AfD-Bundesparteitag „AfD-Mitglieder sind keine CDU-Klatschhäschen“

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry hat auf dem Bundesparteitag in Stuttgart den Machtanspruch ihrer Partei bekräftigt. In der Debatte um das Grundsatzprogramm will die AfD keine Abgrenzung nach rechts beschließen. 

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Frauke Petry, Parteivorsitzende der AfD, bedankte sich beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) in Stuttgart nach ihrer Rede bei den Parteimitgliedern. Quelle: dpa

Stuttgart Vor knapp einem Jahr in Essen waren die AfD-Mitglieder bei ihrer Ankunft noch enttäuscht gewesen: Damals stand nur ein knappes Dutzend Gegendemonstranten vor der Tür. Als Zeichen drohender Bedeutungslosigkeit interpretierten dies die Parteimitglieder. Ganz anders an diesem Samstag in Stuttgart: Mehrere hundert teils gewalttätige Demonstranten wurden von 1000 Polizisten zurückgedrängt, ehe die 2173 Teilnehmer zur Messe durchkommen konnten.

Der Gegenwind zeige, dass die AfD die Menschen mobilisiere, sagte Brandenburgs Landeschef Alexander Gauland zur Begrüßung und lobte die „hervorragenden Wahlergebnisse, die den Konsensparteien nun ordentlich einheizen“. Immer wieder ließ die Parteiführung die zweistelligen Wahlergebnisse vom 13. März in drei Bundesländern über die Leinwand flimmern. Die Botschaft: Wir feiern uns selbst.

Co-Parteichef Jörg Meuthen stellte klar: Eine weitere Spaltung werde es nicht geben. Wie damals in Essen, als Gründer Bernd Lucke abgewählt wurde und dann mit seinen Wirtschaftsliberalen austrat. „Meinungsverschiedenheiten muss es geben, wir lassen uns hier nicht auseinanderdividieren und werden weiter ein breites Meinungsspektrum abdecken“, beschwor er die Geschlossenheit der AfD. Deshalb gebe es auch kein Zerwürfnis zwischen ihm, der sich als liberal-konservativ sieht, und rechteren Repräsentanten, wie dem thüringischen Landeschef Bernd Höcke, der Afrikanern ein ethnisch begründetes, anderes Fortpflanzungsverhalten vorgeworfen hatte.

Auch Frauke Petry beschwor die offene Diskussionskultur, die in ihrer AfD herrsche: Die wahren Probleme Deutschlands, mit ungeregelter Zuwanderung und mit radikalen Muslimen etwa, würden von den anderen Parteien totgeschwiegen. „Das Gerede vom Rechtsruck der AfD kann man schon nicht mehr hören. So oft, wie wir nach rechts gewandert sein sollen, müssten wir inzwischen schon einmal rechts um Welt gerückt und ganz links angekommen sein“, sagte Petry.

Meuthen und sie erinnerten an den letzten CDU-Parteitag, auf dem Merkels Flüchtlingspolitik nur zwei Gegenstimmen bekam: „AfD-Mitglieder sind keine CDU-Duracell-Klatschhäschen.“ Zu einer lebendigen Partei gehöre Streit, bevor man sich auf das Programm einige.
Auf dem Stuttgarter Parteitag will sich die AfD erstmals ein Grundsatzprogramm geben. Der 78-seitige Leitantrag wendet sich gegen den Islam, gegen Minarette und Muezzine. Die AfD will den Euro allenfalls noch als Nord-Euro erhalten sehen und Kompetenzen der EU an den Nationalstaat zurückverlegen. In der Finanzpolitik ist sie für ausgeglichene Haushalte, will aber Erbschaftsteuer und Gewerbesteuer streichen und den Einkommensteuertarif auf Stufen umstellen – was zu Milliarden an Steuerausfällen führen würde.


Weg von der 68er Ideologie

Wirtschaftspolitisch setzt sie auf kleine Unternehmen und weniger Sozialstaat – der Mindestlohn soll erhalten bleiben. Vor allem die klassische Familie aber will die Partei durch ein teures Familiensplitting stärken. „Weg von einer linksrotgrün-versifften 68er Ideologie, hin zu einem starken Nationalstaat in der Völkergemeinschaft Europas und der Welt“, beschrieb Meuthen unter stehendem Applaus das Ziel.

Und in einem gebe er einem der schärfsten AfD-Kritiker, Justizminister Heiko Maas (SPD) völlig recht: „Das AfD-Programm zeigt den Weg auf in ein anderes Deutschland“, zitierte er ihn. Die Ablehnung des Islam unterstrich der als am liberalsten geltende baden-württembergische Landeschef: Die vielen friedliebenden Muslime dürften selbstverständlich ihren Glauben praktizieren. „Aber den Ruf des Muezzins wollen wir hier nicht“, sagte er. Der Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ soll nach Aussage

von AfD-Bundesvorständen noch in den Leitantrag aufgenommen werden.

Am späten  Nachmittag wurde jedenfalls klar, welche Themen aus dem Programmentwurf den AfD-Mitgliedern am wichtigsten sind. In der Abstimmung darüber, welche Kapitel des Entwurf jeweils eine ganze Stunde lang diskutiert werden sollte, votierten die meisten für: Kultur, Sprache, Identität. Darunter fällt für die AfD auch die Islam-Frage. Auf  Platz 2 landete das Thema Einwanderung, auf Platz 3 das Gründungsthema Euro.

Zuvor hatte der frühere tschechische Präsident Vaclav Klaus die Seele der Partei gestreichelt. „Ich bin ein Fan Ihrer Partei“, begann er seine Gastrede. Anfangs sei er über die Spaltung auf dem Essener Parteitag vor einem Jahr sehr besorgt gewesen. Er habe dann aber schnell verstanden, dass dies unvermeidlich war. „Jede Partei braucht die Übereinstimmung der Mitglieder mit ihrer Parteiführung“, sagte er.

Deshalb sei die Spaltung – AfD-Gründer Bernd Lucke hatte nach seiner Abwahl mit dem Wirtschaftsprofessorenflügel die Partei verlassen – unvermeidlich gewesen. Und er appellierte an die AfD-Mitglieder: „Eine Aufweichung Ihrer Positionen wäre ein Fehler, die Hauptkritiker werden Sie sowieso nicht auf Ihre Seite bringen.“ Die „Brutalität der Angriffe“ zeige, dass die AfD-Gegner Angst hätten, und gratulierte unter großem Applaus zu den „hervorragenden Wahlergebnissen.“

Am Morgen hatte es lange gedauert, bis der Parteitag sich überhaupt zu Inhalten durchgearbeitet hatte. Statt um 10 Uhr begann die Veranstaltung erst um 11 Uhr wegen der Demonstrationen und strengen Sicherheitskontrollen durch die Polizei. Dann wollten dutzende Mitglieder erst einmal über die Formalien der Tagesordnung ausführlich diskutieren. Es dauerte bis 13.15 Uhr , bis die Parteichefs Jörg Meuthen und Frauke Petry ihre Reden halten konnten. Danach kam es zu einer weiteren Inhaltspause: Zunächst befasste sich der Parteitag einmal mehr und sehr ausführlich mit der Schiedsgerichtsordnung.

Bevor die Debatte über das Grundsatzprogramm dann wirklich begann, debattierte der Parteitag über den Ausschluss des Landesverbandes Saar: wegen Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten will der Bundesvorstand dort einen kompletten Neustart. Der Bundesparteitag stimmte dem Ausschluss des Landesverbandes zu. Entscheiden muss jetzt abschließend das Bundesschiedsgericht.

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