AfD-Parteitag Wie die AfD Frauke Petry die Macht wegnimmt

Beim Parteitag in Köln wollte Frauke Petry der AfD einen Richtungsentscheid aufzwingen und so ihre Macht festigen. Doch ihre Gegner schmettern den Realo-Kurs ab – und demütigen sie auf offener Bühne. Die Parteichefin hat nur noch eine Chance.

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AfD-Parteitag: Ist Frauke Petry geschlagen? Quelle: dpa

Frauke Petry starrt regungslos auf ihren Laptop während Jörg Meuthen ihr nur wenige Meter entfernt am Rednerpult einen Schlag nach dem anderen verpasst. Die Debatte, die Petry mit ihrem Zukunftsantrag ausgelöst habe sei überflüssig und trügerisch, ruft Meuthen in den Saal. Applaus brandet auf. Die AfD werde nicht mit den alten Parteien zusammenarbeiten, sondern das Land aus der Opposition verändern.

Wieder klatschen die 600 Delegierten mit voller Wucht. „So machen wir das – und nicht anders“ brüllt Meuthen. Die Delegierten johlen und pfeifen. Es ist der bislang lauteste Beifall im Saal. Als Meuthen zu seinem Sitz neben Petry zurückschlendert, bleibt Petry sitzen, kein Blick, kein Händeschütteln. Meuthen grinst und genießt. Ein paar Momente später steht Petry auf – und verschwindet wortlos hinter dem Vorhang der Bühne.

Seit Wochen schwelt innerhalb der AfD ein Machtkampf. Auf der einen Seite: das Polit-Pärchen Frauke Petry und Marcus Pretzell. Sie werben für Realpolitik, wollen schnell an die Macht und den Rechtsausleger Björn Höcke aus der Partei werfen. Auf der anderen Seite: das Herren-Quartett Björn Höcke, André Poggenburg, Alexander Gauland und Jörg Meuthen. Sie favorisieren die Rolle der Fundamentalopposition.

Die Gesichter der AfD

Frauke Petry hat diesen Machtkampf vorerst krachend verloren. Beim Parteitag in Köln schmetterten die Delegierten ihren „Zukunftsantrag“ schon nach einer Stunde ganz beiläufig ab. Denn sie stimmen nicht einmal gegen den Antrag selbst, sondern verhindern per Abstimmung, dass er überhaupt auf die Tagesordnung kommt.

Für Petry ist das der erste Schlag ins Gesicht. In ihrem Antrag hatte sie die Partei vor die Wahl gestellt: Wollt ihr mit mir Realpolitik machen? Oder wollt ihr eine Fundamentalopposition á la Gauland und Co.? Um diese Frage geht es. Aber auch darum, ob Parteichefin Petry noch Mehrheiten für sich organisieren kann. Ob sie Rückhalt findet in ihrer zerstrittenen Partei.

Als die Delegierten ihre Abstimmungskarten heben und verhindern, dass Petrys Anliegen auf die Tagesordnung kommt, regt sich keine Mine in ihrem Gesicht. Zu diesem Zeitpunkt ist noch offen, wie die Stimmung im Saal wirklich ist. Denn auch die Abstimmung über den Stopp des Parteiausschlussverfahrens gegen Björn Höcke lehnen die Delegierten mit ihren Stimmen ab. Doch dann tritt Meuthen ans Rednerpult. Ihn hatte Petry lange als Vizechef behandelt, obwohl beide gleichberechtigte Parteivorsitzende sind. Nun aber ist Petry angeschlagen – und Meuthen tritt nach.

Keine 20 Minuten nach ihrem Abgang von der Bühne steht Petry plötzlich im Foyer des Maritim-Hotels. Während die Delegierten drinnen im Saal über Anträge abstimmen, macht hier ein möglicher Rücktritt Petrys die Runde. Es sei eine „folgenschwere“ Entscheidung nicht über ihren Zukunftsantrag abzustimmen, beginnt Petry ihr Statement. Der Parteitag habe „einen Fehler gemacht.“ Sie werde sich die Entwicklung der Partei nun genau anschauen. Führende Rollen im Wahlkampf müssten nun aber die Befürworter der Nicht-Entscheidung über ihren Antrag übernehmen. Es sind frustrierte Worte – aber einen Rücktritt verkündet sie nicht.

