Björn Höcke lächelt genüsslich, als er die Bühne betritt. „Höcke, Höcke, Höcke“, rufen ihm die Zuschauer in Erfurt zu. Deutschlandfahnen wehen im Publikum, auf einem Transparent steht „AfD Aschaffenburg grüßt Björn Höcke“. Ein großartiger Anblick sei das von hier oben, beginnt der Thüringer AfD-Chef. Überall „Patrioten“, überall „Mutbürger“. Dann hetzt er gegen die „asoziale“ Politik der SPD, gegen die „Kartellparteien“, gegen „eine global vernetzte Elite“, die sich bloß selbst bereichern wolle. „Ich möchte, dass wir einen knallharten Anti-Establishment-Wahlkampf machen“, ruft Höcke. Das Publikum jubelt und johlt.
Die Gesichter der AfD
Geboren in Dresden, promovierte Chemikerin und Unternehmerin, Bundesvorsitzende der AfD. Mutter von vier Kindern, liiert mit dem AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell: Das ist Frauke Petry. Sie gilt als pragmatisch und ehrgeizig. Auch wenn sie verbal gerne Gas gibt – inhaltlich steht Petry eher in der Mitte der Partei.
Björn Höcke (45) und Alexander Gauland (76) haben im November 2015 gemeinsam „Fünf Grundsätze für Deutschland“ veröffentlicht. Darin wettern sie gegen die „multikulturelle Gesellschaft“ und behaupten, „die politische Korrektheit liegt wie Mehltau auf unserem Land“.
Meuthen ist geboren in Essen, promovierter Volkswirt, seit 1996 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Kehl (Baden-Württemberg), Bundesvorsitzender der AfD, war Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg und ist seit Mai 2016 Landtagsabgeordneter; er ist verheiratet und hat fünf Kinder. Meuthen gehört zu den wenigen prominenten Vertretern des liberalen Flügels, die nach dem Abgang von Bernd Lucke in der AfD geblieben sind.
Sie ist geboren in Lübeck, Jurastudium in Heidelberg und Lausanne (Schweiz), Rechtsanwältin, stellvertretende Bundesvorsitzende und AfD-Landesvorsitzende in Berlin, seit 2014 im EU-Parlament, verheiratet. Gilt als ultrakonservativ.
Marcus Pretzell (43) ist geboren in Rinteln (Niedersachsen), Jurastudium in Heidelberg, Rechtsanwalt und Projektentwickler, seit 2014 Vorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen, Vater von vier Kindern, seit 2016 verheiratet mit Frauke Petry. Der Europaabgeordnete hat die AfD als „Pegida-Partei“ bezeichnet. Parteifreunde rechnen ihn aber nicht zum rechtsnationalen Flügel.
Auftritte wie dieser am 1. Mai in Erfurt sind selten geworden. Seit seiner Skandal-Rede in Dresden im Januar hat sich Höcke weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Seine parteiinternen Gegner raunen bereits, der Einfluss des AfD-Rechtsaußen bröckle. Höcke könne provozieren – und sonst nichts.
Tatsächlich droht Höcke sogar der Rausschmiss. Noch immer läuft ein Ausschlussverfahren gegen ihn. Gleichzeitig aber haben er und sein Netzwerk viele Ziele längst erreicht. Sie haben die AfD in der öffentlichen Wahrnehmung in die nationalkonservative Ecke gedrängt. Sie reden bei Personalentscheidungen mit. Und sie treiben die Radikalisierung der Partei weiter voran.
Deutlich wurde das am Parteitag in Köln. Bereits in der Woche vor dem Parteitag hatten sich AfD-Spitzenleute in Goslar getroffen und die Entmachtung Frauke Petrys geplant. In der Intriganten-Truppe dabei: Björn Höcke, sein Schutzpatron Alexander Gauland und Armin Paul Hampel, ebenfalls ein Höcke-Freund. Zusammen mit den anderen Verschwörern einigten sie sich auf ein Spitzenteam für die Bundestagswahl aus Alexander Gauland und womöglich Alice Weidel. Dafür allerdings müsse Weidel ihre Ablehnung gegen Höcke aufgeben.
Im Kölner Maritim-Hotel trat Höcke selbst nicht auf – er hatte Hausverbot. Dafür agierte er als Schattenmann. Erst stimmten die Delegierten gegen Petrys Richtungsentscheid – und damit für Höcke und Gauland. Am zweiten Tag erkoren sie das in Goslar ausgeklüngelte Duo Gauland/Weidel zum Spitzenkandidatenteam der Partei.
Alice Weidel bedankte sich prompt. Sie wolle als Frau wieder ohne Angst die letzte S-Bahn nehmen können, rief Weidel in den Saal. Erdogan-Ja-Sager solle man zurück in die Türkei schicken. „Wir werden für unser Deutschland kämpfen – so wahr Gott helfe!“ Es war eine nationale Rede, viel Bauchgefühl, viel Angst. Ganz so, wie es Björn Höcke gefällt.