AfD streitet um Parteilinie Letzte Warnung für Rechtsaußen Höcke

Björn Höcke hat mit einer als rassistisch eingestuften Rede scharfe Kritik auf sich gezogen. Auch seine Äußerungen zum rechtsextremen Front National sorgen für Empörung. Die Parteispitze reagiert mit einer Warnung.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Unter Beschuss: Björn Höcke. Quelle: Reuters

Die Bundesparteispitze der Alternative für Deutschland (AfD) hat mit einer deutlichen Warnung auf jüngste provokante Äußerungen des Thüringer AfD-Fraktionschefs Björn Höcke reagiert. „Ich empfehle Björn Höcke dringend, in sich zu gehen und sich in seinen öffentlichen Auftritten künftig deutlich zu mäßigen. Seine Äußerungen sind dem Erscheinungsbild unserer Partei in der Öffentlichkeit alles andere als dienlich“, erklärte der Co-Parteichef Jörg Meuthen in einer am Montagmorgen verbreiteten Erklärung.

„Es schadet dem Ansehen unserer Partei, mit solchen Aussagen in Verbindung gebracht zu werden. Zugleich gefährdet es die nach dem Essener Parteitag im Juli zurückgewonnene Einheit der Partei“, sagte Meuthen weiter. „Beides kann und darf nicht in seinem noch in irgendeines anderen Parteimitglieds Interesse liegen und kann nicht immer weiter hingenommen werden.“

Höcke hatte Ende November in einem Vortrag zur Asylpolitik erklärt, der „lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp“ treffe in Europa auf den „selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp“. Zudem hatte Höcke gemeinsamen mit dem AfD-Bundesvorstandsmitglied André Poggenburg dem rechtsextremen französischen Front National (FN) zu seinem Erfolg im ersten Wahlgang bei den Regionalwahlen am vergangenen Sonntag gratuliert.

Die AfD – neue Volkspartei oder kurze Protestepisode?

Meuthen nannte die Höcke-Reaktion zum FN falsch und unangemessen. Die französischen Regionalwahlen seien ein rein innerfranzösischer Vorgang und die AfD unterhalte weder im Europäischen Parlament noch an anderer Stelle Beziehungen zum FN.

Zudem seien die jetzt bekannt gewordenen Äußerungen Höckes in einem Vortrag in dem der „Neuen Rechten“ zugehörigen „Institut für Staatspolitik“ indiskutabel. „Seine Ausführungen sind sachlich unsinnig, entbehren wissenschaftlicher Substanz und laden zu Fehldeutungen als rassistische Aussagen geradezu ein“, sagte Meuthen. „Die Äußerungen sind eine inhaltliche wie politische Torheit.“

Die Stellungnahme Meuthens ist bemerkenswert und dürfte wohl eine letzte Warnung an Höcke sein. Zumal zwischen der Parteispitze und dem Thüringer AfD-Hardliner bis vor kurzem ohnehin nur ein Burgfrieden herrschte. Vorausgegangen war da schon ein scharfer Rüffel von Meuthen und der Mitvorsitzenden Frauke Petry gegen Höcke, nachdem dieser im ARD-Talk von Günther Jauch eine Deutschlandfahne über seinen Stuhl legte und mit derber Rhetorik gegen Flüchtlinge zu Felde zog.

Nach dem Ordnungsruf der Parteispitze hielt sich Höcke zurück. Beim Parteitag Ende November drehte er dann aber wieder auf: „Wenn wir den Asylorkan jetzt nicht kontrollieren, dann werden wir in eine Phase des Staatsverfalls einmünden“, donnerte er in die Mikrofone der Journalisten. Mit seinem Auftritt in Hannover bestätigte Höcke einmal mehr seinen Anspruch, Wortführer einer Gruppe rechter AfD-Mitglieder zu sein. Dazu zählen die Landeschefs von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Alexander Gauland und André Poggenburg. Beide gehören dem Bundesvorstand der Partei an – Gauland als Parteivize, Poggenburg als Beisitzer.

Scharfe Kritik an Höcke äußerte auch der NRW-Landeschef Marcus Pretzell. „Man muss nicht jeden Unfug unkommentiert lassen; schon gar nicht rassische Ideologie. Das hat nichts mit AfD zu tun“, schrieb Pretzell bei Twitter. Ein weiteres kritisches Statement auf seiner Facebook-Seite löschte Pretzell wieder, nachdem Höcke seine Äußerungen in einer Mitteilung vom Sonntagabend bedauerte.

Der Thüringer AfD-Chef nahm aber keine Passage aus seiner umstrittenen Rede zurück. Er sprach vielmehr von Fehldeutungen. „Ich habe Achtung vor jedem Menschen und seiner unveräußerlichen Würde“, teilte Höcke mit. Er erklärte dann jedoch auch: „Unabhängig davon muss es einen offenen politischen Diskurs um die richtige Asylpolitik geben können. Ich habe niemals meine Meinung absolut gesetzt, nehme mir aber das Recht, Diskussionen anzustoßen und fordere eine offene Debatte über alle relevanten Politikfelder.“

Pretzell nennt Höckes Rede "rassische Ideologie"


In seiner Rede, so Höcke weiter, sei es ihm darum gegangen, deutlich zu machen, „dass sich Europa meiner Meinung nach vor einer Einwanderung, die es selbst überfordern würde, durch geschlossene Grenzen schützen muss“. Er verwies zugleich auf eine Prognose der Stiftung Weltbevölkerung, wonach sich die Zahl der Menschen in Afrika von heute 1,2 Milliarden auf 4,4 Milliarden im Jahr 2100 vervierfachen werde.

Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?

Seine Schlussfolgerungen hatte Höcke in seiner Rede mit der Asylpolitik in einen Zusammenhang gestellt. So sprach er auch von einem „Bevölkerungsüberschuss Afrikas“. Und er fügte hinzu: „Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.“


Linken-Ministerpräsident Ramelow macht sich über Höcke lustig

Gegen die Aussagen Höckes hatte es auch in Thüringen massive Kritik gegeben. So zeigte sich Thüringens Landtagspräsident Christian Carius (CDU) fassungslos. Höcke habe sich in eine „gefährliche Nähe zur Argumentation der Nationalsozialisten“ begeben. Jeder Kleintierzüchterverein spreche verantwortungsvoller über das Paarungsverhalten von Kaninchen oder Meerschweinchen als der AfD-Landeschef über Menschen auf dem afrikanischen Kontinent.

Der Vorsitzende der Thüringer Jungen Union und Landtagsabgeordnete Stefan Gruhner hatte sich zuvor auf Twitter ähnlich geäußert. Höcke sei damit nicht mehr würdig, dem Thüringer Landtag anzugehören.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow machte sich am Sonntag bei Twitter über Höcke lustig. Ramelow verwies darauf, dass Höcke und die AfD-Chefin Frauke Petry mit ihren Partnern jeweils vier Kinder hätten, die Thüringer AfD-Landestagsabgeordnete Wiebke Muhsal drei. „Genetisch Afrikaner?“, fragte Ramelow rhetorisch.

Unterstützung erhielt Höcke von AfD-Bundesvorstandsmitglied Poggenburg. Bei Twitter wandte sich der Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gegen den Rassismus-Vorwurf seines Parteikollegen Pretzell und erklärte, „aber wir gehen bei @Höcke doch jetzt nicht von „rassischer Ideologie“ aus, oder!?“ Poggenburg bestritt zudem eine Distanzierung der Parteispitze von Höcke. Ebenfalls bei Twitter betonte Poggenburg, „dass es überhaupt keine Rüge vom Bundesvorstand gibt“.

Auch die „Patriotische Plattform“, ein nationalkonservatives Netzwerk von AfD-Mitgliedern, stellte sich hinter Höcke. In einer mit der Überschrift „Björn Höcke ist unser Mann“ betitelten Mitteilung griff die nach eigenen Angaben parteiunabhängige Organisation die Parteispitze scharf an. „Nicht Björn Höckes Aussagen sind das Problem, sondern die Art und Weise, wie das gesamte politisch-mediale Establishment und Teile der eigenen Partei darauf reagieren. Wer einen Parteifreund, der für seine aufrichtige patriotische Politik medial im Feuer steht, in den Rücken fällt, der ist keine Alternative für, der ist eine Alternative gegen Deutschland.“


Selbsternannte AfD-Patrioten attackieren Parteispitze

Die selbsternannten AfD-Patrioten lobten auch wie Höcke und Poggenburg den Front National. In einer gemeinsam verfassten Mitteilung ihrer parteiinternen Gruppierung „Der Flügel“ hatten Höcke und Poggenburg erklärt: „Für unsere Vaterländer, für unser gemeinsames europäisches Haus geht es in dieser historischen Wendezeit um Sein oder Nichtsein. Die in- und ausländischen Altparteien stehen auf der Seite des Nichtseins. Unsere Verbündeten stehen auf der Seite des Seins. Wir gratulieren Marine Le Pen zu ihrem überragenden Wahlerfolg. Frankreich und Europa dürfen noch hoffen!“

Die „Patriotische Plattform“ in der AfD ging noch weiter und erklärte: „Marine Le Pens Kampf ist unser Kampf; ihr Sieg ist unser Sieg!“ Mit „Unverständnis und Befremden“ reagierte der Vorstand der Organisation auf den Pressesprecher der AfD, Christian Lüth, der erklärt hatte, der Front National sei wegen seines „fremdenfeindlichen Kurses“ kein Partner für die AfD – „ein Satz“, so die selbsternannten AfD-Patrioten, „der so auch von Bernd Lucke hätte stammen können“.

Die „Patriotische Plattform“, heißt es in der Erklärung weiter, betrachte die FPÖ in Österreich, den Front National in Frankreich und die UKIP in Großbritannien „als unsere Verbündeten im Kampf gegen die Politik der EU, gegen linken Zeitgeist und Masseneinwanderung“. Der AfD empfahl die Plattform Marine le Pen als Vorbild, um Wahlen zu gewinnen. „Wer dagegen den Front National in der Sprache des Imperiums als „fremdenfeindlich“ abkanzelt, der zeigt, dass er bei den etablierten Parteien besser aufgehoben wäre.“ Auf den Wahlsieg der FPÖ habe der Bundesvorstand noch mit Glückwünschen reagiert. „Er möge diesen Kurs bitte auch gegenüber dem Front National fortsetzen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%