Ein paar Meter weiter taucht Alexander Gauland auf. Ihm müssen Journalisten erst einmal vorspielen, was Petry überhaupt verkündet hat. Es ist eine absurde Situation. „Den Graben, den Petry in ihrem Antrag beschwört, hat es nie gegeben“, sagt Gauland. Sicherlich sei das heute kein Sieg für Petry, aber jeder mache mal einen Fehler und müsse dann den Ärger ausbaden. Dann sagt Gauland: „Ich habe keinerlei Interesse daran, dass sich Frauke Petry zurückzieht. Sie sollte auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen.“

Wer könnte Petry nachfolgen?

Ob Petry sich das antuen wird, ist unklar. Für sie ist die Niederlage besonders schmerzlich. Schließlich ist es kaum zwei Jahre her, dass sich Petry selbst als Königsmörderin an die Macht der Partei geputscht hatte. Damals wollte Bernd Lucke den Rechtsaußen Björn Höcke aus der Partei werfen.

Aber Petry paktierte mit Höcke und Gauland gegen den Wirtschaftsliberalen. Zusammen mobbten sie den Gründer der AfD aus seiner eigenen Partei. Für Petry war es der Beginn einer furiosen Parteikarriere.
Nun haben sich ihre Komplizen von damals gegen Petry gewandt – und sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Zuerst loteten sie auf einem Geheimtreffen in Goslar aus, wie sie Petry als alleinige Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf verhindern könnten.

Die AfD sollte Björn Höcke rausschmeißen, empfiehlt Alexander Segert. Der Werber, der Rechtspopulisten in der Schweiz und Österreich berät, sieht innerhalb der AfD noch ein größeres Problem.
von Thomas Schmelzer

Petry zog ihre Kandidatur daraufhin per Videobotschaft selbst zurück. Einen Tag vor dem Parteitag legte die Anti-Petry-Fraktion nach. Wer nicht als Spitzenkandidatin antrete, könne später auch keine Fraktion im Bundestag leiten.

Genau das, so mutmaßen einige, könnte Petrys letzte Option sein. Wenn die Delegierten am zweiten Tag in Köln über ihre Spitzenkandidaten abstimmen, müsste Petry nach dieser Theorie auf ein möglichst schwaches und unprominentes Gespann hoffen. Dann – so die letzte Hoffnung im Petry-Lager – könnte sich die Parteichefin bis nach den Wahlen im September rehabilitieren und am Ende doch vielleicht doch die Fraktionsspitze übernehmen.

Wirklich realistisch erscheint dieses Szenario nach der Kölner Demütigung nicht. Alexander Gauland und Ex-Unternehmensberaterin Alice Weidel könnten ein Spitzenteam bilden, heißt es. Auch Beatrix von Storch ist im Gespräch. Der Rechtsaußen Björn Höcke gilt als heimlicher Strippenzieher im Hintergrund. Mit ihm müsste sich auch Weidel arrangieren – obwohl sie eigentlich zu seinen Gegnern zählt.

Die Sprüche der AfD

Für die AfD wäre ein Wahlkampf ohne Petry ein großes Risiko. Sie ist das bekannteste Gesicht ihrer Partei, hat die meisten Fans in den sozialen Medien und steht für einen gemäßigten Kurs. Rückt die AfD noch mehr nach rechts, könne sie ein zweistelliges Ergebnis vergessen, warnen Wahlforscher bereits. Selbst der längst sicher geglaubte Einzug in den Bundestag sei dann in Gefahr.

Eine Stunde nach ihrer Erklärung im Foyer huscht Frauke Petry plötzlich noch einmal auf die Bühne. Schwarze Ringe umrunden die Augen der AfD-Chefin, sie sieht angeschlagen aus. Es ginge das Gerücht um, dass sie den Parteitag verlassen habe, sagt Petry. „Das ist nicht so.“ Es ist ein Auftritt, der wie eine Kampfansage wirken soll. Aber so wie Petry ihre Worte spricht, klingen sie müde und schwach.

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