70 Jahre Gerhard Schröder Kanzler – Sozialreformer - Russenversteher

Gerhard Schröder feiert heute seinen 70. Geburtstag. Seine Kanzlerschaft war ereignisreich. Und so kann er sich gleich über drei Geburtstagsfeiern freuen.

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Seinen 70. feiert Gerhard Schröder auf gleich drei Feiern Quelle: dpa

Still und leise war seine Sache nie, sein Raubtierlächeln hat er nicht verlernt. Und so gibt es gleich drei Geburtstagspartys für Gerhard Schröder: Am Sonntag ehrte ihn seine SPD mit einer Veranstaltung im Hamburger Bahnhof zu Berlin. Am Montag gibt es einen Empfang in Hannover und ein Abendessen mit einem kleineren Kreis ausgewählter Freunde und Weggefährten beim Lieblings-Italiener. Und Ende des Monats bittet dann ein naher ferner Freund zu einer Sause: Der russische Präsident Vladmir Putin richtet ein Fest in Sankt Petersburg aus.

Der runde Geburtstag des Altkanzlers ändert nichts: Bis zur großen Verehrung, die sein Vorgänger genießt, wird es noch eine Weile dauern, zumindest in den eigenen Reihen. Während Helmut Schmidt zur Ikone der deutschen Sozialdemokratie aufstieg, gilt Gerhard Schröder seinen Genossen auch heute noch eher als Parteizerstörer denn als Vorzeige-Sozialdemokrat. Der Mann aus Hannover, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, ist in der SPD nach wie vor höchst umstritten.

Doppeltes Trauma

Dabei ist Schröders wirtschaftspolitische Bilanz deutlich besser als die des „Weltökonomen“ aus Hamburg. Denn Schmidt legte mit seinen Entscheidungen – die in der Formulierung: „besser fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit“ gipfelten – den Grundstein für die Stagflation, die Deutschland von Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre beutelte. Schröders erste Legislaturperiode war zwar von etlichen Widersprüchen und Kurskorrekturen geprägt, und Deutschland schlitterte in die Krise. Aber unter dem Eindruck der Probleme rang sich Schröder dann in der „Agenda 2010“ zu tiefgreifenden Reformen am Arbeitsmarkt durch, die die Grundlage für die im europäischen Vergleich gute heutige Lage schufen.

Für die SPD freilich war das Ausgangspunkt eines doppelten Traumas. Nicht nur, dass der damalige Kanzler (und Not-Parteivorsitzende) die Genossen aus allen Träumen riss, mit möglichst teurer Umverteilung und großen Steuererhöhungen lasse sich der böse Geist der Globalisierung schon vertreiben. Zum anderen organisierte Schröder mit der Agenda 2010 den Absturz der eigenen Partei in der Wählergunst; sie rauschte ins 30-Prozent-Ghetto. Und als Protest gegen Schröders Reformkurs entstand die „Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit“ (WASG), die sich unter Führung von Schröders altem innerparteilichen Rivalen Oskar Lafontaine mit der im Wesentlichen ostdeutschen PDS zur Linkspartei zusammenschloss. Viele SPD-Wähler, insbesondere Facharbeiter in unsicherer Beschäftigung, verstanden Hartz IV als Bedrohung, „als Abstiegsprogramm“, wie einer der heutigen SPD-Landesvorsitzenden sagt.

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