Abzug aus Kundus Wo die Bundeswehr das Kämpfen lernte

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Synonym für den Krieg

Die Pannen der Bundeswehr
Ein Tornado-Jet der Bundeswehr stürzt in der Eifel ab, die Piloten retten sich mit dem Schleudersitz. Ein Expertenteam sei mittlerweile vor Ort, sagte ein Sprecher der Bundeswehr. Die angrenzende Autobahn 48 wurde wegen Trümmerteilen auf der Straße gesperrt. Wie es zu dem Unglück kam, war laut Polizei und Luftwaffe zunächst unklar. Weitere Menschen, Gebäude oder Autos waren von dem Unglück aber offenbar nicht betroffen. Wie hoch der Schaden ist, ist noch nicht bekannt. Anders sieht es mit den Kosten aus, die für Auslandseinsätze der Truppe anfallen... Quelle: dpa
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben den deutschen Steuerzahler seit 1992 knapp 17 Milliarden Euro gekostet. Das geht nach Angaben des Magazins „Spiegel“ aus einer internen Berechnung des Verteidigungsministeriums hervor, die ein Beamter des Hauses kürzlich Vertretern der Industrie präsentiert habe. Demnach war der Zeitraum 2010 bis 2012 mit 1,4 Milliarden Euro pro Jahr besonders teuer. Nur 2002, als die Bundeswehr ihren Afghanistan- Einsatz aufbaute, sei mit 1,5 Milliarden Euro mehr ausgegeben worden. Die Summen beziffern dem Bericht zufolge die zusätzlichen, spezifischen Einsatzkosten. Der Sold der eingesetzten Soldaten werde getrennt berechnet. Darüberhinaus leistete sich die Bundeswehr eine ganze Reihe kostspieliger Investitionsflops. Quelle: dapd
Drohne Euro-HawkMit Projektkosten von etwa 600 Millionen Euro ist die Drohne nicht gerade günstig. Jetzt steht das Projekt vor dem Aus. Der Grund: Die Euro-Hawk hat keine Zulassung für den Luftverkehr - Die Kosten für die Nachrüstung würden sich auf 500 bis 800 Millionen Euro belaufen. Quelle: Steuerzahlerbund Quelle: dpa
IT-Projekt HerkulesDer Name verspricht mehr, als er hält: Es war das ehrgeizigste IT-Projekt in der Geschichte der Bundeswehr - und es wurde zu einem Fiasko. In dem Gemeinschaftsprojekt von Siemens und IBM wollte der Bund die völlig veraltete Informations- und Kommunikationstechnik der Streitkräfte modernisieren. Die Kosten sprengten allerdings den geplanten Rahmen: Die Ursprungskalkulation mit 6,8 Milliarden Euro war bereits 2013 überholt. Quelle: dpa
Transportflugzeug A400M Der Airbus A400M soll die alte Transall der Bundeswehr ablösen. Die neue Maschine kann schneller Truppen und große Mengen von Material transportieren - auch gepanzerte Fahrzeuge oder Hubschrauber. Rund 200 Bestellungen aus Deutschland, Frankreich und weiteren Nationen liegen vor ... Quelle: dpa
... und sie warten noch immer: Der Auslieferungstermin wurde bereits mehrfach verschoben, dass Projekt liegt deutlich hinter seinem Zeitplan. Eine Erstauslieferung an Deutschland wird nach Angaben des Steuerzahlerbundes im Herbst 2014 erwartet - wenn sich nichts verschiebt. Quelle: Presse
Dabei ist der Ausliefertermin nicht das einzige Problem, mit dem der Airbus zu kämpfen hat: Ein permanenter Kostenanstieg hat die Ursprungsplanung von 20 Milliarden Euro längst gesprengt. Derzeit wird mit Kosten von rund 27 Milliarden Euro geplant. Im Jahr 2011 haben die interessierten Länder deshalb mehrere Milliarden Euro nachfinanziert, damit das Projekt nicht eingestellt wird. Quelle: dpa

Für viele Deutsche ist Kundus nicht nur ein Synonym für den Afghanistan-Einsatz insgesamt, sondern auch für Krieg. Hier lieferten sich deutsche Soldaten am Karfreitag 2010 die schwersten Gefechte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Nirgendwo in Afghanistan fielen mehr Deutsche als in Kundus und Baghlan.

