140 Millionen Euro für eine Geisterstadt Bundeswehr baut sich eigene Stadt für Orts- und Häuserkampf

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Die interkulturelle Kompetenz fördern

Bei der Kirche am Rand der Altstadt übt sich die Bundeswehr in deutscher „Political Correctness“: Es sei „ein Sakralbau“, erläutert der Begleiter. Bewusst seien Elemente von Moscheen, Tempeln und christlichen Kirchen gemischt worden, um keine Glaubensrichtung zu verärgern. Ein solches Gebäude sei aber wichtig, um „einen Beitrag zur Steigerung der interkulturellen Kompetenz der übenden Truppe zu leisten, weil Gebäude dieser Art besonderen völkerrechtlichen Schutz vor kriegerischen Handlungen genießen“, betont die Bundeswehr.

Schnöggersburg ist der Name eines verschwundenen kleinen Luftkurorts in der Nähe. Er musste ab 1933 geräumt werden, als dort eine Heeresversuchsanstalt entstand. Nach der Wehrmacht kamen die Russen und legten den größten Truppenübungsplatz in der DDR an – die Altlasten bereiten noch immer Probleme. In Neu-Schnöggersdorf wird, wie auf dem gesamten übrigen Truppenübungsplatz Altmark, nicht mehr scharf geschossen. Dafür sorgt die Simulationstechnik des Düsseldorfer Rüstungsunternehmens Rheinmetall: Sensoren zeigen Laserstrahl-Treffer an, alle Übungsteilnehmer und Fahrzeuge sind vernetzt, so dass anschließend Analysen des Geschehens möglich sind. Die Trainingsstadt muss komplett verkabelt werden, weil die Positionsermittlung der Soldaten in engen Gassen, in Abwasserkanälen oder innerhalb von Gebäuden nicht über ein Satelliten-gesteuertes System möglich ist.

Bundeswehr-Kasernen mit Namen von Wehrmachtsangehörigen

Die Proteste gegen Schnöggersburg halten sich in Grenzen. Zwar scheiterte der Naturschutzbund „Nabu“ jüngst mit einer Klage dagegen, Aktivisten drangen auf das Gelände ein und entrollten ein Anti-Kriegs-Plakat, und die Linkspartei sprach gar von einem Übungsgelände für den verbotenen Bundeswehreinsatz im Innern. Aber Schnöggersburg liegt eher einsam, und das Projekt bringt neue Arbeitsplätze und Investitionen in die weitläufige Region.

Die Baustellen der Verteidigungsministerin
Die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen steht wegen der Affäre um den rechtsextremen Offizier Franco A. unter Druck. Während sie von Seiten der Opposition und der SPD harte Kritik einstecken muss, sichert ihr die Kanzlerin "volle Unterstützung" zu. Und von der Leyen kündigt umfangreiche Aufklärung an. Doch der Fall "Franco A." ist nicht die einzige Baustelle der Verteidigungsministerin. Quelle: dpa
Bundeswehr-Personal Quelle: dpa
Skandale Quelle: dpa
Ausrüstung Quelle: dpa
Mängel Quelle: REUTERS
Das größte Sorgenkind ist das Transportflugzeug „A400M“ - rund neun Jahre ist dessen Auslieferung verzögert. Bislang besitzt die Bundeswehr acht von insgesamt 53 beim Hersteller Airbus bestellte Maschinen. Doch ist selbst deren Einsatz nicht uneingeschränkt möglich. Quelle: dpa
Einsätze Quelle: dpa

Denn so viel Hightech und Beton hat ihren Preis: Die Kosten für Schnöggersburg sind seit dem ersten Spatenstich im November 2012 von ursprünglich 100 Millionen Euro auf 140 Millionen Euro gestiegen. Und, wie bei Großvorhaben üblich, hakt es beim Zeitplan: Nur der Flughafen wurde vorzeitig fertig. Der Übungsbetrieb in Schnöggersburg sollte 2016 starten, jetzt wird es Anfang 2018, allerdings noch ohne die Simulationstechnik. Die komplette Fertigstellung der Gesamtstadt ist nun für 2020 vorgesehen.

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