AfD am Scheideweg Streit in der Professorenpartei

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Die AfD ist ins falsche Licht geraten

Die Volkswirte in der AfD sehen mit Schrecken, wie sich ökonomische Ahnungslosigkeit mit einem in der AfD-Anhängerschaft weit verbreiteten Anti-Amerikanismus zu einer heftigen Abwehrhaltung gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP verbindet.

Vor allem Starbatty geriet unter schweren innerparteilichen Beschuss, weil er für den Vertrag warb. „Das hat mich sehr gewundert“, staunt er noch heute. „Als Ökonom denkt man: Den Freihandel stellt man nicht infrage.“ Zudem seien mit Anti-TTIP-Kampagnen irrationale Ängste in der Öffentlichkeit geschürt worden. „Die Leute haben Angst vor amerikanischen Chlorhühnchen, aber bei uns sind die Hühnchen mit Antibiotika vollgepumpt.“

Leider, klagt Vaubel, sei durch die Kritik die Position der AfD in den Medien in ein falsches Licht geraten. „Wir sind nicht gegen TTIP, wir halten nur diese Schiedsgerichte für problematisch.“ Der wissenschaftliche Beirat der AfD, dem er angehört, werde nun einen Vorschlag für eine rechtsstaatlich unbedenkliche Lösung erarbeiten. Das Ziel: ein internationaler Handelsgerichtshof.

Das Netzwerk der Hass-Unternehmer

Mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus gewinnen auch die rechten Medien an Einfluss. Wer hinter den wichtigsten Organen der Szene steckt, wie sie sich gegenseitig unterstützen und wie sie die Agenda der AfD beeinflussen. Eine Erzählung als Netzwerkgrafik.

Im Europawahlprogramm, freut sich der Hamburger Meyer, habe die Arbeit des Beirats „deutliche Spuren hinterlassen“. Auch der Unternehmensberater Gustav Greve, der im Bundesvorstand die Formulierung des Parteiprogramms koordiniert, verweist darauf, dass in Bund und Ländern noch eine ganze Reihe Professoren aktiv seien. „Wir haben uns nicht komplett gewandelt von einer analytischen Partei zu einer Partei des schrillen Wortes.“ Allerdings: Just als die Euro-Krise mit den Neuwahlen in Griechenland wieder aufkeimte, war die AfD wegen der internen Machtkämpfe bei ihrem Kernthema verstummt.

Der phänomenale Aufstieg der AfD
AfD Bundesparteitag in Erfurt Quelle: dpa
AfD im Europaparlament Quelle: dpa
AfD Zeiungsabonnements Quelle: dpa
Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
AfD Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
DMark
Frauke Petry Quelle: dpa

Zudem hat sich durch den starken Zulauf die Zusammensetzung der Mitglieder verändert. Ehemalige Funktionäre der rechtslastigen Republikaner, der Partei Die Freiheit und anderer Splittergruppen sind eingesickert, obwohl die AfD sie eigentlich nicht aufnehmen wollte. Zudem schockieren Einzelfälle wie ein baden-württembergisches AfD-Mitglied, das den Massenmord an den Juden im Internet seine „Erfüllung“ nannte. Dem Parteiausschluss kam es durch Austritt zuvor.

Zum Krach in der Führung kam es zudem, weil Bundessprecher Gauland der Pegida-Bewegung Avancen machten. Henkel dagegen warnt auch in Parteiversammlungen: „Wir wollen uns nicht mit denen zusammentun, da laufen NPD-Leute mit.“ Und: „Es gibt auch in unserer Partei Unvernünftige, Unanständige. Die versuchen wir loszuwerden.“ Freunde macht er sich damit in der AfD nicht überall.

Nach der Einigung auf einen Solo-Chef ab Dezember sieht Ökonom Vaubel die AfD auf einem „sehr guten Weg“. Bei der dann fälligen Neuwahl könne er sich „nicht vorstellen, dass Frau Petry eine Chance hätte“. Schließlich habe sie mit ihrem Kurs in der Pegida-Debatte „keine Punkte gemacht“.

Der Einfluss der Professoren sei immer noch groß. Vaubel ist froh, dass die Parteiführung beschlossen habe, sich nicht an den Pegida-Aufmärschen zu beteiligen. „Einen Religionskrieg zu führen ist nicht unsere Sache. Ich halte Pegida für einen Versuch der NPD, die AfD zu zerlegen“, mutmaßt der Mannheimer Volkswirt.

Wie sehr die Haltungen in der AfD auseinanderklaffen, zeigt auch die Planung des Parteitags. Eigentlich soll die Satzung beraten werden, Lucke hat aber vier Vorträge von externen Professoren und Experten angesetzt, um weiße Flecken in der Programmatik schneller füllen zu können: Demografiepapst Herwig Birg spricht über die alternde Gesellschaft, zur Gesundheitspolitik Carl-Christian von Weizsäcker, der schon bei der FDP in der Grundsatzkommission saß.

Sozialrichter Jürgen Borchert, der die aufsehenerregenden Familien-Urteile vor dem Bundesverfassungsgericht erstritt, bringt Vorschläge für die Sozialversicherungen, Finanzwissenschaftler Stefan Homburg entwirft eine Steuerreform. Daraufhin stellten etliche Mitglieder Anträge auf „Streichung aller Vorträge zu irrelevanten Themen“.

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