Weltklimakonferenz in Bonn Gipfel der kleinen Schritte

Zwei Wochen lang wurde in Bonn über Klimaschutz verhandelt. Die Erfolge: überschaubar. Auch Deutschland riskiert seinen guten Ruf als Klimaschutznation. Fürs nächste Jahr bleibt mehr als genug zu tun.

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Es sei um das Kleingedruckte gegangen – und die Konferenz habe viel Kleingeducktes produziert. Man sei längst nicht am Ziel. Quelle: Reuters

Bonn Auch dieser Gipfel ging in die Verlängerung. Bis zum frühen Samstagmorgen wurde in Bonn weiterverhandelt, um letzte Streitfragen zu klären. Man sei mitten im Umsetzungsprozess des Pariser Klimaabkommens, das 2020 vollständig wirksam werde, sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Bis dahin gebe es noch eine Reihe an Details zu klären. „Der nächste große Schritt folgt 2018, der Probelauf zum Erstellen zukünftiger Klimaziele aller Staaten.“

Am Nachmittag zuvor hatte schon Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eine vorläufige Bilanz der diesjährigen Weltklimakonferenz gezogen. Sie sprach von guten und konzentrierten Verhandlungen und frotzelte, sie hoffe, das Image der Bau-Nation Deutschland wieder ein wenig aufpoliert zu haben. Schließlich sei der Aufbau der kleinen Bonner Zeltstadt für die Konferenz im Zeit- und Kostenrahmen geblieben.

Was aber hat die Konferenz für den Klimaschutz gebracht? Während Hendricks sich an die Aufbruchsstimmung in Paris vor zwei Jahren erinnert fühlte, als der neue, ehrgeizige Weltklimavertrag beschlossen wurde, äußerten sich vor allem Nichtregierungsorganisationen enttäuscht und vermissten genau diesen „Pariser Geist“. Man muss allerdings dazu sagen: Diesen konnte der Bonner Gipfel schwerlich liefern, mussten doch vor allem technische Verhandlungen auf den Weg gebracht werden.

Man muss jedoch auch festhalten: Diese Verhandlungen verliefen weitgehend zäh, von Dynamik für ehrgeizigen Klimaschutz war nicht viel zu spüren. Die Umweltorganisation WWF sprach von einem Gipfel der kleinen Schritte. „Die Klimakonferenz war kein Paukenschlag“, sagte WWF-Experte Michael Schäfer. Es sei um das Kleingedruckte gegangen – und die Konferenz habe viel Kleingeducktes produziert. Man sei längst nicht am Ziel.

Bei der Erarbeitung der Umsetzungsregeln des Pariser Abkommens erzielten die Beteiligten kleine Fortschritte. Hierzu liegt nun ein Textentwurf mit verschiedenen Optionen vor, über die im nächsten Jahr weiterverhandelt werden muss, damit beim Klimagipfel in der polnischen Kohleregion Kattowitz 2018 eine Einigung möglich ist. Das macht die nächsten Verhandlungsrunden schwierig. „Die Verhandler haben in Bonn das Minimum geliefert, das sie liefern mussten“, sagte Klaus Milke, Vorsitzender der Entwicklungsorganisation Germanwatch. Das Regelwerk ist essentiell, damit die Umsetzung des Abkommens in jedem Land transparent und nach gleichen Regeln ablaufen kann.

Als enttäuschend bewerteten Umweltschutzorganisationen die mangelnden Fortschritte bei der Unterstützung der vom Klimawandel besonders betroffenen Länder. Es sei unklar geblieben, wie die notwendigen Gelder mobilisiert werden sollten, um die Herausforderungen der nicht mehr vermeidbaren Schäden und Verluste des Klimawandels zu bewältigen, sagte Germanwatch-Experte Milke. „Hier müssen die reichen Länder mehr Unterstützung zusagen.“

Die nächste Gelegenheit kommt schon bald: der Klimafinanzierungsgipfel, zu dem der französische Präsident Emmanuel Macron für den 12. Dezember nach Paris eingeladen hat. Am 12. Dezember vor zwei Jahren war das historische Klimaabkommen in der französischen Hauptstadt verabschiedet worden.


Deutschlands Ruf gefährdet

Auf der Konferenz in Bonn wurde klar betont, dass die Klimaziele der Staaten für 2020 und 2030 eingehalten und weiter erhöht werden müssen. Das forderten vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer von den Industriestaaten. Nun soll 2018 zunächst eine Bilanz der derzeitigen Klimaschutzbemühungen im Hinblick auf die Pariser Ziele gezogen werden, um dann über eine Steigerung der Ambitionen zu beraten. Bislang reichen die Anstrengungen der Länder bei weitem nicht aus, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im vorindustriellen Vergleich zu begrenzen.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus positiv, dass auf den nächsten beiden Klimakonferenzen die Anstrengungen bis 2020 gesondert im Fokus stehen und die Industrieländer Rechenschaft darüber ablegen müssten, wie weit sie bei der Erfüllung ihrer Klimaschutzziele und ihrer Finanzversprechen bisher gekommen sind – vor allem bei ihrer Zusage, die Klima-Hilfen für die armen Länder bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anzuheben. „Die reichen Länder sind historisch gesehen die Hauptverursacher des Klimawandels“, sagte Jan Kowalzig, Umweltexperte bei Oxfam. Da sei es nur richtig, deren Engagement im Klimaschutz gesondert zu bilanzieren.

Für Enttäuschung sorgte das fehlende Signal Deutschlands, endlich den Kohleausstieg anzugehen. Dabei ging es weniger um die Erwartung, ein konkretes Enddatum zu nennen. Doch dass am Ende des Gipfels noch nicht einmal der Einstieg in den Ausstieg sicher ist, erschüttert Deutschlands Ruf als besonders aktive Klimaschutznation. Umweltorganisationen werden nicht müde, daran zu erinnern, dass die Emissionen hierzulande seit rund acht Jahren nicht mehr gesunken sind und die Klimaziele für 2020 wohl verfehlt werden.

Erleichterung herrschte über das Agieren der Vereinigten Staaten nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump im Sommer, aus dem Klimaschutzabkommen austreten zu wollen. Umweltministerin Hendricks sprach von einem konstruktiv-neutralen Verhalten der Verhandler. Zudem haben US-Unternehmen, Städte, Staaten und Nichtregierungsorganisationen in einem eigenen Pavillon demonstriert, dass sie weiterhin Klimaschutz betreiben wollen.

An der zweiwöchigen Konferenz in der früheren bundesdeutschen Hauptstadt nahmen 11.000 Delegierte, 1200 Journalisten und 9500 Beobachter von Nichtregierungsorganisationen teil. Dem pazifischen Inselstaat Fidschi oblag die Präsidentschaft der Konferenz, Deutschland agierte als technischer Gastgeber.

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