Wladimir Putin in Hannover Ein Staatsbesuch zur Eiszeit

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Niemand lockt den Autokraten aus der Reserve

Vladimir Putin und Angela Merkel als Babuschkas-Figuren in Moskau an einem Verkaufsstand vor dem Kreml: Bei Werte-Fragen kommen beide Länder nicht überein. Quelle: dpa

In Hannover wird es Ärger geben. Denn in den deutsch-russischen Beziehungen stimmen zwar die Interessen (Handel), aber bei Werte-Fragen kommen beide Länder nicht überein. Im politischen Berlin reift allmählich die Einsicht, dass die so genannte Modernisierungspartnerschaft mit Russland ein Missverständnis war: Moskau verstand hierbei die Lieferung moderner Anlagen, die deutsche Politik interpretierte Modernisierung auch im gesellschaftlichen Sinne als Liberalisierung und Öffnung eines autoritären Regimes.

Umgekehrt sendet Wladimir Putin keinerlei Signale, die auf ein breites Verständnis westlicher Werte und ihrer Notwendigkeit schließen lassen. Im ARD-Interview mit einem sichtlich überforderten Jörg Schönenborn wiegelte er kritische Fragen zu repressiven Gesetzen immer wieder mit USA-Vergleichen ab und wich den Interviewer aus, indem er Gegenfragen stellte und überlegen in sich hinein lachte. Einen wie überzeugten Autokraten wie Putin mit Argumenten aus der Reserve zu locken, gelingt weder Journalisten noch Politikern.

Politisch ist von Russland also nicht viel zu erwarten. Natürlich muss der deutschen Politik daran gelegen sein, dass die russische Gesellschaft mehr Freiheiten und demokratische Rechte bekommt. Nur wenn sich Russland öffnet, kann es jenseits von Öl und Gas wettbewerbsfähig werden, nur wenn die Menschen frei sind, können sie echte Innovationen hervorbringen. Letzteres sollte auch im langfristigen Interesse der deutschen Wirtschaft liegen, so es denn in der Wirtschaft Langfrist-Interessen gibt.

Somit verbietet sich Kritik an der Putin-Kritik vonseiten der Bundesregierung – mit Samthandschuhen darf und will Moskau nicht angefasst werden. Umgekehrt gilt aber auch: Der Handel sollte nicht leiden, weil sich die Politiker nicht mögen. Die Entzerrung von politischen Werten und ökonomischen Interessen ist in dieser Eiszeit das Gebot der Stunde. Das klappt ja auch mit China.

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