Als Idee und Argument verpönt Das liberale Paradox

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Prinzipien selbstbewusst vertreten

Keine politische Philosophie ist so kalt und inhaltsleer wie der Liberalismus – und keine zugleich so anspruchsvoll. Wahrscheinlich deshalb steckt die Idee der Freiheit ständig in der Krise.
von Dieter Schnaas

Die Aufgabe einer liberalen Partei in Deutschland bestünde darin, solchen Klischees zu widersprechen und die Auseinandersetzung um die Deutungshoheit endlich aufzunehmen. Sich jedoch für den Liberalismus gleichsam zu entschuldigen und ihn als “mitfühlend” zu relativieren bedeutet, den antiliberalen Diskurs zu bestätigen.

Die Aufgabe einer liberalen Partei wäre stattdessen, die Grundprinzipien des Liberalismus selbstbewusst und mit offenem Visier in die politische Debatte einzubringen und Deutungsmuster anzubieten, die in Konkurrenz zu sozialdemokratischen und konservativen Ideen stehen.

Damit hat die FDP aber seit jeher große Mühe. Obwohl der Liberalismus in Deutschland als Tatsache erfolgreich ist, ist es der FDP immer schwer gefallen, den argumentativen Bogen von der liberalen Praxis zur liberalen Begrifflichkeit zu schlagen. Wohl auch deshalb, weil die FDP eben selbst nicht nur liberale Interessen vertreten, sondern auch als Klientelpartei gedient hat. Leute mit Standesinteressen hören die liberale Botschaft gar nicht gerne.

Eine erneuerte FDP müsste sich dagegen von den alten Rollenmustern lösen und den Liberalismus wieder entdecken: als Befreiungsidee von Bevormundung und Zwang. Als eine Partei, die an die Fähigkeit von Menschen glaubt, sich selbst neu zu entwerfen und die eigenen Anlagen zu entwickeln und zur Blüte zu bringen - in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft - und die die Freiräume dafür schaffen und offen halten will. Eine Partei, die im Zweifelsfall darauf setzt, dass Individuen und Gruppen besser wissen, was gut für sie ist, als die Staatsbürokratie. Eine Partei, die den Staat nicht als Heiligtum, als Endzweck verehrt, sondern vor allem als pragmatisches Instrument ansieht, um Selbständigkeit zu unterstützen und zu fördern. Eine Partei, die liberale Prinzipien auch in der Außenpolitik vertritt, statt Autokratien schönzureden. Mit anderen Worten: Die FDP müsste die Sprache von Aufklärung und klassischem Liberalismus wieder entdecken, und sie als Instrumente einsetzen, um das Bestehende kritisch zu durchleuchten und Alternativen anzubieten.

Die Kernidee des politischen Liberalismus besteht darin, dass die Bürgergesellschaft den Staat besitzt und steuert, und nicht etwa eine selbsternannte Elite. Die Kernidee des wirtschaftlichen Liberalismus besteht darin, dass individuelles Gewinnstreben die Gesellschaft voranbringt, im Rahmen einer Marktordnung. Was beide Ideen verbindet ist der Glaube an den positiven Wert der Freiheit, der Selbständigkeit und der Selbstverwirklichung - an den Menschen als Bürger. Die Botschaft des Liberalismus ist so aktuell wie eh und je. Wir hören sie nur nicht, jedenfalls nicht von der FDP.

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