Wenn der IS vertrieben ist Der Kampf der befreiten Städte

Der Islamische Staat wird langsam aus einzelnen Städten verdrängt. Bevor in den befreiten Regionen wieder Normalität einkehrt, braucht es allerdings seine Zeit. So auch in der an Mossul angrenzenden Stadt Hamdanija.

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Nach den Straßenschlachten sind die Städte teilweise zerstört und die Versorgung fast vollständig eingestellt. Quelle: AFP

Hamdanija Bahaa Franschaw steckt Fleischstückchen auf einen Spieß. Er verkauft sie an Passanten. Seine potenziellen Kunden: Zivilisten, die auf der Flucht vor den Kämpfen in Mossul Hamdanija passieren, militärische Verstärkungen auf dem Weg nach Mossul. Und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen, die der vom Krieg gezeichneten Stadt auf die Beine helfen wollen.

Hamdanija liegt zwischen Erbil und Mossul. Vor fünf Monaten wurde die zuvor von der Terrormiliz Islamischer Staat kontrollierte Stadt von irakischen Truppen befreit, die IS-Kämpfer zogen sich nach Mossul zurück, wo sie weiterkämpfen. Nun ist Hamdanija ein drastisches Beispiel für die immense Herausforderung, die der Wiederaufbau für die Behörden bedeutet - nicht nur hier, sondern auch in anderen Gebieten, aus der der IS vertrieben werden konnte.

Der 46-jährige Frenschaw gehört zu den wenigen, die nach Hamdanija zurückgekehrt sind, wo einst 70.000 Menschen - mehrheitlich Christen - wohnten. Er hofft, dass er die Farm wiederbeleben kann, die er verlassen musste, auch wenn er die Zukunft des Landes eher pessimistisch betrachtet. „Ich möchte, dass der Irak so wird, wie er war, aber es wird nicht geschehen.“

Offizielle Angaben über die Zahl der Hamdanija-Rückkehrer gibt es nicht, aber Franschaw sagt, dass es ihn überraschen würde, wenn es mehr als 100 wären. Und das zusätzlich zu den Polizeirekruten, die in der Stadt ausgebildet werden und Soldaten, die hier Stellungen haben.

Viele Gebäude in Hamdanija sind zerstört, Luftschläge der Koalition, irakische Artillerie und IS-Kämpfer haben ganze Straßenzüge in Trümmerhalden verwandelt. Zwar hofft Franschaw auf eine Zukunft auf seiner Farm - erstmal hat er jedoch ein Kebab-Restaurant eröffnet. Das ist schwierig genug. In der Stadt fehlt es an allem. Es gibt kein Wasser, der Strom kommt von Generatoren. Franschaws Laden behilft sich mit Wassertanks, die improvisierten Leitungen funktionieren oft nicht. „Es ist schwer zurückzukommen. Denn hier ist nichts, wozu man zurückkehren kann.“

Saad Haschim, ein sunnitischer Muslim aus Bagdad, isst in Franschaws Restaurant zu Mittag. Alle vertriebenen Menschen, die er in Flüchtlingslager gebracht habe, hätten erklärt, dass sie in ihre Heimat zurückkehren würden, schildert er. Aber sie würden erst dann kommen, wenn es die Infrastruktur erlaube, die Strom- und Wasserversorgung wiederhergestellt sei. Ein örtlicher Kommandeur einer christlichen Miliz, Arkan Hasib Chidh, macht die Behörden für den Mangel an Fortschritten in der Stadt verantwortlich. „Die Regierung hat bisher nichts für uns getan“, sagt er.

Aber es gibt einige Zeichen von Normalität. Ein improvisiertes Krankenhaus wird in Kürze erste Patienten aufnehmen, und die Behörden wollen sich wieder um Rechtsfälle kümmern. Im Sommer soll eine Schule ihre Türen öffnen. Die Fortschritte kommen jedoch nur quälend langsam voran.

Franschaw gehört noch zu den Glücklichen, sein Haus blieb vom Schlimmsten verschont. Es wurde nur geplündert und die Einrichtung verwüstet. Doch eines kann er einfach nicht verstehen: Warum einige der Schäden nach der Vertreibung der IS-Kämpfer entstanden seien. Er zeigt auf die zerbrochenen Möbel in seinem Wohnzimmer: „Das hier wurde nicht vom IS angerichtet.“

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