Für Staatssekretär Werner Gatzer, der sich sonst um die Milliarden des Bundesfinanzministers kümmern muss, war es ein eher vergnüglicher Trip ins bayrische Ingolstadt. Der Rheinländer durfte eine goldgelbe Sonderbriefmarke vorstellen, deren Motiv sich bei näherem Hinsehen als schäumendes Bierglas entpuppt. Er freue sich, sagte der Staatsekretär, 500 Jahre Reinheitsgebot würdigen zu dürfen, diese uralte lebensmittelrechtliche Vorschrift. Eines verschwieg der Emissär von Finanzminister Wolfgang Schäuble dabei: dass es schon damals, 1516, auch darum ging, mit einer eng begrenzten Rohstoffauswahl die Besteuerung des Bieres besser zu kontrollieren.
Vielleicht dachte er auch an die 700 Millionen Euro Biersteuer, die jedes Jahr in die Staatskassen fließen, an die rund 140 Millionen Euro Mehrwertsteuer, die der Fiskus allein auf die Biersteuer noch draufschlägt, oder an die Milliarden Euro Mehrwertsteuer, die darüber hinaus anfallen. Auch Haushälter können sinnlich werden, wenn es ums heilige Gebräu der Deutschen geht.
Doch über Geld spricht man beim Reinheitsgebot nur ungern, erst recht nicht die Bundeskanzlerin, die der Stadt Ingolstadt zum Höhepunkt der 500-Jahr-Feierlichkeiten am 22. April ihre Aufwartung versprochen hatte. Hier, in der Stadt von Audi und Horst Seehofer, verfügten einst die bayrischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X., „dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen“.
Damals konnten die beiden Landesfürsten kaum ahnen, welchen Hype sie mit ihrem Erlass dereinst anrichten würden. Heute berufen sich alle Bayern und Deutschen auf „die weltweite älteste, unverändert gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift“, so der Deutsche Brauerbund, der schon Monate im Voraus für das Jubiläum trommelte. Die Botschaft fällt auf fruchtbaren Boden. In Zeiten von Globalisierung, kontinentalen Dauerkrisen und Angst schürenden Flüchtlingsströmen klammern sich die Menschen umso mehr an Althergebrachtes. Und nach dem schmerzlichen Verlust der D-Mark scheint die alte Bierherstellungsformel zur identitätsstiftenden Klammer der Deutschen geworden zu sein.
Wenn es um ihr Bier geht, rücken die Bundesbürger zusammen, kennen sie keine Parteien mehr. Im politischen Berlin regiert quasi eine Allparteienbierkoalition, natürlich nach guter deutscher Sitte als eingetragener Verein organisiert. Das Deutsche Institut für Reines Bier hat heute 150 Mitglieder, die Hälfte sind Politiker aus Bundestag, Landtagen und Kommunalparlamenten.
Zutaten für Bier nach deutschem Reinheitsgebot
Malz wird je nach Biersorte aus Gerste oder Weizen gewonnen. Nach dem Reinheitsgebot soll bevorzugt Gerste zur Malzherstellung verwendet werden. Das Getreide wird mit Wasser vermengt, damit es keimt. Danach wird das Grünmalz ähnlich dem Rösten von Kaffee in der Darre getrocknet. Es gibt über 40 Sorten, etwa helles und dunkles Malz, Rauch- oder Karamellmalz.
Hopfen sorgt für den mehr oder weniger bitteren Geschmack des Bieres. Zudem beeinflusst er die Schaumkrone und erhöht die Haltbarkeit. Es gibt Bitter- und Aromahopfen. Der Braumeister kann aus über 200 Sorten auswählen. Meist nimmt er mehrere Sorten für einen Sud. Das größte Hopfenanbaugebiet der Welt liegt in der Hallertau, zwischen München und Nürnberg.
