AfD statt FDP Warum die AfD in Sachsen so erfolgreich ist

Seite 2/2

Kaleidoskop der Ressentiments

Doch das dürfte sich ändern, zumindest im Erzgebirge. Erreicht die Partei sieben, acht Prozent bei der Wahl, dann wird Hütter in einigen Wochen im Dresdner Landtag sitzen. Schon jetzt hat er sein Büro zum AfD-Treffpunkt umgestaltet, die Tischdekoration wird durch eine Deutschlandfahne abgerundet. Wenn er über Wirtschaftspolitik spricht, ähneln seine Sätze denen von Haustein. Die Euro-Rettung? „Wir finanzieren den Südländern, dass sie über ihren Verhältnissen leben.“ Brüssel? „Ein bürokratischer Apparat ohne ausreichende demokratische Legitimation.“ Wenn Hütter sich erst mal in Rage redet, ist er kaum noch zu stoppen. Dann zeigt sich ein entscheidender Unterschied zwischen der FDP, wie sie in Sachsen erfolgreich war, und der AfD. Bei der FDP war mit den einfachen Rezepten jenseits der Steuerpolitik Schluss. Die AfD aber bietet ein Kaleidoskop der Ressentiments: Egal, von welcher Seite man es betrachtet, es glitzert immer.

Zum Pressegespräch hat AfD-Mann Hütter Julien Wiesemann mitgebracht. „Er ist noch ein junger Mann, aber wir wollen ihm die Chance geben, zu lernen“, sagt Hütter. Seit Juni ist Wiesemann Pressesprecher der Landespartei. In seinem Job mag er neu sein, trotzdem steht er bereits für eine ganz spezielle Art von Gratwanderung, die Erfolg und Streitbarkeit der AfD erklären.

Denn Wiesemanns politische Karriere bei der AfD ist bereits seine zweite. Zuvor war er bei der Partei „Die Freiheit“, einer rechten Splittergruppe, aktiv. Auf seinem Facebook-Profil bezeichnet er sich als „rechtskonservativ wie die FPÖ“ und stellt klar: „Moschee & Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Besonders aktiv ist Wiesemann auf den Facebook-Seiten der „Patriotischen Plattform“ einer nationalkonservativen Gruppe, die nicht direkt mit der AfD verbunden ist, aber aus Mitgliedern besteht. Per „Like-Button“ drückt Wiesemann hier seine Zustimmung zu kryptischen Statements wie „Dem Vaterland die ganze Kraft“ aus. Drei seiner Facebook- und Parteifreunde luden jüngst den FPÖ-Politiker Andreas Mölzer zu einer Podiumsdiskussion ein. Der Mann steht selbst in seiner Partei am rechten Rand, die EU hat er einmal als „Negerkonglomerat“ bezeichnet. Die Stellungnahme von Wiesemann ist typisch AfD: „Begriffe wie ‚Negerkonglomerat‘ sind nicht die Wortwahl der AfD.“ Auf die Veranstaltung selbst habe man keinen Einfluss, heißt es zunächst – obwohl die Organisatoren AfD-Kandidaten sind. Als der politische Druck steigt, wird die Veranstaltung dann mit Verweis auf ein „akutes Augenleiden“ des Österreichers abgesagt.

Radikal und Mitte der Gesellschaft

Beispiele wie diese findet man reihenweise in der AfD. Unter dem Label der Meinungsfreiheit finden radikale Gestalten ihre Öffentlichkeit in der Partei, ohne Teil dieser zu sein. So sammelt die AfD extreme Meinungen ein, ohne für die Mitte der Gesellschaft unwählbar zu werden. Das macht es so schwierig, die Wähler im politischen Spektrum zu verorten. Im Sachsen-Wahlkampf zeigt sich aber, dass es zunehmend enttäuschte Konservative sind, die sich hier sammeln. Wie der Neupolitiker Carsten Hütter war auch Uwe Wurlitzer früher in der CDU aktiv, heute ist er Generalsekretär der AfD für Sachsen. Welches Thema hat ihn zur AfD gelockt? „Ganz klar, die Ausländerpolitik!“ Es folgt ein längerer Vortrag, der bei alten CDU-Positionen anfängt und auf dem Grat endet, auf dem auch Pressesprecher Wiesemann balanciert. „Es kann doch nicht sein, dass man schon als rechts gilt, wenn man nur eine Deutschlandfahne hisst.“ Oder: „Die Polizei ist auf dem linken Auge blind.“ Er fordert mehr Beamte an den Grenzen, Volksabstimmungen über Minarette und Familienförderung statt Genderpolitik. Wer unzufrieden mit seiner eigenen Lage und der heutigen Gesellschaft insgesamt ist, der findet bei der AfD ein viel breiteres Angebot, als es die FDP je bieten konnte.

Für Heinz-Peter Haustein ist das nicht mehr von Bedeutung. Seit er im Herbst sein Bundestagsmandat verloren hat, zieht er sich Schritt für Schritt aus der Politik zurück, bei der Landtagswahl tritt er nicht an. Werbung macht Haustein nur noch für sich selber, so auch mit den Hakenkreuz-Kisten. Die trägt er für das amerikanische Fernsehen durch den Stollen. Für eine Bernsteinzimmer-Dokumentation sind die Journalisten des Travel Channel ins Erzgebirge gereist, da mimt Haustein gern den Schatzsucher. Es könnte ja Touristen ins Erzgebirge bringen. Da verbleibt noch mehr Hoffnung als für seine Partei.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%