In Berlin sind belgische Biere seit einigen Jahren „der Renner“, räumt Rochus Hubertus Amerongen von der Privatbrauerei Lemke ein. Im kleinen Nachbarland experimentieren die Brauer seit Jahrhunderten und brachten dabei Spezialitäten wie Lambic (Spontangärung), Geuze (Flaschengärung), Kriek (Kirschbier) oder mehrfach vergorene Starkbiere hervor. In Deutschland war vieles verboten – eben wegen des Reinheitsgebots, das Kritiker ein „Einheitsgebot“ schimpfen. Ganz so bierernst geht es heute nicht mehr zu. Inzwischen gibt es die Möglichkeit, abweichend vom Reinheitsgebot „besondere Biere“ herzustellen.
Diese Nährstoffe stecken in hellem Bier (Pils)
Die Angaben der Nährwerte sind gerundete Durchschnittswerte und basieren auf dem Bundeslebensmittelschlüssel. Sie beziehen sich auf 100 Gramm des Produkts. Die Angaben des Tagesbedarfs beruhen auf den Durchschnittswerten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für einen gesunden Erwachsenen. Der tatsächliche Bedarf kann individuell abweichen (beeinflusst etwa durch Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand).
Quelle: Deutsches Ernährungsberatungs- und -informationsnetz (DEBInet)
Kilokalorien (-joule): 42 (177)
Eiweiß: 0,5 Gramm
Fett: 0 Gramm
Kohlenhydrate: 3,1 Gramm
Alkohol: 4,0 Gramm
Übersicht der enthaltenen Vitamine auf 100 Gramm / in Klammern der empfohlene Tagesbedarf der DGE für Erwachsene
Folsäure: 6 Mikrogramm / (400 Mikrogramm)
Vitamin B2: 0,03 Milligramm / (1,2 - 21,4 Milligramm)
Vitamin B6: 0,06 Milligramm / (1,2 - 1,5 Milligramm)
Pantothensäure: 0,15 Milligramm / (6 Milligramm)
Biotin: 1 Mikrogramm / (30 - 60 Mikrogramm)
Niacinäquivalent: 953 Mikrogramm / (16 Milligramm)
jeweils auf 100 Gramm / in Klammern der empfohlene Tagesbedarf der DGE für Erwachsene
Natrium: 4 Milligramm / (6 Gramm)
Kalium: 55 Milligramm / (2 Gramm)
Magnesium: 10 Milligramm / (300 - 350 Milligramm)
Calcium: 4 Milligramm / (1 Gramm)
Eisen: 0,01 Milligramm / (12 - 15 Milligramm)
Phosphor: 32 Milligramm / (700 Milligramm)
Kupfer: 10 Mikrogramm / (1 - 1,5 Milligramm)
Zink: 0,03 Milligramm / (7 - 10 Milligramm)
Chlorid: 17 Milligramm / -
Fluorid: 1 Mikrogramm / -
Jod: 1,5 Mikrogramm / (200 Mikrogramm)
Mangan: 16 Mikrogramm / -
Schwefel: 16 Milligramm / -
Und inzwischen ist eine rege Craftbeer-Szene entstanden, die mit so mancher Zutat früher gegen die Brauvorschriften verstoßen hätte.
Den Anfang machten vor gut 30 Jahren Mikrobrauer in den USA, wo allerdings die geschmackliche Not angesichts von eisgekühltem Light Beer auch besonders groß war. Die Gegenbewegung zu Bud und Miller Lite setzt auf Aromahopfen und Whiskyfässer. Sie zelebriert sich selbst und hievt das einstige Prollgetränk auf das Niveau von Weinkultur, mit Sommeliers, Verkostungen und fantasievoller Lyrik.
Die Berliner Brauerei Lemke zum Beispiel preist vis-à-vis vom Schloss Charlottenburg ihr India Pale Ale mit 6,5 Prozent Alkohol, 16,5 Prozent Stammwürze, 60 Bittereinheiten und 25 EBC/Bernstein-Kupfer-Farbe an: „Erfrischender Duft nach Mango, Grapefruit mit Pinien-artigen Momenten ...“. Wer eine Verkostungslage bestellt, darf sich durch sechs Biere vom Bohemian Pilsner (5,0 Prozent Alkohol) bis zum Imperial Stout (11 Prozent) durchtrinken.
Geschmackliche Erlebnisse sind garantiert. Bier habe doppelt so viele Aromen wie Wein, sagt Biersommelier Amerongen. Es gebe ja auch mehr Zutaten, und der Geschmack lasse sich je nach Darr- und Sudzeiten beträchtlich beeinflussen. Mit der blumigen Vielfalt erschließt sich die Brauwirtschaft neue, exklusivere Konsumenten, die bereit sind, auch schon mal zehn oder zwanzig Euro für eine Pulle hinzulegen. Craftbeer füllt jedoch nicht viel mehr als eine genüssliche Nische aus.
„Sehr modern, sehr interessant“, sagt Dietmar Bartsch von der Linken und fügt hinzu, nach einer solchen Probe „erst mal ein richtiges Bier“ trinken gegangen zu sein. Viel mehr zur Renaissance verhilft dem Bier ein Getränk, das nach althergebrachten Maßstäben eigentlich keines ist, das alkoholfreie Bier. Rund sieben Prozent Marktanteil hat es sich bereits in Deutschland erobert. Kaum eine größere Brauerei kommt noch ohne Null-Prozent-Bier aus, geschmacklich gibt es kaum noch Unterschiede, und Auto fahren kann man danach noch.
Zwei Herstellungsverfahren haben sich durchgesetzt: das Abbrechen des Gärprozesses bei einem Alkoholgehalt von 0,5 Prozent oder das nachträgliche Entfernen von Ethanol. Allein Finanzminister Schäuble und seine Länderkollegen mögen darüber ein wenig traurig sein, denn: kein Alkohol, keine Biersteuer. Die Lockerung des Reinheitsgebots sorgt am Ende für eine Belebung des Biermarktes, vergleichbar mit der Deregulierung bei der Telekommunikation. Früher gehörten Wählscheibentelefon und billiges Fernsehbier zur Grundausstattung im Haushalt. Heute findet man Smartphone, Tablet, Einfach- und Edelbölkstoff in bunter Vielfalt auf dem Küchentisch. Und der Pro-Kopf-Verbrauch scheint sich inzwischen auch zu stabilisieren – nachdem es zuvor von 145 Litern um 1980 mit zunehmendem Wohlstand und schrumpfender Arbeiterschaft ständig nur abwärts ging.