In den zentralen politischen Grundsatzfragen sind sich die etablierten Parteien weitgehend einig. Das gilt auch für die Bildungs- und Wissenschaftspolitik: Der Anstieg der Studentenzahlen wird im gesamten politischen Spektrum uneingeschränkt gutgeheißen. Jeder neue Rekord wird als Erfolg der hiesigen Bildungspolitik gefeiert. Ein Grund dafür dürfte sein, dass es Bildungspolitiker nach handfesten Kriterien für den Erfolg ihrer Politik gelüstet. Der Anstieg von Studentenzahlen eignet sich dafür scheinbar ganz hervorragend.
Dahinter steht die Behauptung, dass der steigende Anteil von Abiturienten und Studenten ein steigendes Bildungsniveau belege und der Arbeitsmarkt gar nicht genug Akademiker haben kann. Und damit einher geht das naive sozialreformerische Wunschdenken vom Aufstieg für alle. Als ob, wenn alle studieren auch alle in Führungspositionen kommen. Elite für jedermann.
Julian Nida-Rümelin hat in einem Interview diese Lebenslüge der Bildungspolitik offen angesprochen. Er warnt vor den fatalen Folgen dieses „Akademisierungswahns“ für das Wissenschaftssystem und für die deutsche Volkswirtschaft.
Nida-Rümelin ist Professor für Philosophie an der LMU in München. Er ist nicht der erste Proessor, der die auf totale Expansion der Universitäten angelegte Wissenschaftspolitik unter der Fahne des Bologna-Prozesses als Katastrophe für das Wissenschaftssystem erkannt hat. Viele klagen über die Studierunfähigkeit der Studenten und die totale Ökonomisierung der Universitäten als Ausbildungsdienstleister der Wirtschaft.
Aber Nida-Rümelin ist nicht nur Philosophie-Professor, er ist auch ehemaliger Kulturstaatsminister der Schröder-Regierung und vor allem Mitglied der Grundwertekommission der SPD. Und daher könnten seine Aussagen vom Wochenende auch in der Politik höhere Wellen schlagen als die Kritik irgendeines Professors. Hoffentlich!