„Wird nicht über Nacht gelöst“ US-Militär beklagt hohe Erwartungshaltung

US-Militär kritisiert die Berichterstattung über den Kampf gegen IS. Teilen der Presse fehle es an Geduld, es gebe die Erwartung, dass das Militär allmächtig sei. Unterdessen spitzt sich die Lage in Nordsyrien zu.

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Pentagon richte man sich auf einen längeren Einsatz ein. Quelle: dpa

Washington Das US-Militär hat einigen Medien eine schrille und nicht ausgewogene Berichterstattung über den Kampf gegen Islamisten in Syrien und dem Irak vorgeworfen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums Admiral John Kirby erklärte, Teilen der Presse fehle die Geduld. Zwar sei dies auch dem Tempo der heutigen Medienlandschaft geschuldet. „Aber es gibt auch diese Erwartung, dass das US-Militär allmächtig ist.“

Die Lage in Syrien und im Irak sei wegen der kulturellen, religiösen und geografischen Umstände kompliziert. „Das wird nicht über Nacht gelöst werden und es wird nicht durch Bomben gelöst werden“, sagte Kirby. Im Pentagon richte man sich auf einen längeren Einsatz ein. „Es ist wichtig, dass die Menschen das verstehen.“

Das US-Militär bombardiert seit etwa einer Woche Ziele der Extremistengruppe Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak. Seit Dienstag beteiligt sich auch die britische Luftwaffe an den Angriffen. Insbesondere in der syrisch-türkischen Grenzregion spitzt sich die Lage zu.

Offenbar hat die Terrormiliz Islamischer Staat seit ihrem Vormarsch auf die Kurdenenklave Kobane über 300 Dörfer im Umland unter ihre Kontrolle gebracht. Insgesamt seien 325 Ortschaften innerhalb der letzten beiden Wochen von der Miliz eingenommen worden, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Zu Beginn der Angriffe auf die nordsyrische Region um Kobane war die oppositionsnahe Beobachtergruppe zunächst von rund 60 Dörfern ausgegangen.

Die IS-Miliz steht mittlerweile im Osten, Süden und Westen vor der Stadt Kobane (Arabisch: Ain al-Arab). Im Norden grenzt die Enklave, die bislang von kurdischen Volksschutzeinheiten kontrolliert wird, an die Türkei. Die USA und ihre arabischen Verbündeten bombardierten IS-Stellungen in der Nähe der eingekreisten Stadt. Zwei Dörfer westlich und östlich von Kobane seien am Dienstag angegriffen worden, teilte die syrische Beobachtungsstelle mit. Die Extremisten selbst beschießen Kobane seit dem Wochenende wiederholt mit Artillerie.

Die Türkei zog angesichts des IS-Vormarschs auf Kobane Truppen an der Grenze zusammen. Die Streitkräfte hätten 35 Panzer in der Region aufgefahren, berichtete die regierungsnahe Zeitung „Sabah“. Die Panzer hätten 400 Meter von der Grenze entfernt Stellung bezogen.

Die Regierung in Ankara legte am späten Dienstag dem Parlament eine Resolution für ein militärisches Eingreifen im Irak und in Syrien vor. An der Landgrenze im Süden der Türkei gebe es einen ernsthaften Zuwachs von Risiken und Bedrohungen, die die nationale Sicherheit wegen der jüngsten Entwicklungen in der Region bedrohten, heiße es in der Begründung des Antrags, die von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu unterzeichnet worden sei, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht zum Mittwoch. Die Zeitung „Hürriyet“ schrieb ergänzend, das Mandat umfasse auch die Öffnung türkischer Militärbasen für ausländische Truppen. Über die Resolution soll am Donnerstag abgestimmt werden.

„Die Kämpfer können sich sehen“


Britische Kampfflugzeuge haben erstmals Stellungen der Terrormiliz im Irak angegriffen. Wie das Verteidigungsministerium in London am Dienstag mitteilte, unterstützten die Tornado-Maschinen dabei kurdische Kämpfer, die sich im Nordwesten Gefechte mit IS-Einheiten lieferten. Kurdische Einheiten vertrieben die IS-Miliz zudem aus mehreren Orten im Nordirak. Die Kurden setzten dabei auch schwere Waffen ein, die ihnen vom Westen geliefert worden waren, wie die irakische Nachrichtenseite Al-Mada berichtete. Die US-Luftwaffe unterstützte die Kurden.

US-Präsident Barack Obama traf sich am Dienstag (Ortszeit) mit dem Nationalen Sicherheitsrat, um über Fortschritte im Krieg gegen IS zu sprechen. Obama wurde dabei auch über die Erfolge der US-Angriffe in Syrien und dem Kampf gegen die Chorasan-Gruppe informiert, hieß es aus dem Weißen Haus.

Im Norden Syriens konnten die Extremisten dagegen ihren Vormarsch trotz der Luftangriffe der internationalen Koalition fortsetzen. Dort rückten sie bis auf zwei Kilometer an die Stadt Kobane heran. Zwischen den Stellungen der IS und der Kurden liege nur noch ein freies Feld, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. „Die Kämpfer können sich sehen“, sagte deren Leiter Rami Abdel Rahman.


Im Nordirak hätten die Kurden zwölf Dörfer unter Kontrolle gebracht, die meisten in der Nähe des Ortes Rabia an der Grenze zu Syrien, hieß es aus den kurdischen Einheiten. Auch den Grenzort selbst nahmen sie laut der kurdischen Nachrichtenseite Rudaw ein. Er gilt als strategisch wichtig, weil er die irakischen Kurden direkt mit den syrischen Kurden verbindet, die beide gegen die Terrormiliz kämpfen.

Die irakischen Peschmerga hatten ihre Offensive gegen den IS im Morgengrauen begonnen. Sie griffen nach eigenen Angaben an drei Fronten an. Auch südlich der Stadt Kirkuk konnten sie zwei Orte einnehmen. US-Jets bombardierten ebenfalls IS-Stellungen im Nordirak. Die IS-Kämpfer seien Richtung Syrien abgezogen, berichtete Rudaw.

Bei den britischen Luftangriffen seien eine mit schweren Waffen bestückte Stellung sowie ein Fahrzeug der Extremisten beschossen worden, wurde in London erklärt. Die Luftangriffe wurden als erfolgreich bezeichnet. Das Unterhaus in London hatte Ende vergangener Woche den Weg dafür frei gemacht.

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