AfD Was die AfD nicht spaltet, macht sie nur stärker

Mal wieder eskaliert ein Richtungsstreit in der AfD. Doch Spekulationen über eine erneute Spaltung der Rechtspartei sind verfrüht – und nützen der Partei sogar.

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Frauke Petry (l), Björn Höcke (r) Quelle: dpa

Seit Anfang 2013 gibt es die Alternative für Deutschland, das sind immerhin schon fast drei Jahre. Bei jeder Wahl, bei der die Partei seitdem angetreten ist, hat sie ein Ergebnis erzielt, dass man objektiv als Erfolg betrachten musste. Umfragewerte wurden übertroffen, Mandate im Landtag und im Europaparlament eingesammelt. Und dennoch: Bei jedem Richtungsstreit innerhalb der Partei einigen sich die Kommentatoren schnell auf die gemeinsame These: Das war’s jetzt. Dieser Richtungsstreit zerreißt die Partei, sie wird sich zerlegen und in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Nach der jüngsten Kontroverse zwischen der Vorsitzenden Frauke Petry und dem thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke nannte die "Süddeutsche Zeitung" die AfD „keine Partei, die man ernst nehmen muss“. Zur Erinnerung: In jüngsten Umfragen liegt eben diese AfD bundesweit bei knapp 10 Prozent.

Stimmenanteil rechter Parteien

Durch dauernde Wiederholung der These vom bevorstehenden Untergang der AfD mögen zwar mehr Menschen an diesen Untergang glauben – wahrscheinlicher wird er dadurch aber nicht. In ihrer dreijährigen Geschichte hat die Partei schon viele Streitereien erlebt und allesamt überlebt. Die Kontroverse der – wie wir heute wissen – Parteimehrheit mit ihrem Gründungsvorsitzenden Bernd Lucke war dabei nur die bekannteste. Zuvor war schon einmal der gesamte Vorstand des nordrhein-westfälischen Parteiflügels zurückgetreten, auch in Bayern und Brandenburg gab es haarsträubende Auseinandersetzungen. An keiner dieser Kontroversen ist die Partei zerbrochen und so wird es auch im Fall Björn Höcke sein.

Was ist genau passiert?

Björn Höcke polarisiert seit längerem, erst bemerkte man das nur in der Partei. Doch seit Höcke in einer Talkshow auf die Idee kam, eine Deutschlandfahne im Studio zu drapieren, ist seinen abstrusen Auftritten die mediale Aufmerksamkeit garantiert.

Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?

Die letzte Eskalationsstufe war nun ein wirrer Vortrag über die vermeintlichen Unterschiede der „Reproduktionsstrategien“ afrikanischer und europäischer Völker. Der Parteivorstand diskutierte, am Ende stand eine scharfe Mahnung an Höcke, die man als Rücktrittsforderung verstehen konnte. Das wiederum kritisierte der brandenburgische AfD-Frontmann Alexander Gauland, auch sonst dafür bekannt, sich vor jede Randgruppe in der Partei zu stellen.

Das war’s?

Das war’s. Um in diesem Vorgang das Potenzial für eine Spaltung zu entdecken, muss man zwei Denkfehler machen.

Der Charakter der AfD hat sich nicht geändert, er liegt bloß offen

Erstens: Björn Höcke ist ein mächtiger Mann. Es stimmt, Höcke hat ein Landtagsmandat, davon hat die AfD sonst nicht besonders viele. Das liegt aber vor allem daran, dass sein Landesverband das Glück hatte, dass in Thüringen in den vergangenen beiden Jahren gewählt wurde. Höcke hat zudem eine Pegida-artige Protestveranstaltung in Erfurt zu seiner Bühne gemacht, regelmäßig findet er dabei einen vierstelligen Zuhörerkreis. An der Basis ist Höcke beliebt, in den Entscheidungsgremien der AfD aber eine Randfigur. Wenn dort dennoch so intensiv über ihn gestritten wird, ist das eher als Fortsetzung der innerparteilichen Grundsatzdebatte über den vernünftigsten Grad der Annäherung an Pegida und andere Radikale zu verstehen, denn als Beginn einer Spaltung.

Im Prinzip sind sich die Parteistrategen seit Luckes Abgang einig, wie mit rechten Parolen umgegangen werden soll: Alles tolerieren, nichts zu Eigen machen. Dieses Muster sprengt Höcke, da mit ihm ein landesweit bekannter AfD-Funktionär in unzweideutig rassistischer Sprache spricht. Auf lokaler Ebene gibt es bei der AfD dutzende Höckes, um die sich die Partei nicht scheren muss. Höcke aber kann sie nicht ignorieren, ohne sich seine Aussagen stillschweigend zu Eigen zu machen. Sollte sie jedoch Höcke zum Austritt zwingen, hätte sie sich genau der Methoden bedient, wegen derer Gründer Lucke vom Hof gejagt wurde. Ein vertrackter Fall, mehr aber auch nicht.

Denn wer mehr in diesen Fall hinein interpretiert, begeht Denkfehler Nummer zwei: Mit jedem internen Streit rückt die AfD weiter nach rechts. Dieser Irrglaube basiert auf dem Umbruch nach Lucke. Der Austritt von Luckes Mannen wurde als Spaltung in ein rechtspopulistisches und ein liberales Lager gedeutet, dabei war es etwas anders: Die Partei war längst rechtspopulistisch geworden, ihr Vorsitzender Lucke wollte diese Entwicklung jedoch nicht wahrhaben. Als er sich der Realität nicht mehr entziehen konnte, musste er gehen. Kein Wunder, dass seine Alternative zur Alternative kaum Zuspruch findet.

Seitdem hat sich der Charakter der AfD selbst aber nicht geändert, er liegt bloß offen zu Tage. Die AfD macht bisher nach dem gleichen Muster Rechtspopulismus, wie es anderswo in Europa seit Jahren funktioniert. Die Führer üben polemische Systemkritik an korrupten Eliten im Land und in Europa verbunden mit dem Versprechen, selbst nach der Ratio des besorgten Kleinbürgers mit seinem gesunden Menschenverstand zu handeln. Als Anhänger wird jeder geduldet, für Repräsentanten aber gilt eine klare Linie.

Wer so weit nach rechts rückt, dass es die Glaubwürdigkeit in der frustrierten Mittelklasse gefährden könnte, muss gehen. Die Trennung des Front National von seinem Gründer und Vater der heutigen Parteichefin Marine Le Pen ist der berühmteste Fall, auch der finnische Populist Timo Soini hat sich in dieser Hinsicht konsequent gezeigt.

Nach diesem Muster kann auch die AfD den Fall Höcke lösen. Entweder, indem Höcke sich im Ton mäßigt, oder indem er eine sanfte Sanktionierung erfährt. Solange es der AfD gelingt, diesen Grad zu treffen, kann sie weiter Erfolg haben.

Und sie nicht ernst zu nehmen wäre das gefährlichste, was die demokratischen Konkurrenten tun könnten. Denn wie die Fälle Ungarn und Polen zeigen: Sind die Rechtspopulisten erstmal an der Macht, fängt sie keiner mehr ein.

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