Abgeordneter für Burka-Teilverbot Grünen droht heftiger Burka-Streit

Für Grünen-Chefin Peter ist ein Burka-Verbot „nur ein politisches Zückerli für die abtrünnige AfD-Wählerschaft der Union“. Doch in ihrer eigenen Partei gibt es auch Befürworter für ein Teilverbot der Vollverschleierung.

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Verbieten oder Erlauben? Die Vollverschleierung von Frauen. Quelle: dpa

Berlin Bei den Grünen bahnt sich ein handfester Streit über die Integration von Muslimen an. Hintergrund ist die Absicht der Unions-Innenminister, die Vollverschleierung von Frauen in Teilen des öffentlichen Lebens zu verbieten. In der Grünen-Spitze trifft der Vorstoß auf energischen Widerstand. Doch in der Bundestagfraktion der Partei gibt es auch Befürworter eines Burka-Teilverbots.

So zeigte sich der bayerische Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek offen für die Unions-Linie. „Die Burka ist kein religiöses Symbol, sondern ein politisches zur Unterdrückung der Frau. In einem freiheitlichen Land haben solche Symbole der Unterdrückung keinen Platz an Schulen und in öffentlichen Einrichtungen“, sagte Janecek dem Handelsblatt. „Und gerade diejenigen, die jetzt mit dem Mantra der Religionsfreiheit argumentieren, sollten bedenken: Die große Mehrheit der Muslime und Muslima lehnt die Vollverschleierung ab.“

Janecek rief seine Partei auf, sich einer Debatte zu dem Thema nicht zu verschließen. Zugleich deutete er an, im Fall einer Bundestagsabstimmung für ein Burka-Teilverbot zu votieren. „Auch wir Grüne sollten hierüber öffentlich streiten und uns unterschiedliche Positionen leisten“, sagte er. Aufgrund der „lächerlich“ geringen Fallzahlen gebe es zwar eigentlich keinen Regelungsbedarf. „Wenn es im Bundestag allerdings zur Abstimmung kommt, habe ich mich zu verhalten“, so Janecek.

Die Innenminister von CDU und CSU hatten sich in ihrer „Berliner Erklärung“ dafür ausgesprochen, eine Vollverschleierung im öffentlichen Dienst, in Kindergärten, Schulen, Universitäten, vor Gericht, in Meldeämtern und bei Demonstrationen zu verbieten.

Die Grünen-Spitze ist dazu geteilter Meinung. Das Burka-Verbot sei „ein großer Bluff und offenbar nur ein politisches Zückerli für die abtrünnige AfD-Wählerschaft der Union“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter der „Heilbronner Stimme“ und dem „Mannheimer Morgen“. Dagegen hält ihr Co-Vorsitzender Cem Özdemir ein teilweises Verbot der Vollverschleierung durchaus für möglich.


Özdemir: „Für mich bleibt die Vollverschleierung menschenunwürdig“

Eine „überzeugende Argumentation“, um ein allgemeines Verbot, was de facto eine staatliche Kleidervorschrift im öffentlichen Raum wäre, verfassungsgemäß zu begründen, kenne er bislang nicht. „Es ist aber in Teilbereichen wie in Schulen, Gerichten oder öffentlichen Behörden begründbar“, erklärte Özdemir auf seiner Facebook-Seite. „Dort ist es aus meiner Sicht auch sinnvoll, insofern es nicht ohnehin schon gesetzlich geregelt ist, dass die Verhüllung des Gesichts – gleich in welcher Form - grundsätzlich untersagt ist.“

Özdemir betonte, dass die Verfassungsmäßigkeit im Rechtsstaat entscheidend sei und nicht die Frage, ob man sich daran störe. „Es gehört zu unserer freiheitlichen Demokratie dazu, auch Zumutungen auszuhalten, solange dadurch nicht die Grundrechte anderer eingeschränkt werden.“ Nichtsdestotrotz könne man aber auch eine Vollverschleierung im öffentlichen Raum zum Thema machen, kritisieren und dort wo gesetzlich möglich verhindern. „Für mich bleibt die Vollverschleierung und insbesondere die Idee dahinter menschenunwürdig“, so Özdemir.

Der Grünen-Chef sieht sich auch im Privatleben mit dem Thema konfrontiert. „Ich bin nicht in der Lage meinen fragenden Kindern zu erklären, warum diese Frau sich so kleidet. Wegen der Religion? Wegen des Mannes? Nichts überzeugt mich oder meine Kinder“, erklärte er. In der Ablehnung der Burka und vergleichbarer Vollverschleierungen von Frauen seien sich zudem die große Mehrheit der Muslime in Deutschland mit den Christen und Atheisten einig. „Über dieses Unbehagen zu sprechen, hat nicht automatisch mit Islamfeindlichkeit zu tun, sondern mit einer Einstellung gegenüber Frauenrechten“, betonte Özdemir. „Es hat aber gar nichts mit der inneren Sicherheit zu tun, so wie die Innenminister der Union tun.“

„Wir lehnen die Vollverschleierung ab“, hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag in Berlin erklärt. „Gesicht zeigen ist für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft konstitutiv.“ Der Burka-Vorstoß ist Teil einer „Berliner Erklärung“, in der die Innenminister von CDU und CSU zahlreiche Forderungen aufstellen, von denen sie sich mehr Sicherheit und bessere Integration in Deutschland versprechen.

In ihrem Abschlusspapier fordern die Ressortchefs unter anderem 15 000 zusätzliche Polizisten in Bund und Ländern in den nächsten Jahren, mehr Videoüberwachung, bessere Ausstattung und mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung und andere Gesetzesverschärfungen. „Nicht-deutsche Hassprediger“ wollen sie ausweisen, Zwangsehen verhindern, Abschiebungen strenger handhaben und Asylbewerberleistungen kürzen.


Linke kritisiert „billige Wahlkampfrhetorik“

Bei der Aufstellung handelt es sich aber nicht um konkrete Pläne für eine Umsetzung, sondern um eine politische Positionierung der Union. Die Innenminister von CDU und CSU haben allein keine Handhabe, diese Pläne zu verwirklichen.
Vor dem Treffen in Berlin hatte der Ruf einzelner Innenminister nach einem generellen Burka-Verbot und dem Abschied von der doppelten Staatsbürgerschaft für Kontroversen gesorgt. Vor allem Wahlkämpfer wie die Innen-Ressortchefs aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, Lorenz Caffier und Frank Henkel (beide CDU), hatten darauf gepocht. De Maizière dagegen hatte beides in dieser Form abgelehnt.


Nun einigten sich die Minister auf den Ruf nach Verschleierungsverboten in Teilbereichen. Überall dort, wo Gesicht zeigen eine Funktion habe, solle ein entsprechendes Gebot gelten, sagte de Maizière. Dazu gehörten der gesamte öffentliche Dienst, Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Gerichtssäle, Melde- und Standesämter, Passkontrollen, Demonstrationen und alle Situationen, in denen Menschen identifizierbar sein müssten.
Auch im Straßenverkehr wollen die Innenminister das Tragen von Burkas und anderer Vollverschleierung untersagen. Es gehe dabei nicht um ein Kopftuch-Verbot, betonte de Maizière. Verstöße sollten als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, sagte Caffier.


Linke-Chef Bernd Riexinger sprach von sicherheitspolitischem Säbelrasseln und „billiger Wahlkampfrhetorik“, die die Menschen künftig nicht besser von Anschlägen schützen werde. FDP-Vize Wolfgang Kubicki mahnte, die Union dürfe die Themen Sicherheit und Integration nicht vermischen.

Mit dpa

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