Zweifel an Sanktionen Was tun gegen Putin?

Europa beschließt weitere Strafmaßnahmen gegen Russland und macht sich zur Schutzmacht der Ukraine – eine Politik mit zweifelhaften Erfolgsaussichten.

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Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Welch eine Inszenierung! Vergangenen Dienstag stimmten das Europäische Parlament (EP) in Straßburg und die ukrainischen Parlamentsabgeordneten in Kiew genau um zwölf Uhr mittags mitteleuropäischer Sommerzeit gleichzeitig dem Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU zu. „Heute haben wir bezeugt, wie Geschichte geschrieben wird“, sagte EP-Präsident Martin Schulz pathetisch, es sei eine „Sternstunde für die Demokratie“. Das Europäische Parlament, so die Botschaft, die aus technischen Gründen mit leichter Zeitverzögerung in Kiew eintraf, unterstütze die Ukraine auf ihrem Weg nach Europa.

Weitere Hilfen für die ukrainische Wirtschaft durch die EU rücken mit diesem Doppelbeschluss näher. Doch das ist nur die eine Seite des Problems. Wesentlich schwieriger ist es für die Europäer, geeignete Abwehrmaßnahmen gegen die russische Expansionspolitik zu finden. Militärische Schritte gegen Russland verbieten sich von selbst, eine Einsicht, die derzeit selbst der alte polnische Nationalheld Lech Walesa verkündet, Ikone des Widerstands Osteuropas gegen die Moskauer Dominanz: „Die EU weiß doch, dass Russland Atomwaffen hat, genau wie die Nato. Müssen wir uns denn gegenseitig zerstören?“

Zeitleiste

Das fragen sich auch viele Unternehmen, die um ihr Geschäft und ihre Investitionen in Russland bangen. Auch diese Sorgen sind ernst zu nehmen – aber politisch sind andere Überlegungen vorrangig. Der deutsche Wirtschaftsaustausch mit Russland ist geringer als der mit dem Nachbarland Polen.

Gerade hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Drohung von Wladimir Putin kolportiert, die russische Armee könne binnen zwei Tagen nicht nur Kiew, sondern auch die Hauptstädte Polens, Lettlands und Rumäniens erreichen. Aus Moskau kommt kein Dementi – da wirken die Sorgen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft nicht nur kleinkrämerisch, sie verhallen auch ungehört auf den Korridoren der Politik.

Entscheidungen zur Sanktionspolitik gegen Russland fallen ohnehin auf Ebene der EU – und überraschenderweise haben es die nationalen Regierungen in Brüssel bislang geschafft, eine gemeinsame Linie zu finden, wenn auch langsam und mühevoll. Polen und Balten mit ihrer Angst vor russischem Revanchismus, Slowaken und Bulgaren mit ihrer totalen Abhängigkeit vom russischen Gas, Spanier und Italiener mit ihrem geringen Interesse an Osteuropa sind schwer unter einen Hut zu bringen.

Was aber können die europäischen Sanktionen überhaupt ausrichten? Mitte September einigten sich die 28 EU-Staaten nach langem Zögern auf weitere Schritte und verstärkten damit die dritte von insgesamt drei Eskalationsstufen, die sie schon im März nach der russischen Intervention auf der Krim angekündigt hatten. Das Arsenal der wirtschaftlichen Folterinstrumente ist aber noch lange nicht ausgeschöpft. „Wir werden möglicherweise weitere Sanktionen aussprechen“, kündigt Elmar Brok an, CDU-Politiker und Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses im EP. „Nach oben gibt es sehr viel Spielraum“, sagt der liberale EU-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff.

Sanfte Reaktion

Spielraum nach oben haben sich die Staats- und Regierungschefs bewahrt, indem sie stets relativ sanft auf die Aktionen der Gegenseite reagierten, nachdem russische Okkupanten die Krim besetzt hatten. Damals wurden erst einmal die Brüsseler Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und ein Assoziierungsabkommen mit Russland ausgesetzt. Präsident Putin ließ sich davon und von den gleichzeitigen, etwas weiter gehenden amerikanischen Sanktionen nicht beeindrucken. Moskau proklamierte Mitte März die Annexion der Krim, woraufhin die EU Einreiseverbote aussprach und das Vermögen russischer Politiker und Oligarchen einfror. Die Namensliste der davon Betroffenen wurde mittlerweile erweitert: Nach derzeitigem Stand gelten für 119 Personen und 23 Unternehmen mehr oder weniger weitreichende Restriktionen.