Hefe verwandelt bei der Gärung den Malzzucker in Alkohol, Kohlensäure und Wärme. Die Hefe prägt auch das Aroma des Biers maßgeblich mit. Es gibt 200 Hefestämme. Brauer unterscheiden zwischen obergärigen Hefen für Weizen- und untergärigen für Gerstenmalz. Untergärige sinken an den Boden der Flüssigkeit, Obergärige steigen auf.
Wasser ist der Hauptbestandteil jedes Biers. Seine Mineralstoffe beeinflussen den Geschmack. So wird das malzig-süße Münchner Dunkelbier mit hartem Wasser gebraut. Das feinherbe Pils hingegen braucht weiches, kalkarmes Wasser. Die Anforderungen an Brauwasser sind laut Trinkwasserverordnung höher als die an Trinkwasser.
Präsident der Lobbyisten ist der Parlamentarische CSU-Geschäftsführer Max Straubinger, Erster Stellvertreter der Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. Auch SPD, Grüne und selbst die in Berliner Parlamentsferien befindliche FDP gehören zum Reinheitsverband. „Bier schafft menschliche Bindungen im harten Alltagsgeschäft“, schwärmt der CSU-Straubinger, „beim Bier kann man sich nach heißen Debatten wieder wunderbar abkühlen.“ Vor dem geistigen Auge prostet im Regierungsviertel der rechte Max dem linken Dietmar herzhaft zu.
An der Theke sind alle gleich
Bartsch von der SED-PDS-Nachfolgepartei hat damit kein Problem. „Biertrinken ist keine ideologische Frage“, sagt der gebürtige Stralsunder. Aber eine lokalpatriotische. „Bier ist eher norddeutsch“, meint Bartsch, weil, so seine Begründung, dort kein Wein angebaut werde, man also in Ermangelung von Reben- halt mit Gerstensaft vorlieb nimmt. Doch ganz ohne Ideologie kann ein Linken-Anführer nicht am Reinheitsgebot vorbeischlendern: „Die wichtigste Festlegung damals ist der Höchstpreis gewesen.“
Am Anfang habe eine Maß nur einen Pfennig kosten dürfen. „Das war zutiefst sozial.“ Tatsächlich hat das Reinheitsgebot damals und im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlichen Zwecken gedient. Sicherlich spielten Gesundheits- und Verbraucherschutz eine wichtige Rolle zu einer Zeit, in der Bierpanscher ziemlich alles in den Sudkessel kippten, was auf den Feldern wuchs.
Bilsenkraut und Schlafmohn zählten dazu. Um Hungersnöte abzuwenden, verboten die Landesherren die Verwendung von Weizen und verordneten stattdessen allein die fürs Brotbacken ungeeignete Gerste. Aber schon damals hielt das Reinheitsgebot auch fremde Brauer fern, die nicht nach den vorgeschriebenen Regeln produzierten, und schützte damit die heimische Wirtschaft. Kritiker sprechen von Protektionismus. So sah es auch der Europäische Gerichtshof, der 1987 das Reinheitsgebot als nichttarifäres Handelshemmnis verurteilte, das mit dem gemeinsamen Binnenmarkt unvereinbar sei. Die deutschen Brauer und die damalige Bundesregierung unter Helmut Kohl erlitten eine krachende Niederlage und mussten den deutschen Markt für Mais- und Reisbier öffnen.
Eine Niederlage? Nicht wirklich. Denn dem EuGH-Urteil war eine jahrelange Kampagne vorausgegangen, die in der Schlagzeile „Chemiebier macht impotent!“ („Bild“-Zeitung) gipfelte. Die Botschaft wirkte. Fast 30 Jahre später liegt der Marktanteil von Bier, das nicht das entsprechende Qualitätssiegel tragen darf, bei schwachen zwei bis drei Prozent, freut sich Holger Eichele, Geschäftsführer des Brauerbundes. Das geschützte Bierbiotop sorgte aber auch dafür, dass sich kein deutscher Global Player entwickeln konnte. 1388 Brauereien zählt der Branchenverband stolz und spricht von regionaler Vielfalt.
