Angela Merkel und die Blockflöten Postfaktisch im Endstadium

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Deutschland ist nur ökonomisch stark

Diese Sorgen haben durchaus nicht nur mit Gefühlen zu tun. Sie haben reale Gründe. Deutschland ist stark, sagt die Kanzlerin immer wieder. Ja, allerdings nur ökonomisch. Das verdankt es seinen innovativen Unternehmen und leistungsfreudigen Arbeitnehmern. Politisch aber ist Deutschland schwach – und droht dadurch seine Wirtschaft verhängnisvoll zu überfordern. Es befindet sich in einer kritischen Situation, die nicht nur für den Machtanspruch der CDU gefährlich ist. Verschiedene existentielle Krisen finden gleichzeitig statt, denen Deutschland aus geographischen, historischen und politischen Gründen besonders ausgeliefert ist.

Alles, was Jahrzehnte lang als sicheres Fundament unseres Wohlstands und des Friedens schien, zeigt Risse: Das Finanzsystem, die Europäische Union und die bundesrepublikanische Parteienherrschaft. Dazu noch hat sich Deutschland unter Merkels Führung in einen halsbrecherischen Alleingang namens „Willkommenskultur“ verrannt und sich selbst fast die gesamte Last der massenhaften Armutszuwanderung nach Europa aufgebürdet.

Diese Bürde, die sich die politischen und ökonomischen Eliten in traditionell deutscher Gefühlsduselei schönreden, will uns nun kein anderes Land abnehmen – verständlicherweise. Das macht Merkel und Deutschland auf europäischem und internationalem Parkett erpressbar.

Außerdem weist der Ökonom Hans Werner Sinn in seinem aktuellen Buch „Der schwarze Juni“ zu Recht darauf hin, dass der Brexit und die Absegnung der unbegrenzten Geldschöpfungspolitik der EZB durch das Bundesverfassungsgericht die bevorstehenden finanziellen Belastungen Deutschlands extrem erhöhen: Deutschland steht als potentieller Zahlmeister für Europas Schulden und Armutszuwanderer weitgehend allein und ohne jedes effektive politische oder juristische Druckmittel da.

Für die einst hochgehaltenen wirtschafts- und währungspolitischen Ideale Deutschlands hat Berlin keine Mehrheiten in der EU und Euro-Zone – und keine juristische Handhabe mehr.

Wie sie diesen Sorgen politisch begegnen will, kann Merkel offenbar nicht klarmachen. Sie redet lieber über Weihnachtslieder und Blockflöten. Apropos: Eine bessere Vorlage hätte sie dem wachsenden Chor ihrer Gegner und Hasser in den sozialen Medien gar nicht liefern können. „Blockflöten“ nannte man schließlich in der untergegangenen DDR all jene hauptamtlichen Ja-Sager im „Demokratischen Block der Parteien und Massenorganisationen“, die selbst die dämlichsten Parolen der SED-Kader noch beklatschten. Der Satz mit der Blockflöte wird Merkel vermutlich ebenso für den Rest ihrer Kanzlerschaft (und darüber hinaus) begleiten wie „Wir schaffen das“ und „… dann ist das nicht mehr mein Land“.

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