Putins Folterwerkzeuge im Sanktionskrieg

All das änderte nichts an der russischen Aggression in der Ukraine und an den zunehmend heftigeren Umtrieben der von Moskau gestützten Separatisten in der Ostukraine. Hunderte Passagiere eines Passagierflugzeugs auf dem Flug von Amsterdam nach Kuala Lumpur mussten sterben, bevor die EU im Juli effiziente Wirtschaftssanktionen verhängte, vor allem gegen die russische Finanzbranche. Privatleute und Unternehmen aus der EU dürfen seitdem keine Schuldtitel der bedeutenden russischen Banken Sberbank, VTB, Bank of Moscow, Gazprombank und Rosselchosbank mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen erwerben. Inzwischen gilt dieses Verbot für Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen.

Außerdem ächtet die EU auch Anleihen der drei großen Energieunternehmen Rosneft, Transneft und der Ölsparte von Gazprom (bei der Erdgassparte sind die Europäer vorsichtig) sowie Papiere von drei großen russischen Rüstungsherstellern.

Oberflächlich Einig

All das dauerte so lange und wurde von den Vertretern der nationalen Regierungen bis ins letzte Detail verhandelt, weil sich die Europäer im Umgang mit Putin und seinem Expansionsdrang nur oberflächlich einig sind. Die Staats- und Regierungschefs hatten die Sanktionen Ende August beschlossen. In Kraft traten sie dann aber mit Verzögerung, und der scheidende Ratspräsident Herman Van Rompuy kündigte gleich an, die Beschlüsse würden wenigstens teilweise aufgehoben, sollte der Waffenstillstand in der Ostukraine halten.

Nur so ließ sich ein Mitgliedstaat wie Finnland mit seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russland bei der Stange halten. Der finnische Ministerpräsident Alexander Stubb gehört zu den größten Kritikern der Sanktionen, weil sein Land unter einem möglichen russischen Gegenschlag am meisten zu leiden hätte. Ohne Gaslieferungen aus Russland wären die finnischen Reserven nach einem Monat aufgebraucht. Ähnlich sieht es in der Slowakei und in Bulgarien aus. In Finnland kommt die Angst vor einem russischen Überflugverbot für europäische Fluglinien dazu – und mit einer solchen ökonomischen Konterattacke hat der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew bereits gedroht. Doch Flüge nach Asien über Sibirien machen derzeit mehr als die Hälfte der Passagierkilometer von Finnair aus.

Zu den Sanktionsskeptikern in der EU zählen neben den ängstlichen Erdgaskunden aber auch die Italiener, weil Putin aus der südeuropäischen Entfernung weniger als Bedrohung wahrgenommen wird als in der direkten Nachbarschaft wie im Baltikum und in Polen.

"Beginn einer gefährlichen Sanktionsspirale"

„Die Einheit unter den EU-Staaten ist extrem zerbrechlich“, urteilt Jan Techau vom Thinktank Carnegie Europe in Brüssel. Nicht nur zwischen den Staaten gibt es große Unterschiede, sondern auch innerhalb der verschiedenen Regierungen. Das gilt auch für Berlin: Außenminister Frank-Walter Steinmeier würde einen weicheren Kurs gegenüber Russland fahren, wenn es nur nach ihm ginge. Ob Angela Merkel bei ihrem harten Kurs gegenüber Russland bleibt, wenn deutsche Unternehmer immer lauter über die wirtschaftlichen Folgen klagen und der Kreml keineswegs klein beigibt? Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, warnt bereits vor dem „Beginn einer gefährlichen Sanktionsspirale“.

Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland

Experten wie Jörg Forbrig vom Thinktank German Marshall Fund of the United States halten entsprechende Befürchtungen für übertrieben: Russland sei für Deutschland doch nur „ein drittklassiger Handelspartner“, dessen Anteil am deutschen Export seit einem Jahrzehnt bei 3,3 Prozent verharrt: „Russland ist kein Markt von Zukunftsinteresse.“

Das sehen Unternehmer, die bisher gute Geschäfte in Russland treiben, natürlich anders. Etwa jener Pumpenhersteller, der Hydraulikpumpen für Lenksysteme ins Volkswagen-Werk in Kaluga liefert. Weil die Pumpen auch in der Rohölförderung eingesetzt werden, leidet der Automobilzulieferer nun unter den Sanktionen. Der liberale Europaabgeordnete Lambsdorff hört immer häufiger Klagen von Mittelständlern, die keine neuen Aufträge mehr aus Russland bekommen. Er plädiert darum dafür, einen europäischen Fonds einzurichten, der betroffene Unternehmen entschädigt: „Die EU-Regierungen müssen einen Kompensationsmechanismus schaffen.“ Unternehmen würden dabei nach strengen Kriterien und nicht in voller Höhe des Verlusts entschädigt.

