Zukunft bislang ungewiss Die Mächtigen haben genug vom Ukraine-Chaos

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Oligarchen gehen auf Distanz

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch Quelle: dpa

Unverhohlen gehen die Oligarchen auf Distanz zu Janukowitsch. Zumal der sich seit den Präsidentschaftswahlen 2010 nicht mehr um das finanzielle Wohlergehen
 von einstigen Gönnern wie Achmetow schert, im Gegenteil: Günstlinge des Präsidenten ergatterten Staatsaufträge, die sie
 in Windeseile reich werden ließen. Das Bauunternehmen des Präsidentensohns ­Olexandr Janukowitsch – ein gelernter Zahnarzt – zählt zu den Profiteuren. Und der erst 28-jährige Sergei Kurtschenko verdoppelte sein Vermögen von April bis Oktober auf mehr als 800 Millionen Dollar. Im Umfeld des Präsidenten hat sich ein neuer Klan gebildet, den sie in der Ukraine nur „die Familie“ nennen.

Alteingesessene Oligarchen gehen leer aus. Der Undankbarkeit nicht genug, bläst die Familie inzwischen zum Halali auf die Großkapitalisten: Dmytro Firtasch hatte es plötzlich mit Kurtschenko als Konkurrenten im lukrativen Gashandel mit Russland zu tun – und auch ins Raffineriegeschäft will der Neureiche einsteigen ein.

Lange Leine

Was es heißt, die Gunst der Regierung zu verlieren, erfuhr auch Rinat Achmetow: Die Regierung plante die Streichung von Steuervorteilen für seine Düngemittelsparte, die Steuerpolizei nahm Offshore-Konstrukte des Donbass-Königs ins Visier. All dies scheint mit dazu beigetragen zu haben, dass sich Achmetow von dem alten System verabschiedet. „In der Ukraine wähnt Achmetow sein Kapital nicht sicher, sofern er die politischen Verhältnisse nicht kontrollieren kann“, sagt ein Insider. Dann besser den Weg nach Europa einschlagen, wo die Regeln für Investitionen und den Kapitalverkehr transparent sind.

Inzwischen stehen sämtliche Oligarchen mit der Opposition in Dauerkontakt. Von Viktor Pintschuk ist bekannt, dass er die Klitschko-Partei Udar unterstützt. Auch Firtasch soll die pro-europäischen Herausforderer Janukowitschs sponsern, Schokozar Poroschenko steht treu zur Partei der inhaftierten Ex-Premierministerin Julia Timoschenko, die Fraktionschef Arseni Jazenjuk führt. Die Bühne auf dem Unabhängigkeitsplatz geht auf die Rechnung der Oligarchen, sicher auch die Zutaten für die Bohnensuppe, die Babuschki den ­frierenden Protestlern kochen.

In Wahrheit ist die Spaltung zwischen Ost und West ein Mythos, herbeigeredet vom Westen selbst. Dem Volk in der Ukraine geht es um zuverlässige politische Verhältnisse – und auch die Oligarchen haben ihre Lektionen aus den Chaos-Jahren gelernt. Die nächste Regierung, gleich welcher Farbe, muss nachhaltige Rezepte gegen die weiter brodelnde Wirtschafts­krise finden. Sonst marschieren sie in Ost und West gemeinsam gegen Kiew.

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