Weltwirtschaftsforum Die Weltretter von Davos

Bescheidenheit ist nicht die Stärke des Weltwirtschaftsforums. Die Wichtigen aus Politik und Wirtschaft wollen nicht weniger, als die Erde besser, gerechter und weiblicher zu machen – und scheitern manches Mal an alltäglichen Problemen.

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"Europa muss weiter zusammenwachsen"
"Europa muss weiter zusammenwachsen"Die Euro-Krise ist noch längst nicht ausgestanden, sagt US-Ökonom Kenneth Rogoff. Die Staaten müssten mehr für den Schuldenabbau tun - und Europa muss "weiter zusammenwachsen". "Die Union muss verwirklicht werden, inklusive einer gemeinsamen Fiskalpolitik und einer gemeinsamen Haftung", so Rogoff beim Weltwirtschaftsforum 2014 in Davos. Quelle: AP
"Die Euro-Krise ist noch längst nicht vorbei"Ex-Bundesbankpräsident Axel Weber sieht in den Erholungstendenzen in Südeuropa keinen Grund, "um ekstatisch zu werden". Zu vieles liege noch im Argen. Die Krise sei längst nicht überwunden. Quelle: dpa
"Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen"Japans Regierungschef Shinzo Abe kritisiert, dass die heimische Wirtschaft zu sehr von Männern geprägt sei. Er will gegenlenken. "Bis 2020 sollen 30 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt werden", hat er sich zum Ziel genommen. Quelle: dpa
Angela Merkel und Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab beim 43. Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos Quelle: dpa
Jim Yong Kim, Präsident der Weltbank Quelle: REUTERS
Christine Lagarde Quelle: REUTERS
Drew Gilpin Faust spricht nach Einführung als 28. Präsidentin der Harvard Universität Quelle: REUTERS

Der monströse mediale Zirkus des Weltwirtschaftsforums in Davos geht zu Ende. Die Partyzelte werden abgebaut, ein paar Tage lang fliegen aus dem Hochtal noch die Lastenhubschrauber die großen Zusammensteck-Elemente hinaus, die nicht über die kurvige Bergstraße abtransportiert werden. Die Präsidenten und Wirtschaftsführer, die zahlreichen Vertreter der globalen Weltverbesserungsgruppen und -Stiftungen, die klugen Köpfe der Universitäten und Thinktanks, die Journalisten, Lobbyisten, die Vorzeige-Buddhisten und Bestsellerautoren, Nobelpreisträger, Visionäre, Spinner, Kapitalisten und Antikapitalisten, Feministinnen, Visagisten, Garderobefrauen und Kellner fahren nach Hause. Ist jetzt die Welt irgendwie besser geworden? Klaus Engel, der Vorstandschef des Chemiekonzerns Evonik hat daran so seine Zweifel, jedes Jahr aus Neue und für sich nachgerechnet: 15 Mal allein am Mittwoch musste er durch eine Sicherheitsschleuse in einem zugigen Zelt; 15 Mal die Taschen leeren, das Handy auspacken, sich befingern lassen, dann 15 Mal die Schlange durchstehen an der ebenso zugigen und immer überfüllten Garderobe mit schwerer Wintergarderobe: Da stellt sich schon die Sinnfrage.

Darüber diskutiert Davos

Nicht immer hat man das Glück, das vor einem ausgerechnet Marissa Mayer von Yahoo die Bergstiefel in High Heels wechselt und eine männliche Stützschulter gern in
Anspruch nimmt, was eine temporäre Nähe zu dem kühlen blonden Star ermöglicht und mich zum Wissenden am Abend bei der Bar-Abhängfrage: Fällt der Yahoo-Kurs, weil
MM schwanger ist? Wenn alle mächtig und wichtig und viele davon gleichzeitig da sind, stehen auch alle Mächtigen und Wichtigen in der Warteschlange und sind gleich wie im
Schlafsaal der Jugendherberge, Klatsch und Essen sind auch nicht besser, nur teurer: ein Sandwich und ein Wasser für 41 Euro, und das bei sechsstelliger Teilnehmergebühr. Mal ist es viel zu kalt, mal andersherum, weswegen Wolfgang Schäuble sich vielmals entschuldigt für sein langanhaltendes und häufiges Gähnen.