Der Ökonom Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies in Brüssel schlägt vor, hierbei nur Unternehmen zu berücksichtigen, deren Umsatz in Russland in den vorangegangenen drei Jahren mehr als ein Viertel des Gesamtumsatzes betrug und die nachweislich Einbußen verzeichnen. Ein gemeinsam von den EU-Mitgliedstaaten finanzierter Fonds würde den Politikern mehr Spielraum geben, weil bei weiteren Sanktionen nicht jedes Mal die Frage nach der Last für die Wirtschaft neu diskutiert werden muss. „Solange wir einen solchen Mechanismus nicht haben, wird die Debatte jedes Mal neu aufbrechen“, befürchtet Lambsdorff.

So ein Fonds würde unter der Voraussetzung arbeiten, dass Umsatzeinbrüche europäischer Unternehmen in Russland unmittelbare Folge der westlichen Sanktionen wären. Das ist aber nur zum Teil der Fall: Die Schwäche der russischen Wirtschaft erklärt sich ganz wesentlich aus der Bevorzugung des ertragreichen Gas- und Ölgeschäfts durch Putins Regierung auf Kosten von Diversifikation und Modernisierung anderer ökonomischer Sektoren.

Einen Tag nach den spektakulären Sitzungen der Parlamente in Straßburg und in Kiew wurde das wieder einmal deutlich. Bei einer hochrangigen Konferenz von Private-Equity-Managern in Moskau wurde bekannt, dass die gesamten Private-Equity-Investitionen in Russland schon von 2011 bis 2013 von jährlich 1,6 Milliarden auf 295 Millionen Dollar geschrumpft waren – und das, obwohl von Sanktionen in dieser Zeit noch keine Rede war. In den ersten acht Monaten waren es dann ganze 35 Millionen Dollar. „2014 ist ein verlorenes Jahr und 2015 eigentlich auch schon“, sagt Andrej Jakunin, Partner der Moskauer Private-Equity-Gesellschaft VIYM. Jakunins Vater ist der russische Bahnchef Wladimir Jakunin, einer der engsten Vertrauten Putins. Die Sanktionen tun offenbar auch der Moskauer Führungsclique weh – aber wird das auch ihre Politik ändern?

Russland wird ärmer

Es hat nichts mit Sympathien für Russlands Position im Ukraine-Konflikt zu tun, wenn man das bezweifelt. Gewiss: Es gibt genug Beispiele dafür, dass politisch begründete Sanktionen der Industriestaaten gegen missliebige Mitglieder der Staatengemeinschaft erfolgreich waren. Die USA und ihre mehr oder minder willigen Verbündeten haben in jüngster Vergangenheit den Iran zu erheblichen Abstrichen bei seinem nuklearen Aufrüstungsprogramm gezwungen – und zu Verhandlungen, deren Ende freilich noch offen ist. Behinderungen des iranischen Ölexports brachten das Land um seine wichtigste Einnahmequelle, und ganz ausschlaggebend war der Ausschluss der iranischen Banken vom internationalen Geldgeschäft. In Teheran kam es zwar zu keinem Regimewechsel, aber immerhin zum Austausch des scharfmacherischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gegen einen milder auftretenden Nachfolger.

Dergleichen aber wäre in Moskau undenkbar, meinen die amerikanischen Wissenschaftler Clifford Gaddy und Barry Ickes von der Denkfabrik Brookings Institution in Washington. Sie unterscheiden scharf zwischen unmittelbaren Folgen von Sanktionspolitik – Russland wird ärmer – und erstrebten Ergebnissen: Putin ändert seine Politik oder wird von seinen verärgerten Landsleuten gestürzt. Solche Ergebnisse sind Wunschdenken, sagen die beiden Amerikaner: „Es ist falsch, anzunehmen, dass die Russen auf Sanktionen reagieren würden wie wir.“