Das ist richtig, und die Liebhaber des gelbgoldenen Getränks freut es. Pfiffige Tourismusbehörden und Reiseveranstalter bieten längst Touren durch Mikrobrauereien an. Der größte deutsche Bierkonzern, die Radeberger Gruppe, zu der unter anderem Radeberger, Jever, Schöfferhofer, DAB, Berliner Kindl und Sternburg gehören, kommt hierzulande auf einen Marktanteil von zwölf Prozent. Das ist mickrig etwa im Vergleich zu den USA, wo Anheuser-Busch InBev einen Anteil von 46 Prozent hat und gerade versucht, die dortige Nummer zwei (MillerCoors, Marktanteil 27 Prozent) zu schlucken. Ein anderer Brauereigigant, Heineken, verkauft auf seinem niederländischen Heimatmarkt 40 Prozent allen Bieres, in Österreich sogar 56 Prozent. Radebergers Anteil an der Weltbierproduktion beträgt 0,6 Prozent, der von AB InBev 21 und von Heineken mehr als 9 Prozent.
Das deutsche Reinheitsgebot
Die bayrischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. erließen am 23. April 1416 in Ingolstadt die neue Landesverordnung. Darin hieß es: „Wir wöllen auch sonderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unn auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer stückh / dann allain Gersten / Hopfen / unn wasser / genommen unn gepraucht sölle werdn.“
Die Landesverordnung schrieb damit fest, dass für Bier nur Gersten, Hopfen und Wasser verwendet werden darf. Das erste Reinheitsgebot diente vor allem dem Verbraucherschutzes. Denn die Landesverordnung erschwerte es den Brauern, die auch ohne Rücksicht auf die gesundheitliche Wirkung Ochsengalle, Fliegenpilze oder psychodelische Kräuter in den Kassel warfen. Wertvolles Getreide wie Weizen oder Roggen hingegen blieb durch die Verordnung allein den Bäckern vorbehalten.
Bis die bayrische Regelung auch von anderen Ländern übernommen wird, dauert es über 350 Jahre: Erst mit der Reichsgründung 1871 führen auch andere Gebiete in Deutschland das Gebot ein. Wahrscheinlich auch unter dem Druck der Bayern, die ihren Zutritt zum Reich an diese Voraussetzung geknüpft haben sollen. Ab 1906 gilt das Gebot reichsweit.
Auch im Biersteuergesetz von 1923 ist das Reinheitsgebot enthalten. Doch eingehalten wird es in Krisen- und Kriegszeiten nur bedingt: So wurde zwischenzeitlich der Vertrieb von verfälschten Bieren nicht geahndet, und nach dem Krieg waren Ersatzzutaten wie Zucker, Hirse oder Kartoffeln sogar ausdrücklich erlaubt – außer in Bayern. Das Land versuchte daher mit einer Reihe von Gerichtsprozessen, das Reinheitsgebotes wieder bundesweit durchzusetzen.
Bis 1987 schützte das Reinheitsgebot nicht nur die Verbraucher, sondern vor allem auch die deutschen Brauer: Alle in Deutschland verkauften Biere mussten dem Reinheitsgebot entsprechen. Ausländische Brauer, deren Produkte das nicht taten, durften diese in Deutschland auch nicht als Bier vertreiben. Entsprechend gab es in Deutschland nur wenige ausländische Marken. Der Europäische Gerichtshof kippte das Gesetz 1987: Das Importverbot beschränke den Handel zwischen den Partnerländern.
Heute findet sich das Reinheitsgebot im Gesetz in der Bierverordnung und dem Vorläufigen Biersteuergesetz wieder. Dort heißt es: „Farbebier muss aus Gerstenmalz, Hopfen, untergäriger Hefe und Wasser hergestellt werden, es muss vergoren sein.“ Für obergärige Biere sind die Bestimmungen weniger streng. Daran halten müssen sich aber mittlerweile nur noch deutsche Brauereien, die auch für den deutschen Markt produzieren.