Nur wenige Frauen unter den »worldLeadern«

Über Stunden empfing Wolfgang Schäuble Journalisten. Quelle: dpa

Seit Stunden empfängt er im 30-Minutentakt Journalisten und Finanzmanager, und in dem engen fensterlosen Kabuff herrscht seit zwei Tage Mangel genau an dem, wofür der Lungen-Kurort berühmt wurde: Sauerstoff. Davos, seine gedrängte Enge und notorische Überfüllung, das WEF von innen ist weit weniger glamourös als von außen. Klar gibt es am Abend rauschende Partys, bei denen sich nüchterne Unternehmensberater für ein paar Stunden psychedelisch geben mit blinkenden Anhängern und Neonbrillen. Und klar, tags wird in Interviews beklagt, dass nur 15 Prozent Frauen unter den »worldLeadern« sind, was die indische Feministin Kavita Ramdas die Frage nach der Definition von Leadership
Fragen stellen lässt: Wie definiert und selektiert den WEF-Organisator Klaus Schwab die Mächtigen und die Klugen? Wenn lädt der moderne König Arthur an seine Tafelrunde, wie viel Männer und Frauen? Am Abend jedenfalls ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen zugunsten ungewöhnlich schöner, junger und kluger Frauen die von irgendwoher auftauchen; irgendwie funktioniert das mit Frauen und Macht weiterhin nach einem uralten Muster. Was natürlich Moira Forbes, die junge Erbin des alten Verlagsimperiums auf ihrem jährlichen Davos-Treffen mit den mächtigsten 100 Frauen zurückweist. Frauen müssten sich eben klare Ziele setzen, fordert sie. Aber bessert sich so die Welt?

Vermutlich am wenigsten da, wo die Weltverbesserer sitzen. Matt Damon möchte über für den Zugang zu sauberem Wasser in der Dritten Welt sprechen. Der Andrang zu seinen Veranstaltungen ist groß – doch den meisten geht es nicht darum, über Hygiene, Brunnen und Klärwerke zu sprechen, sondern ein Schnappschuss mit dem iPad oder iPhone von dem Hollywoodstar zu machen. Die vermeintliche Elite wird zu Groupies. Auch Bill Gates ist da, der seine Microsoft-Milliarden jetzt für Entwicklungshilfe ausgibt; es sind viele und die Wirkung vor Ort ist messbar, seine Projekte effizienter als die staatlicher Entwicklungshelfer. Aber neben ihm sitzt der Spekulant George Soros, und an ihm wird die Fragwürdigkeit deutlich: An vielen Runden von Davos nehmen Abgesandte der vielen von Soros finanzierten Thinktanks Teil.

