Anschlag in Berlin "Der psychologische Effekt ist gravierend"

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"Die Schutzmaßnahmen müssen erhöht werden"

Was macht das Tatschema – ob es jetzt eine Amokfahrt war oder ein Terroranschlag – so gefährlich?
Das Perfide ist, dass es so einfach ist: Ein Alltagsgegenstand wird in eine Waffe umfunktioniert. Lkw sind im Stadtbild alltäglich, sie fahren zu Tausenden überall in Deutschland herum, von daher fällt ein solcher nicht auf. Mit einem Lkw in eine Menschenmenge zu rasen, erfordert weder besonders aufwendige Planung noch Aufklärung, zumal bei der Vielzahl von Weihnachtsmärkten in dieser Jahreszeit. Es ist weitaus schwieriger, die Materialien zum Bau einer Bombe in ausreichender Menge zu beschaffen. Dabei ziehen Sie viel eher die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich.

Lassen sich Großveranstaltungen wie ein Weihnachtsmarkt überhaupt schützen?
Grundsätzlich ja. Doch ein solcher Vorfall spricht dafür, dass die Schutzmaßnahmen nochmals erhöht werden sollten. Der Zugang zu solchen Plätzen muss stärker reguliert werden, von daher braucht es zunächst an zentralen Plätzen gezielte bauliche Maßnahmen und mehr Personal. Auch die Menschen selber haben die Möglichkeit, etwas zu tun. Sie können wachsamer sein, aufmerksamer für das, was um sie herum passiert. Wer seine Augen offen hält, erkennt eine potentielle Bedrohung früher als derjenige, der es nicht tut. Das verschafft einem mitunter die Sekunden, die man braucht, um sich in Sicherheit zu bringen. Wachsamkeit erhöht ihren Handlungsspielraum.

Nur wenige Minuten nach dem Angriff wurden über ein bundesweites Meldesystem Polizeikräfte in ganz Deutschland alarmiert und ihre Präsenz erhöht. Was bringt so etwas?
Die Lage ist bei einem solchen Ereignis zunächst immer unklar und unübersichtlich. Die Behörden müssen grundsätzlich auf die Möglichkeit vorbereitet sein, dass es mehrere Teams von Terroristen gibt, die parallel an unterschiedlichen Orten zuschlagen wollen. Das würde die Schockwirkung eines solchen Angriffs deutlich erhöhen. Entsprechend müssen die Behörden reagieren. Entwarnung gibt es erst, wenn diese Möglichkeit ausgeschlossen werden kann, weil zum Beispiel die Ermittlungen ergeben, dass es sich um einen Einzeltäter handelt, wie etwa bei dem Amoklauf in München.



Die Informationslage ist nach wie vor dünn. Das hielt Rechtspopulisten aber schon Montagabend nicht davon ab, die Tat mit dem Flüchtlingsstrom in Verbindung zu bringen.
Rechtspopulisten glauben, durch markige Worte Stärke zu zeigen. Tatsächlich machen sie sich mit der pauschalen Verdammung von Flüchtlingen oder Muslimen zu Helfershelfern der Jihadisten. Denn ein Ziel beispielsweise des IS ist es ja, unsere Gesellschaften zu spalten. Dazu instrumentalisieren sie interne gesellschaftliche Spannungen. Und die Rechtspopulisten sind ihre willigen Helfer.

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