Altmaier versus Rösler Ökostrom-Streit bremst Energiewende

Die Umsetzung der Energiewende entwickelt sich zur Quadratur des Kreises. Ein Grund sind die hohen Kosten für die Ökostrom-Förderung. Die zuständigen Minister könnten für Entlastung sorgen, doch sie sind im Dauer-Clinch.

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Windkraftanlagen auf einem Feld bei Husum. Quelle: dpa

Berlin Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entwickelt sich die Energiewende immer mehr zur „Mission Impossible“. Daran dürfte auch das heutige Treffen mit den 16 Regierungschefs der Bundesländer nicht viel ändern. Die Suche nach einem gemeinsamen Konzept für die Energiewende wird auch danach weitergehen. Zwar bekundeten mehrere Ministerpräsidenten vor dem Energiegipfel ihren Willen zur Einigung. Doch die Positionen liegen zum Teil weit auseinander. Schon die für die Herkulesaufgabe zuständigen Minister, Umweltressortchef Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsressortchef Philipp Rösler (FDP), sind sich nicht grün. Und das schon seit Monaten.

Richtig zur Sache geht es in der Debatte seit klar ist, dass der Atomausstieg ein teure Angelegenheit wird. Die auf ein Rekordniveau steigende und von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlende Ökostrom-Umlage sorgt für Nervosität bei Union und FDP. Zusammen mit anderen Zusatzkosten durch die Energiewende, die der Staat bei den Bürgern ablädt, prophezeien erste Versorger Mehrkosten für einen Durchschnittshaushalt von knapp 100 Euro pro Jahr. Für den Großteil ist das sicher noch machbar, aber für einkommensschwache Bürger wird das Jahrhundertprojekt zunehmend zu einer Bürde. Dennoch ist eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast beim Strom bisher nicht geplant.

Eigentlich bräuchte es eine rasche Reform, die Kosten senkt, erneuerbare Energien rascher marktfähig macht und überflüssige oder zu hohe Boni im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) streicht. Aber FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler kann sich auf den Kopf stellen und von Altmaier eine Reform noch vor der Bundestagswahl in einem Jahr fordern. Die Realität ist: Wenn Altmaier den Windkraft-Ausbau deckeln will, muss er gegen starke Lobbyinteressen ankämpfen. Und die Ministerpräsidenten pfeifen ihn schon zurück. Der Föderalismus ist für Altmaier bei dem Projekt wohl die schwerste Hürde.

Während der Bund auf eine Harmonisierung der Ziele beim Ausbau der Ökoenergie drängt, äußerten sich mehrere Länderchefs vor dem Treffen am Freitag im Kanzleramt zurückhaltend. So will das Land Schleswig-Holstein an seinen Plänen zum Ausbau der Windkraft festhalten. „Es liegt doch auf der Hand, dass wir den Wind in erster Linie dort ernten, wo er am stärksten weht, und das ist nun mal eindeutig im Norden der Republik der Fall“, sagte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) dem Handelsblatt. Ähnlich äußerte sich der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU).


Bundesregierung will umstrittenes Ökostrom-Gesetz erhalten

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) forderte in der „Rheinischen Post“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Ausbaustrategie. „Jetzt ist der Bund am Zug.“ Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte der „Schweriner Volkszeitung“, er sei froh, dass sich Bundesumweltminister Altmaier und Merkel für Offshore-Windkraft und Netzausbau ausgesprochen hätten. „Nun müssen den Worten allerdings Taten folgen.“

Altmaier will den Zubau bei Windrädern und Biogasanlagen deckeln, um die im Strompreis enthaltene Umlage für die Ökostrom-Förderung nicht zu stark ansteigen zu lassen. Beim Strom gibt es bereits einen Anteil erneuerbarer Energien von 25 Prozent. Altmaier will das Ökostrom-Ziel bis 2020 deshalb von 35 auf 40 Prozent anheben. Würden alle Länderziele umgesetzt, würde das Ziel allerdings deutlich übertroffen.

Wie eine Reform des EEG aussehen könnte, ist allerdings auch in der Koalition umstritten. Bisher bekommen Wind- oder Solarparkbetreiber garantierte Vergütungen über den Marktpreisen. Bundeswirtschaftsminister Rösler favorisiert nach Angaben seines Sprechers weiter ein Mengenmodell mit einem festen Anteil des Stroms aus Ökoenergien und Flexibilität der Unternehmen, wie das zu erreichen ist. Der Altmaier-Sprecher betonte, das EEG gelte. „Alle anderen Modelle stehen nicht zur Debatte.“

Nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ wies die Bundesregierung die Forderung der Monopolkommission zurück, das EEG abzuschaffen und durch ein Quotenmodell zu ersetzen. Stromlieferanten müssten in so einem Modell bis 2020 mindestens 35 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Energien vermarkten.


DIHK: Merkel muss eine „klare Linie“ vorgeben

Wie vor diesem Hintergrund ein Konsens aussehen könnte, ist damit völlig unklar, zumal auch die Verbände die Politik unter Druck setzen. Der BUND und Greenpeace etwa sehen Bundeskanzlerin Merkel in der Pflicht, mehr Führungsstärke zu zeigen und durchzugreifen. „Vom Energiegipfel muss eine klare Absage an die Gegner der Energiewende um Wirtschaftsminister Philipp Rösler ausgehen“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger zu Handelsblatt Online. Merkel müsse ihren Vizekanzler in die Schranken weisen, weil der FDP-Politiker Rösler als "Bremser der Energiewende" auftrete.

Nötig sei dagegen „ein klares Bekenntnis zum weiteren dynamischen Ausbau der erneuerbaren Energien“, verlangte Weiger. Zwar sei es richtig, in diesem Zusammenhang auch Korrekturen am EEG vorzunehmen, ein „Ausbremsen oder gar Deckeln“ der Erneuerbaren dürfe es aber nicht geben.

„Den Ausbau der Windenergie zu drosseln, ist völlig absurd“, erklärte auch der Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling. Er wies darauf hin, dass die Bundesländer mit ihren Ausbauplänen für die Windenergie bis zum Jahr 2020 rund 30.000 neue Arbeitsplätze schaffen würden. In der Bundesregierung wird erwogen, den Bau neuer Windkraftanlagen wegen der Kosten für die Förderung der erneuerbaren Energien und wegen Problemen beim Netzausbau zu begrenzen.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verlangte von der Kanzlerin mehr Führung. „Im Moment haben wir bei den Länderzielen einen Wildwuchs: Export im Norden, Autarkie im Süden, das passt nicht zusammen“, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann Handelsblatt Online. Er betonte: „Wichtig ist, dass die Kanzlerin in Richtung Kabinett genauso wie in Richtung Länder eine klare Linie vorgibt.“

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