Davos als Ort der Einflüsterer

Die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Platz 10: GroßbritannienFür die Insel ging es im Vergleich zum Vorjahr zwei Ränge abwärts. Großbritannien offenbart in mehreren Kategorien Schwächen, besonders was das gesamtwirtschaftliche Umfeld und die Finanzmärkte angeht. Das Land profitiert aber von seiner starken Arbeitsmarkteffizienz.Quelle: "Global Competitiveness Index" des World Economic Forum Quelle: REUTERS
Platz 9: JapanJapan steigt im Vergleich zum Vorjahresranking um einen Platz auf. Die Punkte in den einzelnen Bewertungspositionen des Index blieben nahezu unverändert. Besonders in Sachen Innovationen ist das Land gut dabei: Japan hat die weltweit vierthöchste Anzahl von Patentanträgen pro Kopf. Quelle: REUTERS
Platz 8: NiederlandeNoch im Vorjahr konnten sich die Niederlande um zwei Plätze auf Position fünf verbessern - nun ging es wieder um drei Plätze nach unten. Geschuldet ist der Abwärtstrend geschwächten Finanzmärkten und Sorgen um die Stabilität des Bankensystems. Nichtsdestotrotz haben die Niederlande eine sehr produktive Volkswirtschaft mit gut entwickelten und innovativen Unternehmen. Quelle: AP
Platz 7: HongkongFür Hong Kong ging es im Vorjahresvergleich um zwei Plätze nach oben, dank einer anhaltend starken Leistung. Die Wettbewerbsfähigkeit der Sonderverwaltungszone Hongkong zeugt vor allem von einem guten Abschneiden in vielen Kategorien, hervorzuheben ist die gute Infrastruktur und die hohe Effizienz, Stabilität und Vertrauenswürdigkeit der dortigen Finanzmärkte. In Sachen Bildung und Innovationen hat Hong Kong jedoch noch deutlichen Nachholbedarf (aktuell belegt es die Plätze 22 und 23), wenn es sich weiter verbessern will. Quelle: REUTERS
Platz 6: SchwedenSchweden gehört zwar weiter zur Spitzengruppe, fiel im Vergleich zum Vorjahr aber um zwei Plätze im Ranking. Wie die Schweiz legt Schweden viel Kraft in Innovationen. Obwohl die WEF-Bewertung leicht fiel - Schuld ist ein etwas schwächeres gesamtwirtschaftliches Umfeld - zählen Schwedens öffentliche Einrichtungen nach wie vor zur Spitzenklasse, mit einem hohen Maß an Effizienz, Vertrauenswürdigkeit und Transparenz. Quelle: dpa
Platz 5: USADie Wirtschaft der USA gehört laut WEF nach einem vierjährigen Abwärtstrend wieder zu den effektivsten der Welt und ist führend bei der Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen bis zur Marktreife. Im Wettbewerbsindex verbesserten sich die USA gegenüber 2012 um zwei Plätze auf Rang 5. Quelle: REUTERS
Platz 4: DeutschlandDeutschland ist überraschend um zwei Plätze nach oben geklettert. Im Vorjahr noch auf Rang sechs, hat sich die Bundesrepublik nun auf den vierten Platz vorgearbeitet. Die WEF-Experten bescheinigen Deutschland eine hohe Flexibilität und Innovationskraft seiner Wirtschaft sowie eine ausgezeichnete Infrastruktur. Gelobt wird in der Studie, dass deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich viel für Forschung und Entwicklung ausgeben. Probleme habe Deutschland hingegen durch einen vergleichsweise unflexiblen Arbeitsmarkt. Quelle: dpa

Nicht immer geht es dabei um Fortschritt, zu häufig drängt sich das Gefühl auf, dass hier Argumente vorgetragen werden, die nur Munition für Soros und seine milliardenschweren Spekulationsgeschäfte sind, mit denen er Länder und Währungen in die Knie zwingt und so Menschen ausplündert, denen er anschließend mittels Stipendien großmütig zu Hilfe eilt. Soros ist einer der Schattenmänner, der Financier vieler Strippenzieher. Davos ist auch der Ort der Einflüsterer und Spin-Doktoren, und das Gesamte Weltwirtschaftsforum eine Art globaler Bazar: Ideen, Sichtweisen, Konzepte werden ausgetauscht, be- und zerredet, präsentiert und diskutiert. Es ist ein Ort der Inszenierung und Selbstdarstellung vor einer Weltöffentlichkeit, die von hunderten Journalisten, TV-Stationen, Agenturen, elektronischer Streams und auf allen flackernden Kanälen der Social Media global transportiert wird. So entsteht ein globales Paradigma der Wahrnehmung aus der ständig redenden, plappernden, diskutierenden, Papiere produzierenden Menge überdurchschnittlich schlauer und meinungsstarker Menschen in den Sälen, Hotels und Vorräumen des verwinkelten Kongresszentrums. Sie sind Redner, Rezipienten und Multiplikatoren sowie Lautsprecher und Verstärker in einem. So entstehen Themen und Sichtweisen.

In diesem Jahr etwa staunte die Weltöffentlichkeit im Plenarsaal und dann an den Fernsehern über die Charmeoffensive der iranischen Mullahs, die lächelten statt so finster zu blicken wie noch vor einem Jahr. Dass sie inhaltlich wenig Neues verkündeten, registrierten fast nur die Israelis um Benjamin Netanyahu und Shimon Peres. Auch EZB-Präsident Mario Draghi („Die Euro-Zone ist stabil, die Zentralbank hält sich an die Gesetze“) und Japan gelang es eindrucksvoll, die Eindrücke zu vermitteln, die genehm sind. Nicht über die sich immer weiter auftürmenden Schulden Japans wird gesprochen, sondern über das Reformprogramm: Eine 30-Prozentquote für Frauen und mehr erneuerbare Energien, verspricht Präsident Shinzo Abe, und so etwas verschafft in der aktuellen Währungskrise erst mal Luft.

