Air-Berlin-Insolvenz und die Folgen Maas will Fluggäste vor Airline-Pleiten schützen

Die Air-Berlin-Insolvenz offenbart eine Schutzlücke für betroffene Fluggäste. Verbraucherschutz-Minister Maas will daher Airlines per Gesetz zwingen, sich gegen Pleiten abzusichern, damit Passagiere nicht leer ausgehen.

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„Weder die Reisenden noch die Steuerzahler dürfen am Ende die Kosten dafür tragen, wenn ihre Fluggesellschaft während einer Reise in die Insolvenz muss.“ Quelle: dpa

Berlin Die Insolvenz von Air Berlin wirft ein Schlaglicht auf die möglichen Folgen für Passagiere der Fluggesellschaft. Denn bislang sind Fluglinien nicht verpflichtet, den Reisepreis gegen eine mögliche Pleite abzusichern. Wird infolge einer Insolvenz der Flugbetrieb eingestellt, bekommen Passagiere ihr Geld für bereits gebuchte Tickets aller Wahrscheinlichkeit nicht zurück.

Anders ist das bei Pauschalreisen. Hier sind die Veranstalter gesetzlich verpflichtet, die Zahlungen ihrer Kunden für den Fall einer Insolvenz zu versichern. Mit dem sogenannten Sicherungsschein können Urlauber dann ihr Geld zurückbekommen, wenn sie zum Beispiel auf eigene Kosten nach Hause fliegen müssen. Dieses Zweiklassenrecht will die Politik nun aufbrechen. Künftig solle es nach dem Willen von Bundes-Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) für Verbraucher keinen Unterschied machen, ob sie ihren Flug bei einem Pauschalreiseanbieter oder direkt bei einer Airline gebucht haben.

„Wir sollten prüfen, eine europaweite Pflicht der Airlines zur Insolvenzabsicherung zum Schutz der Kunden einzuführen“, sagte Maas dem Handelsblatt. „Bei den Beratungen über die EU-Fluggastrechterichtlinie sollten wir darüber diskutieren, inwiefern eine Insolvenzabsicherungspflicht in die Richtlinie aufgenommen wird.“

Der Minister betonte, dass die Rechte der Fluggäste auch im Fall einer Insolvenz im Vordergrund stehen müssten. „Weder die Reisenden noch die Steuerzahler dürfen am Ende die Kosten dafür tragen, wenn ihre Fluggesellschaft während einer Reise in die Insolvenz muss“, sagte Maas.

Auch die Grünen fordern, das Insolvenzrecht für Fluggesellschaften „dringend“ zu überarbeiten. „Denn es kann nicht sein, dass die Verbraucher bei einer Insolvenz der Airline im Regen stehen gelassen werden und im schlechtesten Fall keinen Cent erstattet bekommen“, sagte die Vorsitzende des Verbraucherausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), dem Handelsblatt. „Wir brauchen analog zu den Pauschalreisen eine gesetzliche Verpflichtung zur Insolvenz-Absicherung zugunsten der Fluggäste.“

Künast verlangte von der Bundesregierung, sie solle in der Frage „endlich initiativ werden, damit auf EU-Ebene eine Regelung in Angriff genommen wird“. Zunächst solle für die EU eine Insolvenzschutzpflicht gelten, aber eine internationale Regel müsse das Ziel sein. „Verbraucher sind Bestandteil des Wirtschaftslebens, sie dürfen hier nicht faktisch rechtelos bleiben“, sagte Künast.

Air Berlin will trotz Insolvenz mitten in der Ferienzeit weiter fliegen. „Alle Flüge der Air Berlin und Niki finden weiterhin statt“, versicherte die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft am Dienstag. Zuvor hatte die chronisch defizitäre Airline einen Insolvenzantrag gestellt. Der Bund sichert aber mit einem Kredit den Flugbetrieb bis etwa Ende November, wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte. Bis dahin könne die Lufthansa Teile der insolventen Fluggesellschaft übernehmen.


„Es war absehbar, dass die den Hahn abdrehen“

Diejenigen Passagiere, die keine Pauschalreise gebucht haben, können indes nur hoffen, dass die Flüge tatsächlich durchgeführt würden, gab der Touristik-Experte des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Felix Methmann, zu bedenken. Der Verband habe seit Jahren einen Insolvenzschutz für alle Flugreisenden gefordert. „Jetzt rächt sich die Untätigkeit der Bundesregierung und der EU.“

Dabei war die drohende Schieflage bei Air Berlin lange absehbar. „Das war klar“, sagte der frühere Chef der Fluglinie, Hartmut Mehdorn, dem „Tagesspiegel“ (Donnerstagausgabe). Mehdorn führte von September 2011 bis Januar 2013 Air Berlin und gewann in jener Zeit Etihad als Anteilseigner. Die Gesellschaft aus Abu Dhabi habe seitdem mehr als eine Milliarde Euro in Air Berlin gesteckt und dennoch keine Trendwende erkennen können. „Es war absehbar, dass die den Hahn abdrehen“, sagte Mehdorn.

Die Lage bei Air Berlin hatte sich seit Ende März verschärft. Mit der Umstellung auf den Sommerflugplan häuften sich Flugausfälle und Verspätungen. Man sei „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, hieß es in einer Air-Berlin-Pflichtmitteilung an die Börse.

Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ordnete am Dienstag die Insolvenz in Eigenverwaltung an - das bedeutet, dass das bisherige Management um Vorstandschef Thomas Winkelmann für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich bleibt. Vorläufiger Sachwalter ist der Rechtsanwalt Lucas Flöther, der zuletzt den insolventen Fahrradhersteller Mifa aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt rettete und bei der Pleite des Internetriesen Unister in Leipzig die Insolvenzverwaltung übernommen hatte.

Air Berlin verhandelt nach eigenen Angaben mit der Lufthansa „und weiteren Beteiligten“ über den Verkauf von Teilen des Unternehmens. Diese Verhandlungen könnten „zeitnah“ abgeschlossen werden. Auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und Dobrindt äußerten sich zuversichtlich. Lufthansa teilte mit, man wolle die Verhandlungen zu einem schnellen und positiven Ergebnis führen.

Ob auch in Sachen Insolvenzabsicherung etwas in Bewegung kommt, ist allerdings fraglich. Die EU-Kommission sah sich bisher wenig geneigt, gegen die Risiken möglicher Airline-Pleiten zusätzlich etwas zu unternehmen. Brüssel argumentierte stets, dass die geltende Regelung „bereits einen angemessenen Rechtsrahmen für die Unterstützung von Fluggästen bei Insolvenzen von Luftfahrtunternehmen bietet“.

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