Führende Vertreter in der Union greifen die Steuerpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer an. Der Unions-Wirtschaftsflügel warf Merkel und Seehofer vor, mit der weiteren Akzeptanz der sogenannten kalten Progression gegen das Wahlkampfversprechen zu verstoßen, keine Steuern zu erhöhen. Das machten der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU (MIT), Carsten Linnemann, sowie der Chef CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, am Donnerstag unabhängig voneinander deutlich. Beide forderten noch in dieser Wahlperiode eine Steuerbremse mit einer jährlichen automatischen Angleichung der Tarifkurve an die Inflation.
Auch der Arbeitnehmerflügel der CDU hält einen Abbau der kalten Progression für überfällig. Allerdings sollen für eine Gegenfinanzierung Besserverdienende deutlich stärker belastet werden. „Die Kalte Progression belastet insbesondere untere und mittlere Einkommen, da der Steuertarif in diesem Bereich besonders steil ansteigt. Eine automatische Anpassung des Tarifs an die Inflation ist deshalb auch sozial geboten“, sagte der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, Handelsblatt Online.
Ohne Gegenfinanzierung sei die Reform aber angesichts des Investitionsbedarfs für die Infrastruktur nicht machbar, sagte Bäumler weiter. Der CDU Politiker fordert daher eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Einkommen ab 250.000 Euro von 45 auf 49 Prozent vor. Alternativ kann sich Bäumler auch eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen von sieben auf 19 Prozent vorstellen.
Von kalter Progression spricht man, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen und es trotz somit unveränderter Leistungsfähigkeit zu einem Anstieg der Durchschnittsbelastung kommt.
Steigt beispielsweise das Preisniveau in einem Jahr um 2 Prozent und erzielt ein Steuerpflichtiger im gleichen Jahr einen Einkommenszuwachs von ebenfalls 2 Prozent, hat sich real an seiner wirtschaftlichen Situation nichts geändert. Seine Kaufkraft ist im Vorjahresvergleich konstant. Da er aber ein nominal höheres Einkommen erzielt, steigt seine Durchschnittssteuerbelastung aufgrund des progressiven Tarifs an.