Denn längst präsentieren sich Länder wie man es sonst nur von Unternehmen vor Investoren kennt. Sie stellen ihre Vorzüge heraus, locken mit bunten Pavillons wie Indien Geldgeber, Versprechen über Aufkleber auf den Stadtbussen von Davos hohe Renditen wie Aserbeidschan oder demonstrieren ihren ungebrochen wachsenden Machtanspruch wie China, das seine Funktionäre mit erhobenem Zeigefinger durch die Hörsäle von Davos schickt und nach Jahrzehnten kolonialer Demütigung durch den Westen nun seinerseits Ratschläge erteilt: Also, solange Deutschland nicht endlich seine Gewerkschaften bändige werde das nichts mehr mit Wachstum.

Wer hier nicht isst, ist nicht

Die zehn größten Euro-Lügen
Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dpa
Giorgios Papandreou Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dapd
Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker Quelle: dapd
Angela Merkel mit Draghi Quelle: dapd
Mariano Rajoy Quelle: REUTERS

Für Henkel-Chef Kaspar Rorsted ist daher Davos „der beste Ausbildungsplatz weltweit“. Nirgendwo könne man in so kurzer Zeit so viele Entscheidungsträger treffen und sich nebenbei über die jeweiligen kontinentalen Machtverschiebungen schlau machen. Denn die Iranischen Machthaber reden ja nicht nur auf der Bühne. Dahinter und davor und danach finden die vielen Gespräche in immer neuen Zirkeln und Runden statt, in denen letztlich die Grundlage für die nächsten globalen Investitionsrunden gelegt werden. „Besuchen Sie unser Land, überzeugen Sie sich von den Chancen, die sich Ihnen hier bieten“, wirbt Rohani – als einer von Vielen.

Und so taktet nicht nur Rorsted seine Davoser Tage durch wie die Agenda einer Vorstandssitzung: Jeden Tag 20 Gespräche und am Abend ist ein Dinner oder eine Party für jeweils einen Halb-Kontinent dran: Freitag mit Gesprächspartnern aus den USA, Donnerstag Naher Osten, und am Mittwoch war es zu Beginn ein Treffen mit allen deutschen Bossen. Dazu lädt der Stahlindustrielle und frühere RWE-Chef Jürgen Grossmann ein, auch einer der legendären Davosianer. Seine Meeresfrüchtetafel in den Bergen ist berühmt, der Ingwerschnaps bringt Veronika Ferres zum Erstickungsanfall und seine Herzlichkeit die zerbrochene Deutschland AG wenigstens für einen Abend wieder ins Leben zurück. Soviel Dax wie Grossmann bringt sonst nicht einmal die Bundesregierung an einen Tisch. Wer hier nicht isst, ist nicht.

In früheren Jahren bat am Morgen nach dem Grossmann-Dinner der Bundeswirtschaftsminister zu Tisch. Unauffällig wurde da Wirtschaftspolitik koordiniert, erinnern sich Teilnehmer. Die neue Bundesregierung dagegen fremdelt noch mit Wirtschaft und Davos. Dabei war in den vergangenen Jahren Deutschland gefeiert worden als Wirtschaftsmotor und letzte verbliebene Gestaltungsmacht Europas. Heuer - Leerstelle. Die Bundeskanzlerin weilt lieber in Meseberg als in den Schweizer Bergen, sie schickt ihren Wirtschafts- und Entwicklungsminister. Die neue Bundesregierung wirkt, als ob sie sich selbst genügt und sich gleichzeitig peinlich ist und daher erst gar nicht mehr versucht, ihr Handeln zu erklären. Tatsächlich herrscht in der via Davos vermittelten Weltöffentlichkeit Kopfschütteln über die Rente mit 63 Jahren. Denn weltweit altert die Bevölkerung, und die deutsche Rente mit 67 galt als Beispiel für weitsichtige und nachhaltige Politik. Und jetzt zurück in die Vergangenheit?

