Arbeiten 4.0 So funktioniert das Home-Office

Eine Frau sitzt in ihrem Arbeitszimmer zu Hause und arbeitet am Computer. Quelle: dpa

Im Zeitalter des digitalen Arbeitens müssen wir neu denken: für mehr Freiheit, mehr Flexibilität. Und für mehr Arbeitnehmerechte – auch außerhalb des Büros.

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Den Menschen zieht es hinaus. Schon in den Stammesgesellschaften verließ er seine Höhle, um auf die Jagd zu gehen; kam abends mit der erlegten Beute zurück. Die Familie musste ernährt werden. Im 21. Jahrhundert geht es glücklicherweise weniger blutrünstig zu. Den Speer ersetzt die Aktentasche; das Stückchen Fleisch muss nicht erlegt, sondern kann beim Supermarkt des Vertrauens gekauft werden.

Und dennoch: Noch heute ziehen wir los, erwirtschaften unser Leben, ernähren unsere Familie. Was bei unseren Vorfahren noch für das reine Überleben notwendig war, ist für uns mittlerweile mehr: Arbeit prägt den Menschen.

Arbeit erschafft eine zweite Welt. Eine Welt neben dem Privaten. Es ist eine Errungenschaft, dass sich der Mensch nach draußen bewegt. Sein Heim verlässt, in eine andere Umwelt eintaucht, Beziehungen aufbaut und gemeinsame Niederlagen und Erfolge erlebt – alles unter dem Dach der Arbeit.

In Zeiten der Digitalisierung kommt das Home-Office immer mehr in Mode. Die SPD beschloss gar in einem Papier ein Recht auf Arbeit von Zuhause. Dabei sollten wir nicht die Gefahr der Isolation verkennen. Nicht übertreibend, dass man durch das Home-Office das Haus nur alle Jubeljahre verlassen würde. Doch die Zusammenarbeit mit den Kollegen erfolgt dann nur noch digital; das Gemeinsame von Angesicht zu Angesicht fehlt. Schon der Rhythmus verliert sich. Aufstehen, Küchentisch, Schreibtisch. Allein der Wind um die Nase während der Fahrt zur Arbeit erweckt andere Gedanken und neue Ideen. Dabei soll der Arbeitsweg oder die Arbeit in einer anderen Umgebung nicht romantisiert werden. Vielmehr müssen wir erkennen, dass Arbeit und die dazugehörende eigene Welt sinnstiftend sind.

Auch das Home-Office kann Teil dieser Welt sein. Der Anspruch muss sein, die familiäre Arbeit, das Private und die Erwerbsarbeit, so zu gestalten, dass alle Lebensbereiche zu ihrem Recht kommen. Nicht ein starrer gesetzlicher Rechtsanspruch, sondern flexible und sozialpartnerschaftliche Lösungen. Hier sind die Betriebspartner näher am Leben als der Gesetzgeber.

Und es gibt ja bereits erfolgreiche Beispiele aus der Wirtschaft. So ermöglicht BMW seit 2012 eine Art hybrides Modell mit flexiblen Arbeitsweisen. An manchen Tagen kann nach Absprache mobil gearbeitet werden; an anderen sitzt der Arbeitnehmer in den Büros des Autoherstellers. Angefangen mit 450 Mitarbeitern, nutzen mittlerweile 34.000 von den 90.000 in Deutschland für BMW arbeitenden Menschen die Möglichkeiten der neuen Arbeitswelt.

Das sind selbstverständlich nur diejenigen, bei denen es arbeitstechnisch Sinn ergibt. Die Arbeit am Fließband kann nur schlecht von zu Hause aus geleistet werden. Und da stellt sich beim Recht auf Home-Office die Frage der Abgrenzung und des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Wer darf und wer darf nicht?

Von daher sollte das Parlament den Rahmen schaffen, den Betriebs- und Tarifparteien ausfüllen. Denn Lösungen sind immer dann am besten, wenn beide Seiten vertrauensvoll zueinander finden – so wie es das Betriebsverfassungsgesetz vorschreibt.

Wir sollten die Betriebsräte stärken. In manchen Betrieben scheitert es schon an dessen Gründung. Den Arbeitgebern ins Stammbuch geschrieben: Wer nicht mit Gesetzen zugepflastert werden will, der braucht aktive Betriebsräte und eine starke Tarifautonomie. Beides nimmt ab. Infolgedessen wollen wir die Gründung eines Betriebsrates erleichtern und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen stärken. Nur mit Mehrheit in den zuständigen Ausschuss sollte ein entsprechender Antrag abgelehnt werden können. Und auch die Vorteile der Technik müssen wir nutzen. Dazu gehört auch die Möglichkeit einen Betriebsrat online zu wählen.

Was ist ein Betrieb? Wer ist Arbeitnehmer? Im Zeitalter der Digitalisierung muss auch hierüber neu gesprochen werden. Was ist mit den sozialen Rechten jedes Beschäftigten? Was mit den Kontrollmechanismen? Das Arbeitszeitgesetz dient dem Gesundheitsschutz. Gerade die vielbeschriebene „Work-Life-Balance“ gilt es zu beachten. So fanden Untersuchungen heraus, dass durch das Home-Office Mitarbeiter häufig 2,5 Stunden mehr pro Woche arbeiten als ihre Kollegen im Büro. Hinzu kommt, dass oftmals die Arbeit außerhalb der Firma die Arbeit vor Ort nicht ersetzt, sondern zusätzlich geleistet werden muss – natürlich innerhalb des eigenen Anspruches, das private Leben mit dem der Arbeit zu verbinden. Das führt häufig zu einer anstrengenden Doppelbelastung. Studien zufolge klagen 41 Prozent der mobilen Telearbeiter in der Europäischen Union über hohe Stressbelastung im Job.

Vor allem Männer – so fand eine Studie der Hans Böckler Stiftung heraus – kommen bei völlig selbstbestimmen Arbeitszeiten abends nicht zur Ruhe. Denn eines ist klar: Wenn sich das Private mit der Erwerbsarbeit vermischt, verliert das Leben an Rhythmus. Alles hängt miteinander zusammen. Wenn das Private zur Arbeit und die Arbeit zum Privaten wird, dann verliert sich der Mensch. Wenn Arbeit im abgeschlossenen System stattfindet, vermischen sich auch Anfang und Ende des Tages.

Im Home-Office kann es schnell passieren, dass zwischen Wohnungsputz und Essen kochen noch schnell die zehnte E-Mail abgearbeitet wird. Links das Kind, rechts den Laptop in der Hand. Von daher müssen die Sozialpartner wichtige Fragen wie zur zeitlichen Obergrenze, zur Zeiterfassung im Allgemeinen, zu Vertretungsregeln, einem realistischen Arbeitspensum und auch über ein Recht auf Nichterreichbarkeit bestimmen. Ein ganz konkret abgestecktes Handlungsfeld in dem sich Arbeitnehmer, aber auch Chefs bewegen können.

Deshalb vertrauen wir auf die Mechanismen des Lebens. Der Mensch braucht Heimat und Verwurzelung; er lebt aber auch aus dem Drang heraus, nach außen zu gehen.

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