Wirtschaft im Weitwinkel

Die Populismus-Gefahr und warum sie bleibt

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Die böse Globalisierung

Einig sind sich links- und rechtspopulistische Bewegungen in der Regel in einer Betonung der nationalen Souveränität in der Wirtschaftspolitik. Das wird in Europa zumeist interpretiert in einer Ablehnung der Europäischen Union und des Euros, sowie ganz allgemein in einer Ablehnung des Freihandels. Die Globalisierung wird für das Übel verantwortlich gemacht, insbesondere für den Verlust traditioneller Arbeitsplätze im Industriebereich. Einwanderung wird generell abgelehnt, zum einen um zusätzliche Konkurrenten um vorhandene Arbeitsplätze auszuschließen, zum anderen vor allem bei rechten Bewegungen aus „völkischen“ Ideologien heraus.

Einig ist man sich auch in einer großen „Staatsgläubigkeit“, die konträr steht zur Ablehnung der herrschenden Politik. Wirtschaftspolitisch übersetzt wird das in einen Staatsdirigismus, der vor allem über protektionistische Maßnahmen und höhere Staatsausgaben versucht, die heimischen Produzenten zu begünstigen und die Konkurrenz auszuschließen. Dies führt in der Regel zu kräftig steigenden Staatsausgaben. Die höheren Staatsausgaben beleben das Wachstum und führen zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Der Preis ist eine kräftig steigende Staatsverschuldung, die wieder abgebaut werden muss, was spätestens dann zu wirtschaftspolitischen Einschränkungen führt.

Einem solchen wirtschaftspolitischen Vorgehen kann kein Erfolg beschieden sein, jedenfalls nicht in der mittleren und längeren Sicht. Kurzfristig, das heißt auf Sicht von ein oder zwei Jahren, sind aber durchaus „Erfolge“ möglich, etwa in Form eines stärkeren Wachstums und einer steigenden Beschäftigung. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Finanzmärkte populistischen Bewegungen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Die mittel- und langfristigen Folgen einer solchen Politik lassen sich zurzeit in Venezuela betrachten. Ein eigentlich sehr reiches Land steht nach fast 20 Jahren eines links-populistischen Regimes vor dem Ruin.

Das Aufkommen des Populismus lässt sich nach Phasen wie der letzten Immobilien- und Staatsschuldenkrise wahrscheinlich nicht verhindern. Die Anfälligkeit der Bevölkerung kann man aber verringern. Die etablierten Parteien und die verantwortlichen Regierungen müssen die Politik, ihre Entscheidungen und die zugrundeliegenden Entwicklungsströmungen erklären. Damit kann man den Raum für vermeintlich einfache populistische Antworten auf teilweise komplexe Fragen verkleinern. Außerdem sollte man den Teilen der Gesellschaft, die von wirtschaftlichen Entwicklungen besonders negativ betroffen sind, eine staatlich geförderte Perspektive geben. Solche Maßnahmen werden populistische Tendenzen nicht verhindern, aber deren Wählerpotenzial verringern.

In Europa werden die populistischen Bewegungen nicht so schnell wieder verschwinden. Die wirtschaftliche Krise lastet schwer und hat in einigen Ländern tiefe Spuren hinterlassen. In den aktuellen Wahlen konnten sich bislang die gemäßigten Kräfte durchsetzen, wenn auch etablierte Parteien von den Wählern merklich abgestraft wurden.

Wenn die jetzt verantwortlichen Parteien und Regierungen jedoch die wirtschaftliche Situation der Menschen nicht verbessern und die Ängste abbauen, dürfte es nur eine Zwischenstation sein, hin zu populistischen Regierungen bei den nächsten Wahlen.

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