Wirklichkeitsverweigerung ist kein Exportartikel

So viel kostet eine Stunde Arbeit in Europa
Supporters of the ultranationalist Bulgarian party Ataka (attack) wave national flags during a anti-government rally in central Sofia, Bulgaria Quelle: dpa/dpaweb
A woman peers through a Romanian flag during a protest against President Traian Basescu in Bucharest, Romania, Quelle: dapd
Die Flagge der Europäischen Union weht neben den Nationalfahnen der EU-Mitglieder Spanien Niederlande, Irland und Griechenland sowie Rumaenien (hinten v. l.), Portugal, Tschechien und Schweden Quelle: dapd
Die deutsche Flagge weht am 09.08.2012 an einem Schiff der Reederei Hiddensee vor der Silhouette der historischen Altstadt von Stralsund Quelle: dpa
Eiffelturm Quelle: gms
Der Dannebrog, die dänische Flagge, weht am 27.06.2012 an einem Ferienhaus in Henne Strand Quelle: dpa
Boddenhafen von Barth Quelle: ZB

300 Millionen Jugendliche sind weltweit arbeitslos, und immer wieder wurde die Frage gestellt, wieso das denn ausgerechnet in Deutschland anders ist. Jetzt Erstaunen über die
neue deutsche Rückkehr zum blockierten Arbeitsmarkt, indem mit Mindestlöhnen Jugendlichen den Zugang verweht wird. Und angesichts weltweit sinkender Energiepreise und einer ungeheuren Attraktionskraft der USA als neu-alter industrieller Standort mit preiswerten Energien globale Verblüffung über die ebenso hilflose wie halbherzige, globale Trends ignorierende Energiepolitik in Deutschland. Die Groko duckt sich zu Recht weg, sagt Dennis J. Snower vom Institut für Weltwirtschaft Kiel, denn Nabelschau, gestrige Konzepte und Wirklichkeitsverweigerung sind kein globaler Exportartikel. Der britische Premier David Cameron wirbt energisch dafür, dass Europa seine Chancen nicht verspielen möge. Mehr Flexibilität bringe Wachstum und Jobs, nicht immer mehr Gesetze und Vorschriften aus Brüssel. Das gelte insbesondere auch in der Energiepolitik. „Wir dürften nicht vorschnell, Fracking verteufeln. Lasst uns analysieren, wie groß die Chancen und Risiken sind“, fordert er.

Eher unwillig verteidigt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Kurs der Bundesregierung. In vier Jahren, sagt er, seien die heutigen Partner wieder Hauptkonkurrenten und politische Aktionen wie die gewaltige Umverteilung ohnehin selten nachhaltig. Nehmt es nicht zu Ernst, ist seine Botschaft. Schäuble, der alte Fahrensmann der Politik, hat Geduld. Hoffentlich die Weltwirtschaft auch.

Aber verbessert sich der Zustand der Welt durch diese Mechanismen der Meinungsbildung mit sofortiger medialer Umsetzung? Wer die Frage so stellt wie nach einem religiösen Erlösungsversprechen erhält ein Nein. Wie auch anders? Den einen roten Knopf, der alle Sorgen beseitigt, die eine, und dann bitte auch noch einfache Weltformel gibt es nicht. Aber darüber reden und voneinander lernen hilft schon und verbessert die Lage der Welt. Und wahrscheinlich ist das das eigentliche Geheimnis von Davos und der ständig wachsenden Teilnehmerschaft aus der nur schnatternden oder tatsächlich entscheidenden Elite der Welt: Diesen verletzlichen blauen Planeten nicht mehr nur aus einer Perspektive zu sehen, sondern aus vielen, auch widersprechenden; die eigenen Argumente zu messen und zu testenden anderen und sich verblüffen zu lassen über noch nie gehörte Ansätze in Forschung und Wissenschaft: das verbessert die Welt. Vielleicht kriegt WEF-Gründer Klaus Schwab ja doch noch den Friedensnobelpreis; der ging jedenfalls schon an Menschen mit weit geringerer Wirkung.

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