EU-Kommission, das der WirtschaftsWoche vorliegt, kritisiert Berlin die „zaghaften multilateralen Fortschritte“. Es sei deshalb „wichtig, Handelsbarrieren auch mittels moderner, plurilateraler Abkommen oder bilateraler Freihandelsabkommen abzubauen“. Das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada könnte als Vorbild für künftige Deals dienen.
Es wäre womöglich ein Fortschritt. Aber es wäre auch ein System, in dem die WTO eher am Rande vorkommt.