Politikkarrieren Parteien in der Nachwuchsfalle

Einige altbekannte Gesichter haben der Politik schon im Zuge der vergangenen Bundestagswahl den Rücken gekehrt. Bei der SPD ist die Liste der Aussteiger in diesem Jahr besonders lang. Nicht nur in der Fraktion, sondern auch in der Partei. Der Rücktritt der Juso-Chefin Drohsel zeigte einmal mehr: Die Parteien haben ein Nachwuchs-Problem.

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109 Parlamentarier verlassen den Bundestag in Berlin. Quelle: dpa

Biga-Störer: Parteien in die Nachwuchsfalle

Wenn sich die neu gewählten Bundestagsabgeordneten im Oktober erstmals versammeln, werden im Berliner Reichstag einige altbekannte Gesichter fehlen. Insgesamt 109 Parlamentarier hören auf - darunter zahlreiche Experten auf wichtigen Politikfeldern. Bei der SPD ist die Liste der Aussteiger besonders lang. Doch auch die anderen Fraktionen haben teilweise schmerzliche Verluste zu verkraften.

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Peter Struck, SPD

Von wem die SPD-Bundestagsfraktion künftig angeführt wird, entscheidet sich anch der Bundestagswahl. Der 66-jährige Peter Struck wird es jedenfalls nicht mehr sein. Er gibt nach fast 30 Jahren seinen Sitz im Bundestag ab. Der frühere Verteidigungsminister, bekannt als passionierter Pfeifenraucher und Motorradfahrer, wurde in diesen Jahren von Freund und Feind je nach Stimmungslage mal als charmantes Raubein und als gewiefter Strippenzieher beschrieben.

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Ludwig Stiegler, SPD

Sein Markenzeichen ist ein roter Pulli. Und auch durch seine metaphernreiche Sprache ist der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler vielen bekannt. Vor allem der Mittelstand und das Handwerk werden Stiegler schmerzlich vermissen. Für ihre Belange hat er sich stets wortgewaltig eingesetzt.

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Volker Kröning, SPD

Volker Kröning hat sich vor allem durch seine Arbeit in der Föderalismuskommission einen Namen gemacht. Der Haushaltspolitiker hat an beiden Föderalismusreformen mitgewirkt. Er hat somit auch dafür gesorgt, dass eine strengere Schuldenregel im Grundgesetz verankert wurde.

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Jörg-Otto Spiller, SPD

Mit Jörg-Otto Spiller verliert die SPD einen ausgewiesenen Finanzexperten. Als finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion hat er die Steuererhöhungen nach der vergangenen Wahl durchgesetzt und die Unternehmensteuerreform begleitet. Seine Nachfolge hat er schon im vergangenen Jahr geregelt. Seine Funktion hat seitdem Hans-Ulrich Krüger inne.

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Ditmar Staffelt, SPD

Wirtschaftsfachmann Ditmar Staffelt hat den Bundestag schon verlassen. Der einstige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium legte Anfang des Jahres sein Mandat nieder. Staffelt arbeitet für den Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Seine Funktion: Beauftragter des Vorstands für deutsche Politik- und Regierungsangelegenheiten.

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Rainer Wend, SPD

Mit Rainer Wend muss die SPD auf einen Politiker verzichten, der in gewisser Weise der Mister Wirtschaft der Partei war. Sein Verlust wiegt deshalb so schwer, weil es der neuen wirtschaftspolitischen Sprecherin der Fraktion, Ute Berg, bislang nicht gelungen ist, ein erkennbares Profil zu entwickeln. Der Öffentlichkeit ist sie weitgehend unbekannt. Auch von Wend hört man nichts mehr. Das mag auch an seinem neuen Job bei der Deutschen Post liegen.

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Walter Kolbow, SPD

Auf dem Feld der Außenpolitik trifft es die SPD besonders hart. Ausgerechnet der Partei, die derzeit den Außenminister stellt, droht die internationale Kompetenz abhanden zu kommen. Eine ganze Generation von Altvordern räumt die Plätze. Neben Ex-Verteidigungsminister Struck wird der für Außenpolitik zuständige Fraktionsvize Walter Kolbow genauso in Rente gehen wie…

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Gert Weisskirchen, SPD

… der außenpolitische Sprecher Gert Weisskirchen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag wir er sich wohl ganz seiner Funktion als Honorarprofessor für angewandte Kulturwissenschaften widmen, die er seit 1995 an der Fachhochschule Potsdam inne hat. Auf außenpolitischen Nachwuchs kann die SPD nicht zurückgreifen, obwohl es…

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Niels Annen, SPD

Möglichkeiten gegeben hätte. Der Hamburger Abgeordnete Niels Annen gilt als ausgewiesener Außenexperte. Er hat sich in den vergangenen Jahren in die Themen Afghanistan und Nahost eingearbeitet, doch sein Hamburger SPD-Kreis Eimsbüttel stellte einen anderen auf.

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Jörg Tauss, SPD

Ebenfalls ausscheiden wird der Abgeordnete Jörg Tauss, gegen den wegen Kinderporno-Verdachts ermittelt wird. Der Medienexperte hat seiner Partei inzwischen den Rücken gekehrt und ist zur Piratenpartei gewechselt.

