AfD-Rückenwind durch Front National? Seehofer warnt vor französischen Verhältnissen

Der Rechtsruck in Frankreich hat in Deutschland Besorgnis ausgelöst. Die Wirtschaft spricht von einer alarmierenden Entwicklung. CSU-Chef Seehofer fürchtet gar, dass die AfD in ähnlicher Weise profitieren könnte.

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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): Warnung vor der AfD. Quelle: dpa

Berlin CSU-Chef Horst Seehofer mahnt die Unionsparteien angesichts des Rechtsrucks bei der Regionalwahl in Frankreich zur Lösung politischer Probleme in Deutschland. „Wir haben ja auch in Deutschland eine politische Gruppierung rechts von der Union“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Montag in München mit Blick auf die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD).

„Deshalb müssen wir mit höchster Aufmerksamkeit die beiden Themen, die die Menschen im Moment am meisten bewegen, nämlich die Sicherheit, die Sicherheit vor Terroranschlägen und die Begrenzung der Zuwanderung lösen“, ergänzte der CSU-Chef. „Die Lösung von Problemen, ich kann es nur immer wiederholen, ist der beste Schutz vor Rechtsradikalen.“

In Frankreich ging der fremdenfeindliche Front National (FN) am Sonntag mit einem Rekordergebnis von knapp 28 Prozent als stärkste Kraft aus der ersten Runde der Regionalwahl hervor.

Die rechtspopulistische AfD sieht in der FN keinen Partner für eine Zusammenarbeit in Europa. Die FN lehne unter anderem die Europäische Union ab, was die AfD nicht tue. Auch die britische UKIP sei ebenso wie die FN wegen eines fremdenfeindlichen Kurses kein Partner für die AfD, sagte Parteisprecher Christian Lüth in Berlin. Kritiker werfen der AfD jedoch vor, mit fremdenfeindlichen Ressentiments auf Stimmenfang zu gehen.

Die SPD wertete den Wahlerfolg der Rechtsextremen in Frankreich als „Alarmsignal“. Das Ergebnis der Regionalwahlen führe vor Augen, was passiert, „wenn man über Jahrzehnte eine Gesellschaftspolitik verschläft“, die aktiv auf die Integration von Zuwanderern abziele, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Montag in Berlin. Der FN-Erfolg sei eine „Mahnung“, bei den Integrationsbemühungen in Deutschland nicht nachzulassen.

Die Front National sei „eine Partei, die in Frankreich Feindbilder hoffähig gemacht hat, die ausgrenzen und spalten will“, sagte Fahimi. Sie warnte die politischen Parteien in Deutschland vor jedem Versuch der Annäherung an die FN.


Linke und FDP sprechen von Warnschuss für die Bundesregierung

Linke forderte wegen Frankreich von der Bundesregierung konkrete Schritte gegen wachsenden Rassismus in Deutschland. Dem Erstarken des islam- und fremdenfeindlichen Bündnisses Pegida und der AfD setze die Bundesregierung nichts entgegen, sagte Linken-Chefin Katja Kipping. Deshalb habe die Partei einen Fünf-Punkte-Plan erarbeitet.

Darin fordert die Linke eine Zusage der Kanzlerin, dass es keinen Abbau sozialer Leistungen geben wird. Zu dieser „Sozialgarantie“ gehören zum Beispiel ein Programm für sozialen Wohnungsbau für Menschen mit geringem Einkommen und Flüchtlinge sowie die Erhöhung des Mindestlohns. Die Linke verlangt auch mehr Mittel und Personal für die Flüchtlingshilfe, eine Umverteilung der Kosten auf Reiche und ein aus ihrer Sicht humaneres Asylrecht. Außerdem hält die Partei eine Bildungsoffensive für demokratische Kultur in Deutschland für nötig.

Die FDP sieht den Aufschwung der Rechten im Nachbarland als Warnschuss für die Große Koalition. „Das fortwährende Organisationsversagen in der Flüchtlingspolitik könnte auch in Deutschland die Ränder stark machen“, sagte der Parteivorsitzende Christian Lindner. Um das „Protestpotenzial besorgter und Orientierung suchender Bürger aus der Mitte der Gesellschaft“ nicht nach rechts zu lenken, müsse die Regierung „ein funktionierendes Projektmanagement für die Flüchtlingskrise aufsetzen“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sei beim CDU-Bundesparteitag am 14./15. Dezember in Karlsruhe gefordert, ihr Konzept in der Asylpolitik zu erklären, und zwar ohne „Weichmacherformulierungen“ wie „Wir schaffen das“. Lindner fügte hinzu: „Merkel muss die Grundannahme einer grenzenlosen Willkommenskultur korrigieren“ - und zwar ohne gleich eine bezifferte Obergrenze beim Flüchtlingszuzug zu nennen, wie es die CSU verlange. „Sie kann nicht dauerhaft gegen die Realitäten und gegen die Ängste in der Bevölkerung anregieren“, betonte der Parteichef der seit 2013 nicht mehr im Bundestag vertretenen FDP.


„Mit Front National bricht jede Marktwirtschaft zusammen“

Auch die deutsche Wirtschaft reagierte besorgt auf den Sieg der Front National. „Die Front National ist eine Gefahr für das System der Marktwirtschaft in Europa“, sagte Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbands BGA, dem Handelsblatt (Dienstagausgabe). Der Markt basiere auf Freiheit, Wettbewerb und dem Erfolg des Besseren. „All das will die Front National nicht. Da bricht jede Marktwirtschaft zusammen“, sagte Börner

Laut Börner verspricht die Front National das „Sozialstaatsparadies auf Erden“. Die Partei wolle zudem Frankreich in Europa völlig abschotten, aus dem Euro aussteigen und in der Flüchtlingspolitik neue Zäune und Mauern bauen. „Wenn Frankreich sich wieder als reiner Nationalstaat begreift, der vor allem protektionistisch handelt, wird ganz Europa in Mitleidenschaft gezogen“, sagte Börner.

Ähnlich pessimistisch äußerte sich auch Lutz Goebel, Präsident des Verbandes der Familienunternehmer. Wesentliche Gründe für das Erstarken der Front National liegen für ihn in der aktuellen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. „Frankreichs Regierungen haben seit langem vor allem die Forderungen der Gewerkschaften umgesetzt: 35-Stunden-Woche, hoher Mindestlohn, keinerlei Flexibilität für die Unternehmen, hohe Unternehmenssteuern“, sagte Goebel dem Handelsblatt. Die Konsequenz sei hohe Arbeitslosigkeit, Hoffnungslosigkeit bei allen Migranten je über Arbeit in die Gesellschaft integriert zu werden und rasanter Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.

Laut Goebel ist der sozialistische Präsident viel zu spät und viel zu zögerlich mit Reformen gestartet. „Sollte sich der Erfolg der Front National bei den Präsidentschaftswahlen 2017 wiederholen, droht unserem wichtigsten europäischen Handelspartner eine gefährliche Abschottungspolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs in den Keller manövriert“, sagte Goebel. Auch das Handelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA wäre in Gefahr.

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