Präsident Xi soll per Videonachricht eine Rede halten. Apple-Chef Tim Cook könnte sogar einfliegen. Eine hochkarätige Besetzung ist für die so genannte Weltinternetkonferenz geplant, die an diesem Sonntag im ostchinesischen Wuzhen startet. Als Land mit den meisten Internetnutzern ist China eigentlich ein guter Ort für die zweitätige Konferenz, die die Regeln für das globale Internet setzen will. Mit Onlinehändler Alibaba und Messengerbetreiber Tencent hat es globale Giganten hervorgebracht, die inzwischen auch im Ausland zu Vorbildern geworden sind.
Aber trotz diesjähriger Starbesetzung könnte es mit der digitalen Vorreiterrolle Chinas bald vorbei sein. Xi Jinping wird über die Chancen des Internets sprechen. Tim Cook will mit seinem Gastauftritt seinen Zugang zum größten Smartphone-Markt der Welt sichern. Das alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die chinesische Regierung in Sachen Internet gerade zurück ins digitale Steinzeitalter katapultiert. Denn im chinesischen Internet ist nur noch erlaubt, was Peking gefällt. Innovation ist nur noch da möglich, wo sie den Interessen des autokratischen Staats dient. Für deutsche Unternehmen ist das ein besonderes Problem.
Das chinesische Internet ist heute abgeschottete denn je. Die Dimension der digitalen Kontrolle wurde diese Woche wieder besonders deutlich. In sozialen Medien war es zu massiven Protesten gegen die Regierung gekommen, weil die Pekinger Behörden seit Monaten gegen Menschen vorgehen, die keine Aufenthaltsgenehmigung für die Hauptstadt haben. In China herrscht keine Freizügigkeit. Man braucht für jeden Wohnortwechsel eine Genehmigung. Betroffen sind vor allem zehntausende Arbeiter, die häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt sind. „Diduan renkou“ heißt das auf Chinesisch: die von ganz unten. Die Behörden zwingen die Menschen innerhalb weniger Stunden ihre Wohnungen zu räumen und reißen diese dann ab.
Die neuen starken Männer in China
Nach fünf Jahren im Amt der einflussreichste Parteichef seit Staatsgründer Mao Tsetung. Pragmatismus und Wirtschaftsreformen spielen unter dem 64-Jährigen nicht mehr so eine große Rolle, dafür die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei.
Kümmert sich als Premierminister vor allem um die Wirtschaft, musste aber viel Macht an den Präsidenten abgeben. Der 62-Jährige galt im Frühjahr noch als Wackelkandidat, weil er einer anderen politischen Strömung als Xi Jinping angehört.
Einer der engsten Verbündeten und langjähriger Weggefährte von Xi Jinping. Der 67-Jährige ist derzeit Stabschef des Präsidenten und wurde schon oft mit diplomatischen Missionen im Ausland betraut. Er soll möglicherweise Parlamentspräsident werden
Der 62 Jahre alte Vizepremier ist versiert in Wirtschafts- und Handelsfragen. Er ist das einzige neue Mitglied im Ständigen Ausschuss, das kein enger Vertrauter von Präsident Xi Jinping ist. Er wird dem Lager von Premierminister Li Keqiang zugeordnet.
Der Denker. Der 62-jährige diente drei Präsidenten als Berater und hat ein enges Verhältnis zu Xi Jinping entwickelt. Vermutlich steckt er hinter dessen Idee vom „chinesischen Traum“. Er wird Propaganda, Ideologie und Parteiorganisation verantworten.
Organisationschef der Partei. Als ehemaliger Parteichef von Shaanxi?, der Heimatprovinz von Xi Jinping, werden dem 60-Jährigen enge Verbindungen zum Präsidenten nachgesagt. Er wird das Amt des obersten Korruptionsbekämpfers übernehmen.
Arbeitete als Bürgermeister von Shanghai eng mit Xi Jinping zusammen, als der vor zehn Jahren Parteivorsitzender in der Metropole war. Ist heute selbst Parteichef Shanghais. Der 63-Jährige könnte neuer Vorsitzender der beratenden Konsultativkonferenz werden.
Anstatt die Zwangsräumungen zu unterstützen, wie die Regierung scheinbar gehofft hatte, waren viele Pekinger empört über das brutale Vorgehen und machten ihrer Wut in den sozialen Netzwerken Luft. Innerhalb kürzester Zeit wurden daraufhin Schlagwörter wie „Unterschicht“, „Bevölkerung“ und „Peking“ in den sozialen Medien zensiert. Ein offener Brief mit der Forderung, die Räumungen sofort zu stoppen, wurde gelöscht. 100 Intellektuelle hatten diesen unterschrieben.
Er war anfangs breitflächig geteilt worden. Rund 28 auf 10.000 Kommentare verschwanden in den vergangenen Tagen aus dem Netz, wie die Untersuchung einer Hongkonger Universität zeigte. Dabei schöpfte die Regierung nicht einmal alle ihre Möglichkeiten aus. Kurz nachdem der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo im Sommer in chinesischer Gefangenschaft gestorben war, hatten die Behörden auch innerhalb privater Chats Nachrichten blockiert und gelöscht.
Die Zensur in sozialen Medien ist aber nur ein Teil des digitalen Überwachungsstaats. Gleichzeitig werden immer mehr ausländische Internetseiten gesperrt oder ihre Ladegeschwindigkeit verlangsamt, wie eine Untersuchung der Beratungsfirma CDNetworks zeigt. Während in China die Internetseiten innerhalb von Sekunden laden, dauern sie laut CDNetworks im Schnitt 33 Sekunden. Trotz guter Infrastruktur liegt China so laut einer Untersuchung des britischen Vergleichsportals cable.co weltweit bei der Internetgeschwindigkeit auf Platz 134.