500 Jahre Reinheitsgebot Die Freude des Steuerstaats am Bier

Deutschland feiert 500 Jahre Reinheitsgebot. Dabei geht es um die Tradition einer Branche - aber auch um Geld.

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Zehn Fakten über Bier
Das billigste BierAm wenigsten kostet Bier in der Ukraine und Vietnam. Hier muss man jeweils 0,43 Euro für eine 0,5-Liter-Flasche hinlegen. Generell ist das Bier in Südostasien und Osteuropa am günstigsten, besagen die Daten des Lebenserhaltungskosten-Portals "Numbeo". Auf Ukraine und Vietnam folgen Kambodscha (0,50 Euro), Saudi Arabien (0,51 Euro), Tschechien (0,52 Euro) und China (0,54 Euro). Quelle: dpa
Das teuerste BierIm nahen und Mittleren Osten müssen Biertrinker am tiefsten ins Portemonnaie greifen. Mit 5,67 Euro ist eine 0,5-Liter-Flasche Bier im Iran weltweit am teuersten. In Kuweit sind es 5,21 Euro und in der Vereinigten Arabischen Emiraten 4,56 Euro. Quelle: dpa
Die größten BierbrauerIn China wird weltweit meisten Bier wird gebraut. 490,2 Millionen Hektoliter flossen 2012 hier aus den Brauereien hinaus, schätzt der Hopfenhersteller Barth-Haas. Es folgen die USA (229,3 Millionen Hektoliter), Brasilien (132,8 Millionen Hektolitern), Russland (97,4 Millionen Hektoliter) und Deutschland (94,6 Millionen Hektoliter). Quelle: AP
Europas größte BiertrinkerWir sind Europameister – im Biertrinken. Mit 86 Millionen Hektolitern Bier trank keine andere europäische Nation 2012 so viel Bier wie die Deutschen. Auch in den Vorjahren lag Deutschland an der Spitze, berichtet die Vereinigung „Brewers of Europe“.  Hinter Deutschland kommen das Vereinigte Königreich (43 Millionen Hektoliter), Polen (38 Millionen Hektoliter), Spanien (35 Millionen Hektoliter) und Frankreich (20 Millionen Hektoliter). Quelle: dpa
Europas spendabelste BiertrinkerDie Briten geben am meisten für Bier in Europa aus. 2012 waren es den „Brewers of Europe“ zufolge 20 Milliarden Euro. Dahinter kommen die Deutschen mit 19 Milliarden Euro, die Spanier mit 14,6 Milliarden Euro, und die Italiener mit 9,7 Milliarden Euro. Quelle: REUTERS
Die weltweit größten BierbrauerDie weltweit größte Brauerei ist das belgisch-amerikanische Unternehmen Anheuser Busch InBev. 352,9 Millionen Hektoliter Bier pumpte das Konglomerat 2012 in die Welt. Laut Zahlen des Hopfenherstellers Barth-Haas folgt dahinter die englische Brauer SAB Miller (190 Millionen Hektoliter), sowie die niederländische Konkurrenz von Heineken (171,7 Hektoliter). Quelle: dpa
Die wertvollsten BiermarkenDie Light-Version des US-Biers Budweiser besitzt den weltweit höchsten Markenwert. Bud Light ist mit 12,6 Milliarden US-Dollar die wertvollste Biermarke. Das original Budweiser kommt laut der Werbeagentur Millward Brown erst auf den zweiten Platz. Budweiser wies 2012 einen Markenwert von 11,8 Milliarden US-Dollar auf. In der Rangliste folgen Heineken (8,7 Milliarden US-Dollar), Stella Artois (8,2 Milliarden US-Dollar) und Corona (8 Milliarden US-Dollar). Eine deutsche Biermarke ist unter den Top 10 nicht zu finden. Quelle: AP

Für Staatssekretär Werner Gatzer, der sich sonst um die Milliarden des Bundesfinanzministers kümmern muss, war es ein eher vergnüglicher Trip ins bayrische Ingolstadt. Der Rheinländer durfte eine goldgelbe Sonderbriefmarke vorstellen, deren Motiv sich bei näherem Hinsehen als schäumendes Bierglas entpuppt. Er freue sich, sagte der Staatsekretär, 500 Jahre Reinheitsgebot würdigen zu dürfen, diese uralte lebensmittelrechtliche Vorschrift. Eines verschwieg der Emissär von Finanzminister Wolfgang Schäuble dabei: dass es schon damals, 1516, auch darum ging, mit einer eng begrenzten Rohstoffauswahl die Besteuerung des Bieres besser zu kontrollieren.

Vielleicht dachte er auch an die 700 Millionen Euro Biersteuer, die jedes Jahr in die Staatskassen fließen, an die rund 140 Millionen Euro Mehrwertsteuer, die der Fiskus allein auf die Biersteuer noch draufschlägt, oder an die Milliarden Euro Mehrwertsteuer, die darüber hinaus anfallen. Auch Haushälter können sinnlich werden, wenn es ums heilige Gebräu der Deutschen geht.

Doch über Geld spricht man beim Reinheitsgebot nur ungern, erst recht nicht die Bundeskanzlerin, die der Stadt Ingolstadt zum Höhepunkt der 500-Jahr-Feierlichkeiten am 22. April ihre Aufwartung versprochen hatte. Hier, in der Stadt von Audi und Horst Seehofer, verfügten einst die bayrischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X., „dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen“.

Damals konnten die beiden Landesfürsten kaum ahnen, welchen Hype sie mit ihrem Erlass dereinst anrichten würden. Heute berufen sich alle Bayern und Deutschen auf „die weltweite älteste, unverändert gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift“, so der Deutsche Brauerbund, der schon Monate im Voraus für das Jubiläum trommelte. Die Botschaft fällt auf fruchtbaren Boden. In Zeiten von Globalisierung, kontinentalen Dauerkrisen und Angst schürenden Flüchtlingsströmen klammern sich die Menschen umso mehr an Althergebrachtes. Und nach dem schmerzlichen Verlust der D-Mark scheint die alte Bierherstellungsformel zur identitätsstiftenden Klammer der Deutschen geworden zu sein.

Wenn es um ihr Bier geht, rücken die Bundesbürger zusammen, kennen sie keine Parteien mehr. Im politischen Berlin regiert quasi eine Allparteienbierkoalition, natürlich nach guter deutscher Sitte als eingetragener Verein organisiert. Das Deutsche Institut für Reines Bier hat heute 150 Mitglieder, die Hälfte sind Politiker aus Bundestag, Landtagen und Kommunalparlamenten.

Zutaten für Bier nach deutschem Reinheitsgebot

Präsident der Lobbyisten ist der Parlamentarische CSU-Geschäftsführer Max Straubinger, Erster Stellvertreter der Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. Auch SPD, Grüne und selbst die in Berliner Parlamentsferien befindliche FDP gehören zum Reinheitsverband. „Bier schafft menschliche Bindungen im harten Alltagsgeschäft“, schwärmt der CSU-Straubinger, „beim Bier kann man sich nach heißen Debatten wieder wunderbar abkühlen.“ Vor dem geistigen Auge prostet im Regierungsviertel der rechte Max dem linken Dietmar herzhaft zu.

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