Bis Monatsende werden alle der derzeit noch 900 deutschen Soldaten Kundus verlassen haben - ein Meilenstein auf dem Weg zum Ende des Nato-Kampfeinsatzes in Afghanistan 2014. Sie werden ins letzte Bundeswehr-Feldlager in Nordafghanistan verlegt, ins Camp Marmal in Masar-i-Scharif. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind in den vergangenen Jahren zwar deutlich professioneller geworden. Die Menschen in Kundus verunsichert der Abzug der Bundeswehr trotzdem zutiefst. Sie erzählen, in den Dörfern prahlten die Taliban damit, dass sie die Deutschen geschlagen hätten.

Sicherheitshalber bleibt im Lager in Kundus ein abgeriegeltes Areal für maximal 300 Soldaten für die Bundeswehr reserviert - falls eine Eingreiftruppe aus Masar-i-Scharif den afghanischen Sicherheitskräften im Notfall beistehen muss. In diesem ummauerten Gelände waren einst die Spezialkräfte der Task Force 47 untergebracht. Dort gab Oberst Georg Klein den Befehl für den Luftschlag am 4. September 2009, der zum Tod auch vieler Zivilisten führte. Auch dieses verheerende Bombardement ist untrennbar mit dem Bundeswehr-Einsatz in Kundus verbunden.

Eine Hälfte des Camps in Kundus bezieht nun die Nationalarmee, die andere - getrennt von einer neuen Mauer - die Bereitschaftspolizei. Die Küchen wurden auf afghanische Bedürfnisse umgerüstet, komplexe deutsche Küchengeräte wurden durch Feuerstellen ersetzt. Am Sonntagmorgen wurde der Backofen für das afghanische Fladenbrot angefeuert. In einem der Esssäle - wo einst eine Rakete der Taliban einschlug -, warten Tische und Stühle auf die neuen Bewohner, rote afghanische Plüschsofas stehen an den Wänden.

Das Camp befindet sich in Auflösung. Die meisten Unterkünfte sind geräumt, die Soldaten sind auf Feldbetten zusammengerückt. Die „Kriseninterventionsdrops“, die vor dem Büro des Truppenpsychologen standen, sind aufgebraucht. Das Feldlazarett allerdings ist bis zum Schluss in Betrieb - für den Fall der Fälle. Bis zum letzten Konvoi nach Masar-i-Scharif werden deutsche Soldaten weiterhin Patrouillen fahren, um das Feldlager gegen Taliban-Angriffe abzusichern.

Den Aufständischen gelingt es nicht, die Zeremonie am Sonntag zu stören. Nach der Camp-Übergabe steht Tanja Menz am Ehrenhain, der nach Potsdam gebracht werden wird und wo de Maizière und Westerwelle sich gerade Fragen der Presse stellen. Der Verteidigungsminister streift ihr danach im Vorbeigehen mitfühlend über den Arm.

Die Mutter, die im Krieg ihren Sohn verlor, hat davor gesagt: „Wir alle hoffen einfach, dass alle, die jetzt da sind, gut wieder nach Hause kommen.“ Was sie über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes denke? „Für mich persönlich, das ist natürlich klar, kann es nicht sinnvoll sein. Aber ich denke natürlich, dass es vielleicht insgesamt etwas gebracht hat“, sagt Tanja Menz. „Aber ich kann das hoffen. Wissen, glaube ich, tun wir das erst in ein paar Jahren.“

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