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Friedrich Merz, CDU

Bei CDU und CSU lichten sich die Reihen ebenfalls, und neue Gesichter kommen hinzu. Prominentester Abgang ist der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz, der als strammer Ordnungspolitiker in der CDU noch immer seine Fans hat. Sein Ausscheiden aus dem Parlament hat der schlanke Zweimetermann bereits im Februar 2007 bekanntgegeben. Er konzentriert sich nun auf seine Arbeit für die Kanzlei Mayer Brown LLP. Zudem ist er neuer Vorsitzender der Atlantik-Brücke, eines überparteilichen Vereins, der die deutsch-amerikanische Freundschaft pflegt.

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Otto Bernhardt, CDU

Neben Merz verliert die Unionsfraktion weiteren Wirtschaftssachverstand, weil der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Finanzen, Otto Bernhardt (CDU), mit 67 Jahren aus dem Bundestag ausscheidet. Der Unternehmensberater aus Schleswig Holstein hatte unter anderem die schwierigen Reformen bei der Unternehmensteuer und der Erbschaftsteuer federführend ausgehandelt.

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Matthias Wissmann, CDU

Zur Mitte der Legislaturperiode hatte sich schon Matthias Wissmann verabschiedet. Er ist Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie.

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Reinhard Göhner, CDU

Reinhard Göhner hat sich auch schon aus dem Bundestag zurückgezogen, um sich ganz dem Lobbyisten-Dasein widmen zu können. Er ist bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände gelandet und fungiert dort als Hauptgeschäftsführer.

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Peter Rauen, CDU

Die Wirtschaftskompetenz der Unions-Fraktion wird auch durch den Abgang von Peter Rauen geschwächt, dem früheren Bundesvorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU.

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Klaus Lippold, CDU

Auffällig ist der Aderlass unter den Verkehrspolitikern, die sich in der ausklingenden Legislaturperiode vor allem mit eine Bahnprivatisierung herumschlagen mussten, die dann auf Eis gelegt wurde. So verlässt Klaus Lippold (CDU), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, den Bundestag ebenso wie …

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Georg Brunnhuber, CDU

… seine Fraktionsfreunde Georg Brunnhuber und Renate Blank (CSU). Auf Brunnhuber, der seit 1990 dem Bundestag angehört, passt der Begriff vom "Strippenzieher". Als Vorsitzender der mitgliederstarken baden-württembergischen Landesgruppe mischte der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Aalen-Heidenheim bei allen wichtigen Entscheidungen der Unionsfraktion kräftig mit.

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Gerald Weiß, CDU

Die Sozialpolitik verliert bekannte Stimmen: Im neuen Bundestag werden die stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ilse Falk und der Sozialausschuss-Vorsitzende Gerald Weiß nicht mehr vertreten sein. Von den Grünen kandidieren Thea Dückert und Irmingard Schewe-Gerigk nicht wieder. Außerdem scheiden die Gesundheitspolitiker Eike Hovermann (SPD) und Wolf Bauer (CDU) aus.

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Parlamentarische Staatssekretäre wie Karl Diller (Finanzen, SPD)

Aus der Garde der parlamentarischen Staatssekretäre sind ebenfalls Abgänge zu verzeichnen: Karl Diller (Finanzen, SPD), Hartmut Schauerte (Wirtschaft, CDU), Marion Caspers-Merck (Gesundheit, SPD), Achim Großmann (Verkehr, SPD), Alfred Hartenbach (Justiz, SPD) und Ulrich Kasparick (Verkehr, SPD) kommen nicht wieder. Ausscheiden aus dem Bundestag wird auch Gerd Andres (SPD), der bis 2007 im Bundesarbeitsministerium wirkte.

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Anna Lührmann, Grüne

Ebenfalls "Good-Bye Berlin" sagt die Grüne Anna Lührmann. Sie wurde 2002 in den Bundestag gewählt und war damals die bis dato jüngste jemals in das Parlament gewählte Abgeordnete. Die Hessin ist inzwischen mit dem deutschen Botschafter Rainer Eberle verheiratet, hat eine einjährige Tochter und wird ab September die nächsten zwei Jahre mit ihrer Familie im Sudan verbringen.

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Winfried Nachtwei, Grüne

Auch der sicherheits- und abrüstungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Winfried Nachtwei, kandidiert nach 15 Jahren nicht erneut für den Bundestag. Nachtwei hat sich seit Jahrzehnten für Friedenspolitik und Abrüstung engagiert. Nachtweis Abgang trifft die Grünen hart. Der 60-jährige Gymnasiallehrer für Geschichte und Sozialkunde aus Münster gilt weit über seine Partei hinaus als sehr genau argumentierender Sicherheitspolitiker. Kein anderer Abgeordneter legt seine Erlebnisse in Krisengebieten so offen wie der frühere Aktivist der Friedensbewegung.

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Lothar Bisky, Linkspartei

Bei den Linken verlässt Parteichef Lothar Bisky den Bundestag und wechselt ins Europaparlament. Der 67-Jährige war zu DDR-Zeiten Professor für Film- und Fernsehwissenschaften war und gibt heute die Tageszeitung "Neues Deutschland" mit heraus.

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Bodo Ramelow, Linkspartei

Auch der Vize-Fraktionsvorsitzende Bodo Ramelow sagt dem Bundestag adé: Der 53-Jährige wechselt ganz nach Thüringen, wo er Spitzenkandidat für die Landtagswahl ist.

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