Von Merkel hingegen erwarten – und bekommen – die Bürger seit Jahren anderes: kühle Analyse, klare Worte. Beides konnte die Kanzlerin erst liefern, als die Lage klar(er) war. Wenn dies in Zukunft schneller möglich ist, wird sich Merkel auch schneller äußern.
Natürlich könnte sie sich mitfühlender äußern, etwa in einem Tweet. Sie wäre dann verunsicherten Bürgern eher wie jene kümmernde „Mutti“ vorgekommen, die sie laut Spitznamen ironischerweise ist.
Aber was wäre damit gewonnen gewesen? In Zeiten des Aufruhrs zählt nicht hitziges Mitgefühl, sondern kühler Kopf, so wie ihn Merkel versprach, als sie sagte: „Wir werden aufklären und alles daran setzen, die Sicherheit und Freiheit aller Menschen in Deutschland zu schützen.“
Außerdem unterstrich die Kanzlerin mit ihrer unaufgeregten Art jene These, welche auch die aufgeregtesten Stimmen ja eigentlich nicht müde werden zu wiederholen: dass Terroristen nicht unseren Alltag und unsere Art zu leben bestimmen und erschüttern dürften.
Ähnlich war es erst vor Wochenfrist, als Merkel in der Mongolei unterwegs war, während ein Terrortäter Nizza in die Katastrophe riss. Wenige Stunden nach dem Anschlag war von den mongolischen Gastgebern eine langatmige Vorführung heimischer Bräuche angesetzt, es gab Bogenschießen zu bestaunen, Wettringen, auch Kampfponys fast wie zu Zeiten eines Dschingis Khan.
Jeder hätte verstanden, wenn Merkel diese Zeremonie abgesagt hätte oder früher aufgebrochen wäre. Doch sie blieb sitzen, sie saß und staunte. Später hieß es aus ihrem Umfeld, man müsse doch gerade vorleben, dass unser Mitgefühl, unser Respekt auch vor anderen Völkern und ihren großen Momenten nicht abhängig sein könne von den irren Taten einzelner Verblendeter.
Es ist ein Satz, den es in diesen Tagen zu wiederholen gilt – ganz gleich, wann er ausgesprochen wird.