20 Jahre Mauerfall Mitten am Rand der innerdeutschen Grenze

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Wanfrieds Bürgermeister Gebhard: Das Förderungsgefälle beseitigen, die Abwanderung der Jugend verhindern Quelle: Nils Hendrik Müller für WirtschaftsWoche

Auch die jungen Männer, die sich am Wochenende in der „Gemeindeschänke“ des Wanfrieder Stadtteils Heldra zum Bier treffen, hängen an ihrem Heimatort – „mitten in Deutschland, am Arsch der Welt“, wie einer von ihnen sagt. Die etwas Älteren erinnern sich an die Zeit vor der Wende, als man in der hessischen Enklave ungestraft den Schlüssel im Auto stecken lassen konnte, weil Diebstahl unbekannt war am Ende der Welt, als man Tennis spielte auf der B 250 und die Angelschnur über die Werra warf: „Bitte verlassen Sie sofort das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik“, antwortete der Lautsprecher.

"Wir sind vergessen worden"

Erinnerungen, die heute immer weniger Menschen an die heimische Scholle binden. Beim Treffen seines Abiturjahrgangs jedenfalls gehört der Wanfrieder Bürgermeister Wilhelm Gebhard zur Minderheit, die in der Region geblieben ist. Der 33-Jährige verweist nicht nur auf das ominöse Förderungsgefälle, sondern auch auf die strukturellen Probleme, die Hessen und Thüringen verbinden: die schlechte Verkehrsanbindung und den demografischen Wandel. Richtung Osten ist die nächste Autobahnauffahrt 35 Kilometer entfernt, Richtung Westen gar 50 Kilometer.

Das letzte deutsch-deutsche Verkehrsprojekt, die A 44 zwischen Kassel und Eisenach, will nicht vorankommen. Den Naturschützern ist das Überleben des Wiesenknopf-Ameisenbläulings wichtiger als die wirtschaftliche Zukunft der Region. Eisenach und Mühlhausen, Kassel und Bad Hersfeld, wo sich die großen Transportwege kreuzen, haben den Werra-Meißner-Kreis abgehängt. „Wir sind einfach vergessen worden“, heißt ein Satz, den man häufiger hört in Wanfried und Umgebung.

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