Bis zum Jahr 2016 soll das Reinheitsgebot Weltkulturerbe gehen - zumindest, wenn es nach dem deutschen Brauerei-Bund geht. Doch zwischen dem Plan und der Umsetzung liegen einige Hürden: Der Brauerei-Bund hat den Antrag bereits beim Land Bayern eingereicht. Doch die Bayern müssen den Vorschlag noch in die Vorauswahl für ein mögliche immatrielles Kulturerbe aufnehmen. Diese Liste wird dann an die Kultusministerkonferenz weitergeleitet, die aus den Vorschlägen der Länder noch mal eine Liste erarbeitet. Erst diese Vorschläge werden dann an die UNESCO weitergeleitet, die den Antrag von einem unabhängigen Experten-Komitee prüfen lässt. Der Evaluierungsprozess dauert in der Regel zwei Jahre.
Deutsches Bier spielt im Ausland bestenfalls eine romantische Rolle, im Dreierpack mit Eisbein und Lederhose. Gern rühmen sich die Deutschen, dafür aber das beste Bier der Welt zu brauen. Das mag stimmen, was das (Nicht-)Verwenden von Konservierungsmitteln, Schaumstoffstabilisatoren, künstlichen Farbstoffen und Aromen, von Enzymen und sonstigen chemischen Hilfsmitteln betrifft. Bei Verkostungen hingegen, wo es ums Geschmackserlebnis geht, kommt dies indes nicht unbedingt zur Geltung. Die World Beer Awards gehen öfters an Spezialitäten aus Belgien oder auch den USA.
Keine Biersteuer auf alkoholfreies Bier
In Berlin sind belgische Biere seit einigen Jahren „der Renner“, räumt Rochus Hubertus Amerongen von der Privatbrauerei Lemke ein. Im kleinen Nachbarland experimentieren die Brauer seit Jahrhunderten und brachten dabei Spezialitäten wie Lambic (Spontangärung), Geuze (Flaschengärung), Kriek (Kirschbier) oder mehrfach vergorene Starkbiere hervor. In Deutschland war vieles verboten – eben wegen des Reinheitsgebots, das Kritiker ein „Einheitsgebot“ schimpfen. Ganz so bierernst geht es heute nicht mehr zu. Inzwischen gibt es die Möglichkeit, abweichend vom Reinheitsgebot „besondere Biere“ herzustellen.
Diese Nährstoffe stecken in hellem Bier (Pils)
Die Angaben der Nährwerte sind gerundete Durchschnittswerte und basieren auf dem Bundeslebensmittelschlüssel. Sie beziehen sich auf 100 Gramm des Produkts. Die Angaben des Tagesbedarfs beruhen auf den Durchschnittswerten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für einen gesunden Erwachsenen. Der tatsächliche Bedarf kann individuell abweichen (beeinflusst etwa durch Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand).
Quelle: Deutsches Ernährungsberatungs- und -informationsnetz (DEBInet)
Kilokalorien (-joule): 42 (177)
Eiweiß: 0,5 Gramm
Fett: 0 Gramm
Kohlenhydrate: 3,1 Gramm
Alkohol: 4,0 Gramm
Übersicht der enthaltenen Vitamine auf 100 Gramm / in Klammern der empfohlene Tagesbedarf der DGE für Erwachsene
Folsäure: 6 Mikrogramm / (400 Mikrogramm)
Vitamin B2: 0,03 Milligramm / (1,2 - 21,4 Milligramm)
Vitamin B6: 0,06 Milligramm / (1,2 - 1,5 Milligramm)
Pantothensäure: 0,15 Milligramm / (6 Milligramm)
Biotin: 1 Mikrogramm / (30 - 60 Mikrogramm)
Niacinäquivalent: 953 Mikrogramm / (16 Milligramm)
jeweils auf 100 Gramm / in Klammern der empfohlene Tagesbedarf der DGE für Erwachsene
Natrium: 4 Milligramm / (6 Gramm)
Kalium: 55 Milligramm / (2 Gramm)
Magnesium: 10 Milligramm / (300 - 350 Milligramm)
Calcium: 4 Milligramm / (1 Gramm)
Eisen: 0,01 Milligramm / (12 - 15 Milligramm)
Phosphor: 32 Milligramm / (700 Milligramm)
Kupfer: 10 Mikrogramm / (1 - 1,5 Milligramm)
Zink: 0,03 Milligramm / (7 - 10 Milligramm)
Chlorid: 17 Milligramm / -
Fluorid: 1 Mikrogramm / -
Jod: 1,5 Mikrogramm / (200 Mikrogramm)
Mangan: 16 Mikrogramm / -
Schwefel: 16 Milligramm / -
Und inzwischen ist eine rege Craftbeer-Szene entstanden, die mit so mancher Zutat früher gegen die Brauvorschriften verstoßen hätte.
