So verbrachten die Mitglieder Stunde um Stunde damit, Anträge zur Geschäftsordnung zu stellen, zuzulassen, abzustimmen und das Prozedere zu beschleunigen. Wenn nach einer Stunde die Debattenzeit für einen Punkt beendet war, hatten die Mitglieder höchstens 15 der 60 Minuten inhaltlich diskutiert. Über wirklich strittige Aspekte abgestimmt wurde dabei fast gar nicht. Beispiel Islam: Anstatt sich damit auseinanderzusetzen, wie das Verbot von Minaretten und ausländischer Finanzierung von Moscheegemeinden wirklich zur grundgesetzlichen Religionsfreiheit passen, sprach man kurz darüber, ob die "Vollverschleierung" zu erläutern sei oder für sich stehe.
Lediglich die Streichung der Passagen zu der Möglichkeit der Entwicklung eines aufgeklärten Islams wurde inhaltlich diskutiert. Die wirklich grundsätzlichen Änderungsanträge wie der, die Kapitelüberschrift "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" durch die Konkretisierung ¨der politische Islam¨ zu ersetzen, scheiterten schon am Sprung auf die Tagesordnung.
Die Zustimmung zum Leitantrag erfolgte dann nahezu einstimmig. In den Raucherbereichen vor der Tür sammelten sich derweil mehr und mehr Unzufriedene. "Und dafür bin ich jetzt durch die ganze Republik gefahren?" beschwerte sich ein Mitglied aus Sachsen, ¨ich dachte wir sprechen hier über Inhalte, nicht nur über die Geschäftsordnung."
Dass all das durchaus im Sinne der Parteiführung war, wenn nicht gar ein Stück weit sogar gelenkt, das zeigte sich vor allem an den Beiträgen der Vorsitzenden Frauke Petry. Die hatte noch kurz vor Sitzungsbeginn eine Handvoll Anträge zu Kulturthemen eingereicht - meist mit völlig trivialem Inhalt. Mal sollte sich die Partei für die Förderung der Orchesterlandschaft aussprechen, mal einfach nur die generelle Bedeutung von Kultur betonen.
Anders als all die Mitgliederanträge, deren Behandlung nach dem Muster Geschäftsordnungsantrag - Gegenrede - Ende der Debatte - Abstimmung abgelehnt wurde, landeten Petrys Anträge selbstverständlich auf der Tagesordnung. So ging die Zeit für eine Islamdebatte noch schneller vorbei und als dann plötzlich der Leitantrag beschlossen war, blieb bei vielen Besuchern das Gefühl, die Diskussion darüber habe nie angefangen. Denn über kurze Statements, Buhen, Jubeln und Zwischenrufe war man nicht hinausgekommen.
Die AfD nimmt für sich in Anspruch, basisdemokratischer zu sein als alle anderen Parteien. Bei denen mag es zwar tatsächlich eine akkurat fixierte Tagesordnung und eine Dominanz der Parteiführung gehen. Trotzdem bleibt nach diesem Wochenende bei vielen AfD-Mitgliedern das schale Gefühl: Offener diskutiert wird vielleicht sogar bei den Altparteien.