Julia Schramm reiste in die brandenburgische Uckermark genauso wie in die alte Bundeshauptstadt Bonn. Das Ziel lautete immer: Angela Merkel und ihr Weg von der Pfarrerstochter zur deutschen Bundeskanzlerin und zur mächtigsten Frau der Welt.
Ihr Buch „Fifty Shades of Merkel“ ist ein kurzweiliges Porträt geworden – 50 Kapitel, die zwar viel erzählen, was längst über die Kanzlerin bekannt ist. Doch Schramm hat auch Dinge ausgegraben, die längst nicht so präsent sind und eine unbekannte Seite der Kanzlerin beleuchten. Fünf Fakten im Überblick:
1. Was Angela Merkel und Helmut Schmidt gemeinsam haben
Merkel und Altkanzler Helmut Schmidt sind beide in der Hansestadt Hamburg geboren und aufgewachsen. Bis heute spielt Hamburg eine wichtige Rolle in Angela Merkels Leben – es steht für sie „stellvertretend für den Westen“, wie Julia Schramm in ihrem Buch schreibt. Während die Familie schon in die DDR gegangen war, lebte ihre Großmutter noch lange in der Hansestadt und schickte regelmäßig Produkte aus dem Westen.
Zur Person
Julia Schramm ist Politikwissenschaftlerin und Autorin. Von 2009 bis 2014 war sie Mitglied der Piratenpartei und auch Mitglied im Bundesvorstand der Partei. Während sie noch in ihrer Jugend der FDP beigetreten ist, ist sie mittlerweile Mitglied der Linken. Sie lebt in Berlin. Bereits 2012 erschien ihr Buch „Klick mich“, in dem sie sich mit dem Aufwachsen im Internet auseinandersetzt.
Hamburger gelten bis heute als „unterkühlt, distanziert, leise, vornehm, ohne machiavellistischen Machtinstinkt“: Eigenschaften, durch die sich auch die Kanzlerin auszeichnet, ebenso wie es Helmut Schmidt tat. Sind Merkel und Schmidt also zu denen geworden, die sie sind, weil sie in Hamburg geboren wurden? Es darf bezweifelt werden, dass es alleine an der Geburtsstadt gelegen haben mag: Aber beide prägten einen soliden und vernunftorientierten Politikstil, der zumindest durch ihre Herkunft geprägt sein kann. Und Helmut Schmidt wird durch sein Handeln in der Sturmkatastrophe von 1962 sicher Eindruck auf die damals noch junge Angela Merkel gemacht haben.
2. Die schwierige Parteienkonstellation in der Familie
Es war keineswegs ein vorgezeichneter Weg, dass Angela Merkel einmal Mitglied der CDU und schließlich Parteivorsitzende würde. Mit dem Fall der Mauer beobachtete sie die sich neu formierende Parteienlandschaft – und ging zunächst zur SPD, wie Schramm in ihrem Buch aufzeigt. Dort habe ihr jedoch die Referentin nicht gefallen. Zudem sei ihr dort alles zu chaotisch gewesen. Auch das Genossen-Duzen habe ihr widerstrebt, heißt es weiter. „Merkels Impuls, zur SPD zu gehen, zeigt ihre politische Flexibilität und vermutlich auch ihre damalige Unsicherheit.“
Dabei wäre es gar nicht verwunderlich gewesen, wäre Merkel Mitglied der SPD geworden: Ihre Mutter Herlind Kasner saß für die Sozialdemokraten im Kreistag, soll heute aber kein Mitglied mehr sein. Wie politisch Merkels Mutter ist, darüber kann nur spekuliert werden. Sie gibt kaum Interviews und manchmal scheint es fast so, als würde sie das ganze Bohei, das um ihre Tochter gemacht wird, nicht verstehen. In einem Interview sagte sie einmal: „Mit Stolz kann ich nichts anfangen, das ist keine Kategorie, in der mein Mann und ich denken“. Angela Merkels Vater starb im Jahr 2011. Ihr Bruder soll einst bei den Grünen gewesen sein.
Angela Merkel und ihre Familie
3. Verschwiegenheit und Schweigen
Menschen, die Angela Merkel um sich herum hat, müssen schweigen können. Nicht nur ihre Mutter spricht kaum mit der Presse, auch von ihrem Bruder Marcus, der wie Merkel Physiker ist, gibt es nur ein Interview. Das Verhältnis zur berühmten Schwester beschrieb er in dem Gespräch mit der Berliner „Tageszeitung“ (Taz) als „unterkühlt“. Über Politik würden sie kaum sprechen. Über Schwester Irene ist zumindest so viel bekannt: Sie lebt als Ergotherapeutin in Berlin und ist laut Merkel „ihre Ratgeberin in Fragen, die nichts mit Politik zu tun haben.“
Im Berufsalltag hat die Bundeskanzlerin mit ihrer Büroleiterin und ihrer engen Vertrauten zwei Frauen um sich geschart, mit denen sie nicht nur schon lange zusammenarbeitet, sondern über die genauso wenig bekannt ist, wie über ihre Chefin selbst.
Angela Merkel kann viel reden, wenn sie wirklich etwas erreichen will, wenn sie weiß, dass es wichtig ist. Ansonsten ist Schweigen für sie essentiell. Schweigen, sagte Merkel einmal in einem Interview mit Anne Will, bedeute viel für sie – Auszeit, Nachdenken, Vorbereiten, Vertrautheit, Bestrafung, Provokation, Machtwort, Ablehnung, Ignoranz.
4. USA und Russland
Auf den ersten Blick scheint es, dass Russland der Kanzlerin näher liegen könnte als die USA. Die Kanzlerin spricht fließend Russisch, war in der Schulzeit sogar die beste Russisch-Schülerin der DDR. Der russische Präsident wiederum spricht fließend Deutsch – an sprachlichen Barrieren kann es also nicht liegen, dass sich beide nur mäßig gut verstehen und mittlerweile sogar zu Antagonisten werden, wie Schramm analysiert.
„Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sind eine feste Konstante jeder Kanzler_innenschaft. Ohne die USA geht es nicht“, schreibt sie. Und auch Merkel hat eine persönliche Vorliebe für die USA: „Grenzenlosigkeit, Freiheit, Wohlstand, Kapitalismus.“- Ideale, die auch die Kanzlerin vertritt. Deshalb seien ihr die USA viel näher als Frankreich oder andere Nationen.
Eine der ersten längeren Reisen Merkels nach dem Fall der Mauer ging in die USA, nach Florida. Bis heute fährt sie gern dorthin, wenn sie mal richtig weit weg sein will. Ansonsten ist bekannt, dass sie ihren Urlaub eher in den Bergen, vorzugsweise in Südtirol, verbringt.
5. Fußball
Es wirkt zuweilen etwas unbeholfen, fast lustig, wenn Merkel im Stadion der deutschen Nationalmannschaft zujubelt. „Wenn Frauen Fußball mögen, ist das immer noch ein Politikum. Es existieren zahlreiche Theorien, warum Frauen angeblich Fußball mögen – nur der offensichtlichste scheint der Menschheit immer noch selten einzufallen: Sie mögen einfach Fußball“, heißt es in „Fifty Shades of Merkel“.
Die Bundeskanzlerin, die sich selbst als Sportmuffel bezeichnet, scheint Fußball wirklich zu mögen und den Besuch der Spiele nicht als reine Pflichterfüllung zu sehen. Und das schon, bevor sie Kanzlerin wurde: 1974 verfolgte sie in Leipzig ein Spiel der DDR-Auswahl – und in Bonn bejubelte sie 1996 die gewonnene Europameisterschaft.