USA Der wirtschaftspolitische Einflüsterer von Obama

Larry Summers ist der wirtschaftspolitische Chefberater von US-Präsident Barack Obama – und könnte im nächsten Jahr auf den Posten des US-Notenbankchefs vorrücken.

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Larry Summers ist ein Quelle: AP

Kaum etwas ist so spannend, wie über wichtige Personalentscheidungen zu spekulieren: Als Barack Obama vor wenigen Wochen Timothy Geithner als neuen US-Finanzminister nominierte, überschlugen sich in Washington die Gerüchte. Für diesen Posten war eigentlich Lawrence Henry Summers, 54, favorisiert, der bereits gegen Ende der Clinton-Ära anderthalb Jahre Finanzminister war.

Summers aber, so munkelte man, sei vor den inquisitorischen Anhörungen zurückgeschreckt, die der Berufung auf wichtige Regierungsposten vorausgehen. Und dann wäre wohl wieder diese Geschichte ausgegraben worden: Summers hatte als Präsident der Universität Harvard 2005 mit der These provoziert, es könne angeborene Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei naturwissenschaftlichen und mathematischen Fähigkeiten geben. Obwohl er nach einem öffentlichen Aufschrei betonte, dass es sich dabei nicht um seine eigene Meinung handele, sondern um Thesen, die der weiteren wissenschaftlichen Untersuchung bedurften, musste er den Chefposten an der Elite-Uni räumen.

US-Präsident Obama will den Ökonomen nun gleichwohl an seiner Seite wissen – und hat ihn zum Chef des National Economic Council und damit zu seinem wirtschaftspolitischen Chefberater ernannt. Und Insider glauben, der ehrgeizige Ökonom werde sich kaum mit der Beraterrolle in Washington zufriedengeben, so einflussreich sie auch sein mag. In einem Jahr läuft die Amtszeit von Ben Bernanke als Chef der Notenbank aus – die Chance für Obama, dort einen eigenen Mann zu installieren. Summers könne seine Ambitionen auf den Chefsessel bei der Federal Reserve nur „schwer verbergen“, schreibt Edward Luce, ein Ex- Redenschreiber für Summers, in der „Financial Times“. Wenn er als Berater im Weißen Haus einen guten Job mache, könne er den Job bekommen, sagen Leute aus dem Obama-Lager.

Summers redet gewichtiges Wort bei der Re-Regulierung des US-Finanzsystems mit

Und so legt Summers denn auch ein gehöriges Tempo vor und stiehlt Geithner, der wegen unbezahlter Steuern und Sozialversicherungsbeträgen ins Kreuzfeuer geraten ist, in Washington zunehmend die Show. Das „ökonomische Wunderkind“, so das Hauptstadtblatt „Politico“, zieht derzeit im Hintergrund eifrig Strippen und rührt die Werbetrommel für das 825 Milliarden Dollar schwere Obama-Konjunkturpaket.

Summers wurde in New Haven im US-Bundesstaat Connecticut geboren. Der Hang zur Ökonomie wurde ihm in die Wiege gelegt: Er ist der Neffe von gleich zwei Ökonomie-Nobelpreisträgern – Paul Samuelson und Kenneth Arrow –, und sowohl Vater als auch Mutter waren Ökonomieprofessoren. Larry wuchs in einer Vorstadt von Philadelphia auf. Bereits mit 16 Jahren begann er ein Studium am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Nach seinem Abschluss arbeitete er zunächst als Assistent am MIT. Mit 28 Jahren wurde er einer der jüngsten Professoren in Harvard und lehrte dort Makroökonomie und Finanzwissenschaften. Summers verließ die Elite-Uni in Boston 1991 wieder – für den Job als Chefökonom bei der Weltbank. 1993 erhielt er die John-Bates-Clark- Medaille, ein Preis für Top-Ökonomen unter 40 Jahren.

Die Zeit bei der Weltbank war der Start einer politischen Karriere. 1993 wechselte Summers ins Finanzministerium, 1995 machte ihn der damalige US-Finanzminister Robert Rubin zu seinem Stellvertreter. 1999 folgte er Rubin auf dessen Position. Nach dem Ende der Clinton-Ära ging Summers zurück nach Harvard, auf den prestigeträchtigen Posten des Uni-Präsidenten – den er später aus besagten Gründen abgeben musste.

Der mit der Harvard-Professorin Elisa New verheiratete Summers gilt bei seinen Gegnern als brüsk und überheblich. Seine Fürsprecher halten ihn dagegen für genial, erfrischend und offen, für einen Querkopf, der keinem intellektuellen Diskurs aus dem Weg geht. Dabei ist er kein Ideologe. Er sei fähig, seine Ansichten zu überdenken, wenn sich die Faktenlage ändere, sagt Geithner über seinen Förderer. Als junger Ökonom plädierte Summers für sinkende Staatsausgaben und spielte mit Rubin und seinem zeitweiligen Tennispartner, dem Notenbank-Chef Alan Greenspan, eine wichtige Rolle bei der Deregulierung der Finanzmärkte, die die Exzesse der vergangenen Monate erst möglich machte.

Nun wird er ein wichtiges Wort bei der Re-Regulierung des Finanzsystems mitreden. „Die Herausforderung ist, ein marktwirtschaftliches System zu schützen, das auf Freihandel und Globalisierung beruht, und es so zu gestalten, dass es Vorteile für jedermann oder fast jedermann bringt“, sagt Summers. Dies geschehe „zu einer Zeit, in der die Marktkräfte oft Ergebnisse produzieren, die zunehmend problematisch für Mittelklasse-Familien sind“. Nach einem bedingungslosen Verteidigen des freien Marktes klingt das wirklich nicht.

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