Zunehmende Beschränkungen im Netz Warum China zum Internet-Entwicklungsland wird

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Für die Industrie ist die Internetpolitik eine Katastrophe

Nicht nur der Kontakt nach Deutschland ist ein Problem. Auch für die produzierende Industrie ist Chinas Internetpolitik eine Katastrophe. Deutschland wird mit seiner Industrie 4.0 zwar als Vorbild für die Automatisierung der chinesischen Wirtschaft gehandelt. Die Freiräume dafür werden aber immer kleiner. Auch wenn kaum ein Unternehmen offen darüber sprechen will, die Vernetzung innerhalb der Lieferketten ist mit dem aktuellen Stand des Internets kaum möglich.

Einerseits, weil es einfach nicht die entsprechende Geschwindigkeit hat. Andererseits, weil die Firmen um ihre Datensicherheit fürchten müssen. Ein im Sommer beschlossenes Internetsicherheitsgesetz hat für die Unternehmen viele rechtliche Unklarheiten geschaffen. Es räumt Peking weitreichende Möglichkeiten ein, die digitale Infrastruktur von Unternehmen zu überprüfen und damit schlimmsten Fall auch Einblick in Betriebsgeheimnisse zu erhalten.

Die Folge: Viele Firmen halten sich aktuell mit Investitionen zurück. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen in der Studie der Auslandshandelskammer investiert dieses Jahr überhaupt nicht in andere Standorte in China. Kein Wunder, immerhin können die Unternehmen sich nicht sicher sein, ob sie womöglich schon im Februar keine verschlüsselte Verbindung mehr aufbauen kann, ohne dass der Staat mitliest. Die europäischen Firmen würden unter „aufgestauter Versprechens-Müdigkeit“ leiden, wie die Europäische Handelskammer jüngst erklärte.

Anlässlich der aktuellen Internet-Politik liest sich die Erklärung des Vize-Internetministers Ren Xianliang im Vorfeld der Konferenz unfreiwillig komisch, wenn er als Ziel des diesjährigen Treffens davon spricht, dass es um „die Wichtigkeit von Offenheit“ bei einer globalen Internet-Politik gehen würde. Sicher ist, eines der Kernthemen der Konferenz wird wieder die so genannte Cyber-Souveranität sein, wie Präsident Xi Jinping seine Internet-Politik nennt. Geht es nach Xi, soll jeder Staat in Sachen Internet tun und lassen dürfen, was es will. Und andere Staaten müssen sich raushalten.

Wer Antworten auf die Herausforderungen des Internets sucht, die es in China wie im Westen ohne Zweifel gibt, braucht deshalb nicht nach Wuzhen zu reisen. Die Weltinternetkonferenz zieht dieses Jahr wohl wieder vor allem Staaten an, die Chinas Internet nicht mit Sorge beobachten, sondern mit Bewunderung. Eine Reihe von Schurkenstaaten bekommen inzwischen glänzende Augen, wenn es um Chinas digitalen Kontrollstaat geht. Dazu kommt Tim Cook, der noch ein paar seiner iPhones loswerden möchte. Doch das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen: China ist auf dem Weg zurück, ein Internet-Entwicklungsland zu werden.

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