Weltwirtschaftsforum Davos Wie die Wirtschaftselite sich nützlich machen könnte

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Problemcocktail der Weltwirtschaft

Irgendwie aber haben seine Zuhörer von damals, als sie Davos verließen, die Botschaft offenbar vergessen. Und so blieben die Krisenpunkte des Kapitalismus unbearbeitet:

- Die Globalisierung war keine Öffnung der Grenzen für fairen Handel, sondern ein Konjunkturprogramm für die Oberschicht.

- Die Digitalisierung ist keine Bewegung für eine bessere Welt, sondern für eine Abkopplung der Elite.

- Die Wachstumsgewinne der jüngeren Vergangenheit haben vor allem noch mehr Wohlstand für Vermögende geschaffen und sind nicht in die unteren Vermögensschichten durchgesickert.

- Die Aufnahme von Migranten ist nicht gelebte Nächstenliebe, sondern auch verschärfter Wettbewerb um Ressourcen am unteren Ende der Wohlstandsskala.

Der chinesische Präsident wird am Sonntag zu einem Staatsbesuch in die Schweiz reisen. Anschließend wird er den Weltwirtschaftsgipfel, die Vereinten Nationen in Genf und die Weltgesundheitsorganisation besuchen.

Schon Ralf Dahrendorf mahnte in seinem Essay „Acht Anmerkungen zum Populismus“ davor, die Bezichtigung für den Beweis zu halten: „Der Populismus-Vorwurf kann selbst populistisch sein“, schrieb er. Nämlich dann, wenn er Gründe mit Rhetorik zu überdecken versucht. Das ist der Auftrag an die Menschen von Davos in diesen Tagen: Gründe akzeptieren und dann Lösungen zu diskutieren. Die Szene mit Biden aus dem vergangenen Jahre zeigt: Nirgends ist so viel Platz für kluge Gedanken wie in Davos. Wenn alle zuhören.

3. Zwischenstaatliche Gremien sind delegitimiert

Wen all das nicht überzeugt, der muss sich fragen lassen: Was wäre die Alternative zu diesem informell-formellen-Zusammenkommen? Wer einmal vermeintlich demokratisch legitimierten offiziellen Gipfeln beigewohnt hat – den Klimakonferenzen, Euro-Ratssitzungen oder UN-Runden – weiß erst richtig zu schätzen, mit welch geschäftsmäßiger Effizienz Davos über die Bühne geht. Das soll gar nicht undemokratischen Heimlichtu-Zirkeln das Wort reden. Nur: Davos-Besucher verhandeln oder taktieren nicht nur miteinander, sie sprechen miteinander.

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Und welche alternativen Foren bieten diese Gelegenheit sonst noch? Die Vereinten Nationen? Von Trump verachtet, von Europa, ignoriert, von den Schwellenländern als nicht repräsentativ empfunden. Die Europäische Union? Ein Schatten ihrer selbst. Die G20? Ein Wanderzirkus für Staatenlenker, bei dem Rituale Inhalte ersetzen.

Ob Populismus, Protektionismus oder das Scheitern des real existierenden Kapitalismus: Die Weltwirtschaft steht vor einem derartigen Cocktail an Problemen, dass nicht drüber zu reden auch keine Lösung wäre.

Allerdings muss auch klar sein: Nach der Klassenfahrt nach Davos heißt es: rausgehen, die eigene Blase verlassen. Sonst kann man sich den Aufwand im nächsten Jahr wirklich sparen. Filterblasen, in denen Gleichdenkende sich Gleiches sagen, ohne etwas zu lernen, können andere schließlich besser organisieren.

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