Nach dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt haben tunesische Sicherheitskräfte drei Männer festgenommen, die mit dem mutmaßlichen Attentäter in Verbindung stehen sollen. Einer der Verdächtigen sei der Neffe von Anis Amri, teilte das Innenministerium in Tunis am Samstag mit. Die Festgenommenen seien zwischen 18 und 27 Jahre alt. Nach dem Tod Amris konzentrieren sich die Ermittlungen auf mögliche Helfer. Es soll festgestellt werden, ob der 24-Jährige Unterstützer hatte.
Amri war in der Nacht zu Freitag in Sesto San Giovanni bei Mailand nach einem Schusswechsel mit der Polizei getötet worden. Der 2015 nach Deutschland gekommene Tunesier war nach Überzeugung der Ermittler der Mann, der am Montagabend in mit einem gestohlenen Sattelzug in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin gerast war. Bei dem Attentat starben 12 Menschen, 53 wurden teilweise lebensgefährlich verletzt.
Der Neffe Amris soll nach Angaben tunesischer Sicherheitskräfte gestanden haben, dass er mit dem mutmaßlichen Attentäter auf einem verschlüsselten Weg über eine Nachrichtenapp in Kontakt gestanden habe. Sein Onkel habe gewollt, dass er der Terrormiliz Islamischer Staat die Treue schwöre. Auch habe er ihm Geld geschickt.
Das Ministerium in Tunis bezeichnete die drei Männer als eine Terrorzelle, die Sicherheitskräfte bereits am Freitag nahe der Stadt Kairouan ausgehoben hätten. In dieser Region lebt auch die Familie von Amri. Kairouan gilt als Salafistenhochburg.
Was wir über Anis Amri wissen
Der in der Nacht des 23.12. in Mailand getötete Anis Amri (24) wird dringend verdächtigt, am Montagabend den Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gesteuert und mindestens zwölf Menschen getötet zu haben. Mehr als 50 weitere Besucher des Marktes wurden verletzt. Die Ermittler gehen von einem Terroranschlag aus.
Die Fingerabdrücke des Terrorverdächtigen wurden am Fahrerhaus des Lkw sichergestellt, der am Montagabend in die Menschenmenge gerast ist. „Wir können Ihnen heute mitteilen, dass es zusätzliche Hinweise gibt, dass dieser Tatverdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich der Täter ist“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
Seine Papiere lagen im Fußraum des Lastwagens, der für den Anschlag benutzt wurde. Das passierte aber erst am Tag nach dem Anschlag, weil die Fahrerkabine zunächst versiegelt worden war. Das Führerhaus war erst durchsucht worden, nachdem der Lkw am Dienstag abgeschleppt worden war.
Amri kam im Juli 2015 nach Deutschland. Laut NRW-Innenminister Ralf Jäger tauchte er erst in Freiburg, dann in Nordrhein-Westfalen und schließlich in Berlin auf, wo er seit Februar 2016 überwiegend gelebt habe.
Gemeldet war Amri laut „Spiegel Online“ unter anderem in Emmerich im Kreis Kleve (NRW). Dort durchsuchten Beamte eine Flüchtlingsunterkunft.
Ja, sein Antrag wurde aber im Juni dieses Jahres abgelehnt. Eine Abschiebung nach Tunesien scheiterte aber, weil er keinen Pass hatte. Seit Dezember galt Amri als untergetaucht.
Für die Behörden war er kein unbeschriebenes Blatt. Amri wurde in Berlin von März bis September dieses Jahres überwacht, weil es nach Angaben der Berliner Generalstaatsanwaltschaft Hinweise gab auf einen geplanten Einbruch. In dieser Zeit galt er auch als sogenannter Gefährder - damit sind unter anderem radikale Islamisten gemeint, denen schwere Straftaten zugetraut werden. Beweise für konkrete Anschlagspläne haben die Ermittler aber nicht gefunden.
Die Sicherheitsbehörden hatten nach „Spiegel“-Informationen vor Monaten vage Hinweise darauf, dass sich Amri im Chat mit einem Hassprediger als möglicher Selbstmordattentäter anbot. Entsprechende abgefangene Äußerungen von Amri seien aber so verklausuliert gewesen, dass sie nicht für eine Festnahme gereicht hätten.
Hinweise auf enge Kontakte Amris zum kürzlich verhafteten Abu Walaa haben die Ermittler nicht. Der Tunesier habe zwar in Salafistenkreisen verkehrt und sei auch in entsprechenden Wohnungen gewesen, hieß es aus Sicherheitskreisen. Auch NRW-Innenminister Ralf Jäger, sagte, Amri habe Kontakt zur radikal-islamistischen Szene gehabt. Ein wichtiges Teil eines salafistischen Netzwerkes soll er aber wohl nicht gewesen sein.
Ja, auch in anderen Ländern war er kein unbeschriebenes Blatt: Medienberichten zufolge wurde er in Italien und Tunesien bereits zu langen Haftstrafen verurteilt.
Amris Bruder Walid sagte Al-Chourouk, Anis habe Tunesien verlassen, weil er wegen Diebstahls eines Lastwagens zu Haft verurteilt worden war. Anis sei weder extremistisch noch religiös gewesen. Er soll aus einer armen Familie stammen, die in dem Ort Oueslatia rund 140 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Tunis wohnt.
Nach Abgaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa sind deutsche Ermittler mit ihren Kollegen in Mailand zusammengekommen. Unter anderem soll untersucht werden, ob die Waffe, die Amri bei seinem Tod bei sich getragen und aus der er Schüsse auf zwei italienische Polizisten abgefeuert hatte, dieselbe ist, mit der in Berlin der Fahrer des gestohlenen polnischen Lkw erschossen wurde.
Die Opfer des Anschlags sind identifiziert. Unter den Toten sind nach Angaben des Bundeskriminalamtes sieben Deutsche sowie Menschen mit tschechischer, ukrainischer, italienischer, israelischer sowie polnischer Staatsangehörigkeit. Kinder seien nicht unter den Getöteten. Bei dem Attentat wurden zudem 53 Menschen teilweise lebensgefährlich verletzt. Der bei dem Schusswechsel bei Mailand verletzte italienische Polizist konnte das Krankenhaus verlassen.
Die Leiche einer Italienerin ist in ihr Heimatland zurückgeführt worden. Das Militärflugzeug mit den Eltern der Toten und dem Sarg landete am Samstag auf dem Flughafen Ciampino bei Rom. Auch der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella und Verteidigungsministerin Roberta Pinotti waren bei der Ankunft dabei.
Nach französischen Medienberichten soll Amri über Lyon und Chambéry nach Italien gelangt sein. Der Terrorverdächtige habe am vergangenen Donnerstag in Lyon das Bahnticket für Italien gekauft, berichtete die Wochenzeitung „Journal de Dimanche“ mit Verweis auf eine hochrangige Quelle im Pariser Innenministerium.
Die Nachrichtenagentur Ansa hatte zuvor gemeldet, dass der Terrorverdächtige aus dem französischen Chambéry nach Turin in der italienischen Region Piemont gekommen sei. Von dort habe er einen Zug nach Mailand genommen. Medienberichten zufolge war eine entsprechende Fahrkarte bei seiner Leiche gefunden worden.