Den Anfang machten vor gut 30 Jahren Mikrobrauer in den USA, wo allerdings die geschmackliche Not angesichts von eisgekühltem Light Beer auch besonders groß war. Die Gegenbewegung zu Bud und Miller Lite setzt auf Aromahopfen und Whiskyfässer. Sie zelebriert sich selbst und hievt das einstige Prollgetränk auf das Niveau von Weinkultur, mit Sommeliers, Verkostungen und fantasievoller Lyrik.
Die Berliner Brauerei Lemke zum Beispiel preist vis-à-vis vom Schloss Charlottenburg ihr India Pale Ale mit 6,5 Prozent Alkohol, 16,5 Prozent Stammwürze, 60 Bittereinheiten und 25 EBC/Bernstein-Kupfer-Farbe an: „Erfrischender Duft nach Mango, Grapefruit mit Pinien-artigen Momenten ...“. Wer eine Verkostungslage bestellt, darf sich durch sechs Biere vom Bohemian Pilsner (5,0 Prozent Alkohol) bis zum Imperial Stout (11 Prozent) durchtrinken.
Geschmackliche Erlebnisse sind garantiert. Bier habe doppelt so viele Aromen wie Wein, sagt Biersommelier Amerongen. Es gebe ja auch mehr Zutaten, und der Geschmack lasse sich je nach Darr- und Sudzeiten beträchtlich beeinflussen. Mit der blumigen Vielfalt erschließt sich die Brauwirtschaft neue, exklusivere Konsumenten, die bereit sind, auch schon mal zehn oder zwanzig Euro für eine Pulle hinzulegen. Craftbeer füllt jedoch nicht viel mehr als eine genüssliche Nische aus.
„Sehr modern, sehr interessant“, sagt Dietmar Bartsch von der Linken und fügt hinzu, nach einer solchen Probe „erst mal ein richtiges Bier“ trinken gegangen zu sein. Viel mehr zur Renaissance verhilft dem Bier ein Getränk, das nach althergebrachten Maßstäben eigentlich keines ist, das alkoholfreie Bier. Rund sieben Prozent Marktanteil hat es sich bereits in Deutschland erobert. Kaum eine größere Brauerei kommt noch ohne Null-Prozent-Bier aus, geschmacklich gibt es kaum noch Unterschiede, und Auto fahren kann man danach noch.
Zwei Herstellungsverfahren haben sich durchgesetzt: das Abbrechen des Gärprozesses bei einem Alkoholgehalt von 0,5 Prozent oder das nachträgliche Entfernen von Ethanol. Allein Finanzminister Schäuble und seine Länderkollegen mögen darüber ein wenig traurig sein, denn: kein Alkohol, keine Biersteuer. Die Lockerung des Reinheitsgebots sorgt am Ende für eine Belebung des Biermarktes, vergleichbar mit der Deregulierung bei der Telekommunikation. Früher gehörten Wählscheibentelefon und billiges Fernsehbier zur Grundausstattung im Haushalt. Heute findet man Smartphone, Tablet, Einfach- und Edelbölkstoff in bunter Vielfalt auf dem Küchentisch. Und der Pro-Kopf-Verbrauch scheint sich inzwischen auch zu stabilisieren – nachdem es zuvor von 145 Litern um 1980 mit zunehmendem Wohlstand und schrumpfender Arbeiterschaft ständig nur abwärts ging.