„Arbeitslosengeld Q“ der SPD Was Schulz und Nahles wollen

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Arbeitsministerin Andrea Nahles wollen Arbeitslose besser absichern und Beschäftigte stärker qualifizieren. Aber wem helfen ihre Pläne? Die Fakten und wichtigsten Kritikpunkte.

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Andrea Nahles und Martin Schulz (beide SPD) wollen Arbeitslosen mehr Chancen auf eine Weiterbildung geben. Quelle: dpa

Was verbirgt sich hinter dem Arbeitslosengeld Q?
In seinem Gerechtigkeitswahlkampf bringt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz immer wieder das Beispiel des 50-Jährigen, der jahrzehntelang im gleichen Betrieb gearbeitet und Beiträge gezahlt hat. Verliert der seinen Job, bekommt er 15 Monate lang Arbeitslosengeld I und rutscht dann in Hartz IV. Die SPD will nun dafür sorgen, dass das Arbeitslosengeld wieder länger gezahlt wird – und sich der Arbeitslose gleichzeitig weiterbilden kann. Dazu soll es ein neues Arbeitslosengeld Q (wie Qualifizierung) geben.

Was sehen die Pläne konkret vor?
Zunächst einmal soll es einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung geben. Bisher liegt es im Ermessen der Arbeitsagentur, ob sie einem Arbeitslosen eine Qualifizierungsmaßnahme anbietet. Geht es nach der SPD, soll die Bundesagentur für Arbeit (BA) künftig verpflichtet werden, einem Arbeitslosen, der auch drei Monate nach dem Jobverlust noch keine neue Stelle gefunden hat, ein Weiterbildungsangebot zu unterbreiten.

Was ändert sich beim Arbeitslosengeld?
Bisher wird das Arbeitslosengeld I für unter 50-Jährige 12 Monate lang gezahlt. Bei den Älteren steigt die Bezugsdauer in Schritten auf maximal 24 Monate. Auch bisher wirkte sich eine Qualifizierungsmaßnahme schon auf die Zahldauer aus, sie wurde zur Hälfte angerechnet. Das heißt, dass eine berufliche Weiterbildung eines Arbeitslosen von sechs Monaten die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld I um drei Monate verringert. Das von der SPD geplante Arbeitslosengeld Q, dessen Höhe dem Arbeitslosengeld I entspricht, wird dagegen nicht angerechnet.

Hat also ein Arbeitsloser zu Beginn einer Weiterbildung beispielsweise noch zwölf Monate lang Anspruch auf Arbeitslosengeld I, dann bleibt dieser Anspruch auch nach Abschluss der Maßnahme in voller Länge bestehen. Das Arbeitslosengeld Q wird dabei so lange gezahlt, wie die entsprechende Qualifizierung dauert, maximal 24 Monate. Über 58-Jährige Arbeitslose könnten also im Maximalfall 48 Monate lang Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld Q beziehen.

Was passiert, wenn jemand auch nach der Qualifizierung keinen Job findet?
Läuft sein Arbeitslosengeldanspruch aus, rutscht er doch in Hartz IV. Auch hier plant die SPD Verbesserungen: So will sie das Schonvermögen, das nicht auf die Sozialleistung angerechnet wird, von derzeit 150 Euro pro Lebensjahr auf 300 Euro verdoppeln. Bei einem 60-Jährigen bliebe demnach Erspartes von bis zu 18.000 Euro unangetastet.


Kritiker fürchten Missbrauch der Frührente

Werden Arbeitslose durch die neue Leistung besser gestellt?
Das hängt vor allem vom vorherigen Lohn ab, an dem sich die Höhe des Arbeitslosengeldes I bemisst. Der durchschnittliche Zahlbetrag lag im November 2016 bei 992 Euro. Ein alleinstehender Hartz-IV-Bezieher bringt es derzeit im Monat auf 409 Euro. Samt der vom Jobcenter übernommenen Wohnkosten ist häufig der Abstand zum Arbeitslosengeld I nicht mehr allzu groß – und damit der Effekt der vorgeschlagenen Änderungen gering.

Was sehen die Pläne neben dem Arbeitslosengeld Q noch vor?
Arbeitsministerin Andrea Nahles, die auch eine SPD-Arbeitsgruppe zum Thema Arbeitsmarkt leitet, mahnt mit Blick auf die Digitalisierung schon lange Reformen an. So will sie etwa die Bundesagentur für Arbeit (BA) zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung umbauen. Mit einem Weiterbildungsanspruch sollen Beschäftigte in die Lage versetzt werden, mit technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und sich so gegen Jobverlust zu wappnen. Nahles geht aber auch davon aus, dass künftig unstete Erwerbsbiografien häufiger vorkommen, also sich etwa Phasen als Angestellter mit Phasen der Arbeitslosigkeit oder Phasen der Selbstständigkeit abwechseln.

Viele Betroffene hätten dann womöglich gar keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld, weil sie die notwendigen Beitragsleistungen gar nicht erbringen. Bisher bekommt nur Arbeitslosengeld, wer innerhalb von zwei Jahren vor dem Jobverlust mindestens zwölf Monate lang Beiträge gezahlt hat. Die SPD möchte diese sogenannte „Rahmenfrist“ auf drei Jahre ausweiten, in denen zehn Monate lang Beiträge gezahlt worden sein müssen.

Was sagen die Kritiker der Pläne?

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Karl Schiewerling (CDU), sieht den Rechtsanspruch auf Qualifizierung kritisch. Wenn dieser allein die Wünsche des Beschäftigten und nicht den Bedarf am Arbeitsmarkt in den Blick nehme, werde ein Arbeitsloser auch nach der Weiterbildung keinen Job finden. Die Arbeitsagentur müsse zudem auf ihre Lotsenfunktion beschränkt bleiben und nicht selbst die Weiterbildung Beschäftigter durchführen. Arbeitsmarktpolitik müsse sich vor allem um die schwächeren Bewerber kümmern, und das seien beispielsweise Jugendliche ohne Schul- und Berufsabschluss. „Wenn jeder zehnte Jugendliche in Deutschland die Schule ohne Schulabschluss verlässt, dann ist das der eigentliche Skandal“, sagt Schiewerling. „Hierauf sollten wir den Fokus richten.“

Die Arbeitgeber fürchten vor allem, dass die längere Zahldauer des Arbeitslosengeldes I als Brücke in die Frühverrentung missbraucht wird. Bis zur 2005 gestarteten Hartz-IV-Reform hatten viele Ältere die bis dahin geltende Bezugsdauer von bis zu 32 Monaten als Möglichkeit eines vorgezogenen Ruhestands genutzt. Unternehmen entledigten sich so auf Kosten der Sozialkasse älterer Beschäftigter.

Der Chef der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), verweist aber auch darauf, dass es längst geförderte Qualifizierungsprogramme für ältere Beschäftigte und Geringqualifizierte gebe, die aber kaum nachgefragt würden. So werden die Mittel für das Programm „Wegebau“ nur rund zur Hälfte abgerufen. Zuletzt nahmen nur 37 Prozent der über 50-Jährigen Erwerbstätigen an einer Weiterbildung teil. In der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen war es dagegen jeder Zweite.

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