Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen abgelehnter Asylbewerber trotz Höchstwerten weiter steigern. Mit dem Anstieg sei er zwar zufrieden, sagte de Maizière am Mittwoch in Berlin. „Das ist gut, aber es ist noch nicht gut genug.“
Wenn die bisherige Entwicklung weitergehe, seien bis zum Jahresende insgesamt 90.000 bis 100.000 Abschiebungen und freiwillige Rückführungen zu erwarten. Es müssten aber weitere Abschiebehindernisse abgebaut werden, um mehr Menschen aus dem Land zu schicken.
Abschiebungen sind Ländersache. Der Bund macht seit langem Druck auf die Länder, abgelehnte Asylbewerber und andere ausreisepflichtige Ausländer - zum Beispiel jene, die in Deutschland straffällig geworden sind - konsequenter in ihre Heimat zurückzuschicken. Daneben gibt es Förderprogramme, mit denen die Heimreise abgelehnter Asylbewerber finanziell unterstützt wird. Die Zahl dieser geförderten freiwilligen Rückkehrer wird ebenfalls statistisch erfasst.
Angesichts des großen Andrangs von Asylbewerbern sind beide Zahlen zuletzt stark gestiegen. 2015 gab es laut Bundesinnenministerium 20.888 Abschiebungen - etwa doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Allein in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres verließen bereits 8904 Menschen zwangsweise das Land. Daneben gab es im vergangenen Jahr 37.220 geförderte freiwillige Ausreisen, in den ersten vier Monaten 2016 waren es bereits 20 197.
„Es gab noch nie so viele freiwillige Rückführungen und Abschiebungen“, sagte de Maizière. Das bisherige Niveau reiche aber nicht. „Deswegen müssen wir weiter daran arbeiten, dass diejenigen, die unser Land verlassen müssen, es auch tatsächlich tun.“
Status und Schutz von Flüchtlingen in Deutschland
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele von ihnen dürfen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen bleiben. Dabei reicht die Spannbreite vom Asylstatus bis zu einer befristen Duldung mit drohender Abschiebung.
Flüchtlinge, die in ihrem Heimatländern politisch verfolgt werden, haben laut Artikel 16 a des Grundgesetzes Anspruch auf Asyl. Hierfür gibt es allerdings zahlreiche Schranken, die Ablehnungsquote bei Asylanträgen liegt bei 98 Prozent. Schutz und Bleiberecht etwa wegen religiöser Verfolgung oder der sexuellen Orientierung wird auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für die Praxis spielt die genaue rechtliche Grundlage allerdings keine Rolle: Anerkannte Asylberechtigte erhalten gleichermaßen eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren überprüft wird. Auch bei den staatlichen Unterstützungsleistungen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld, gibt es keine Unterschiede.
Sogenannten subsidiären, also nachrangigen, Schutz erhalten Flüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, in ihrer Heimat aber ernsthaft bedroht werden, etwa durch Bürgerkrieg oder Folter. Sie sind als „international Schutzberechtigte“ vor einer Abschiebung erst einmal sicher und erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr. Die Erlaubnis wird verlängert, wenn sich die Situation im Heimatland nicht geändert hat.
Eine Duldung erhält, wer etwa nach einem gescheiterten Asylantrag zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn kein Pass vorliegt oder es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt. Fällt dieses sogenannte Hindernis weg, droht dem Betroffenen akut die Abschiebung. Zu den Hindernissen für eine Abschiebung zählt unter anderem auch der Schutz von Ehe und Familie. Beispielweise kann ein Ausländer, der hier mit einer Deutschen ein Kind hat, nicht ohne weiteres abgeschoben werden.
Zum Stichtag 31. März waren 219.241 Menschen in Deutschland als „ausreisepflichtig“ erfasst. Der Großteil (fast 168.000) waren aber Geduldete - also Menschen, deren Asylantrag zwar keinen Erfolg hatte, die aber nicht abgeschoben werden, etwa weil sie krank sind oder keine Papiere haben. Damit bleiben etwa 51.000 Menschen, die abgeschoben werden müssten.
De Maizière sagte, er habe „keinen Zweifel am politischen Willen der Länder, das auch umzusetzen. Das war früher anders.“ Der Bund habe schon viele Abschiebehindernisse gesetzlich beseitigt. Nun müsse das nach und nach auch im Vollzug umgesetzt werden. Bislang gebe es aber noch einige Probleme in der Praxis. So tauchten Betroffene zum Teil unter oder legten falsche Atteste vor. Auch mit einigen Herkunftsländern gebe es noch Probleme. „Es ist ein hartes und mühsames Geschäft.“
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte, die „extrem unkooperativen“ Herkunftsländer seien das wesentlich Hemmnis. Er machte aber auch dem Bund Vorwürfe. De Maizière habe etwa mit Marokko eine Vereinbarung geschlossen, die völlig praxisuntauglich sei. Um Abschiebungen zu beschleunigen, müsse der Bund für bessere Rahmenbedingungen sorgen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner forderte ein „Abschiebegipfel“ von Bund und Ländern, um die Zahl der Ausweisungen zu steigern. „Es sollte auch darüber nachgedacht werden, den Abschiebevollzug in Bundeshand zu geben“, sagte er der dpa.