Oft geplagt

Das hat nicht nur mit der schwer messbaren Leidensfähigkeit der historisch nur zu oft geplagten russischen Bevölkerung zu tun oder mit nationalistischen Emotionen. Russland lebt und überlebt dank seiner Öl- und Gaseinnahmen, schreiben Gaddy und Ickes, und das seit vielen Jahrzehnten. Diese Einnahmen sanken von einem Zenit von mehr als 400 Milliarden Dollar in sowjetkommunistischen Zeiten auf 100 Milliarden beim Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, halbierten sich noch einmal in den turbulenten Neunzigerjahren und stiegen dann gewaltig an – auf derzeit weit über 600 Milliarden Dollar im Jahr. Die Krise am Ende des 20. Jahrhunderts haben die Russen noch klar in Erinnerung, sie messen daran ihre heutige Situation, so die Wissenschaftler. „Um die Einnahmen wieder auf das Niveau der Neunzigerjahre zu reduzieren, müsste zum Beispiel gleichzeitig der Ölpreis auf unter 40 Dollar pro Barrel fallen und der russische Öl- und Gasexport um 60 Prozent sinken“ – lächerlich anzunehmen, westliche Sanktionen könnten so etwas erreichen.

Entwicklung der Moskauer Börse und Außenwert des Rubel seit Beginn der Krise

Russland ist eben nicht der Iran und schon gar nicht mit Serbien, Myanmar oder Sierra Leone gleichzusetzen, wo schlimme Regime unter internationalem Sanktionsdruck in jüngerer Vergangenheit zusammenbrachen.

In Brüssel laufen die Planungen für weitere Schritte trotzdem weiter. Wenn Moskau auf die jüngste Sanktionsstufe mit Klagen über das Leid der russischen Minderheit im EU-Mitgliedsland Lettland reagiert, klingt das schwer nach einer Neuauflage der Ukraine-Intervention. Wenn am selben Tag in Moskau unter fadenscheiniger Begründung der Ölunternehmer Wladimir Jewtuschenkow festgenommen wird, einer der wenigen Putin fernstehenden Oligarchen, wirkt das wie ein endgültiger Abschied der Moskauer Führung von einer Kooperation mit dem Westen.

Verschärfung der Exportverbote in Sicht?

Darum ist denkbar, dass die EU irgendwann die Exportverbote für Technologie verschärft. Europa könnte auch russisches Erdöl boykottierten, das sich – anders als Gas – leicht von anderen Lieferanten beschaffen lässt. Deutschland speist rund sechs Prozent seines Energiebedarfs aus russischem Öl – mit Blick auf den Weltmarkt ist das keine große Menge.

Sponsor Gazprom

Ein solcher Boykott würde Russland mit seiner Rohstoff-Monokultur tatsächlich schaden. Eher Symbolcharakter hat dagegen die Forderung des britischen Ministerpräsidenten David Cameron, Russland die Fußball-WM 2018 zu entziehen. Darüber hätte die EU sowieso nicht zu entscheiden, aber für Cameron wäre so etwas allemal angenehmer als Maßnahmen, die den Bankenplatz London mit seiner starken russischen Präsenz treffen würden. So wie die Deutschen sicher nicht auf das Erdgas aus Russland in ihren Heizkesseln verzichten wollen, auch wenn manche jetzt den Bundesligaclub Schalke 04 wegen seines Sponsors Gazprom auspfeifen.

„Bisher haben die Sanktionen nicht dazu geführt, dass Moskau eine neue Kosten-Nutzen-Rechnung aufmacht“, beobachtet der Analyst Techau von Carnegie Europe – Putin bleibe eben Putin. Aber einen Effekt dürfe man nicht unterschätzen: Europa demonstriere mit den Sanktionen endlich einmal, dass es handeln will. „Die Sanktionen sind für unser politisches Selbstbewusstsein wichtig“, sagt Techau.

Trotzdem bleiben die Sanktionen kurzfristiges Krisenmanagement – über eine langfristige Strategie verfügt die EU nicht. Ebenso wenig haben die 28 EU-Mitgliedstaaten einen Plan, wie es mit der Ukraine weitergehen soll. „Wenn man die Ukraine als politisches System konsolidieren will, dann muss man 15 Jahre am Ball bleiben“, sagt Techau.

Das ist eine lange Zeit, an deren Ende kaum einer der heutigen politischen Akteure noch mitmischen wird. „Die Gefahr, dass uns das Geld oder der politische Wille für die Rolle als Garantiemacht der Ukraine ausgehen, ist groß“, argumentiert Techau. Und dann könnte Europa verdammt dumm dastehen.

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