Arbeitslosenquoten Verwirrung um die Arbeitsmarktdaten

Gleiche Daten, anderes Ergebnis: Warum bei der Ermittlung der Arbeitslosenquote je nach Agentur und Organisation unterschiedliche Quoten entstehen.

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Unterschiedliche Daten bei der Bundesagentur für Arbeit und der Internationalen Arbeitsorganisation. Quelle: dpa

Frank-Jürgen Weise, der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), hat in Nürnberg die neuesten Arbeitsmarktdaten präsentiert. Am Vormittag legt auch die Europäische Statistikbehörde Eurostat ihre Berechnungen für Februar 2015 vor. Und wie immer dürfte es danach in der Öffentlichkeit einige Verwirrung geben – denn die Zahlen unterscheiden sich deutlich voneinander. Für den vergangenen Januar etwa hatte Eurostat für Deutschland eine Arbeitslosenquote von nur 4,7 Prozent vermeldet, den zweitniedrigsten Wert der gesamten Europäischen Union. Die Bundesagentur für Arbeit hingegen ermittelte eine deutlich höhere Quote von 7,0 Prozent.

Noch unübersichtlicher wird die Analyse, wenn man sich die BA-Zahlen genauer ansieht. Die Nürnberger Behörde präsentiert nämlich jeden Monat nicht nur eine Arbeitslosenquote, sondern deren zwei – eine „saisonbereinigte“ und „nicht saisonbereinigte“ Zahl. Wer den Unterschied nicht kennt, kann leicht in die Irre geführt werden. Nicht saisonbereinigt stieg die Arbeitslosenquote in Deutschland von November 2014 bis Februar 2015 von 6,3 auf 6,9 Prozent – saisonbereinigt hingegen fiel sie von 6,6 auf 6,5 Prozent.

Daten geliefert

Grafik zu den Arbeitslosenquoten in Deutschland

Obwohl sie in der medialen Aufbereitung bisweilen untergeht, ist die bereinigte Zahl die wichtigere. Ökonomen arbeiten lieber mit gefilterten Daten, da sich hier der makroökonomische Trend besser ablesen lässt. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote entsteht in einem komplizierten mathematischen Multiplikatorverfahren. Dabei rechnen die Statistiker externe Faktoren heraus, die sich nur temporär auf die Beschäftigungslage auswirken – etwa die Jahreszeit und die Schulferien.

Im Sommer liegt die Arbeitslosenquote in der Regel unter den Winterwerten, da zwischen Mai und September die Beschäftigungslage zum Beispiel auf dem Bau, in der Landwirtschaft, in der Gastronomie oder im Tourismussektor allein wetterbedingt besser ist. Durch das Bereinigungsverfahren glätten die Statistiker solche konjunkturunabhängigen Ausschläge am Arbeitsmarkt.

Woher kommt der Unterschied?

Wie aber kommen die Zahlenunterschiede von BA und Eurostat zustande? Redet und rechnet sich Deutschland künstlich schlechter, als es ist? Die Antwort ist einfach – die beiden Behörden legen schlicht unterschiedliche Definitionen von Arbeitslosigkeit zugrunde. Eurostat übernimmt dabei die Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (Ilo) in Genf. Die Zahlen beruhen nur auf einer Stichprobe und nicht auf einer Totalerhebung. Die Kriterien der Ilo sind zudem sehr weit gefasst und beziehen Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren ein.

Zehn Jahre Hartz IV: Arbeitslosigkeit damals und heute

In diesem Konzept gilt als arbeitslos, wer weniger als eine Stunde in der Woche einer bezahlten Beschäftigung nachgeht, innerhalb der vergangenen vier Wochen vergeblich nach einer Arbeit gesucht hat und innerhalb der nächsten zwei Wochen eine neue Beschäftigung aufnehmen könnte. Menschen, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, gelten für die Ilo nicht als arbeitslos – selbst wenn sie nur eine Stunde pro Woche arbeiten und nicht sozialversicherungspflichtig sind.

Andere Messmethoden

Die BA misst die Arbeitslosenquote dagegen anhand der Definition des Sozialgesetzbuches (SGB) III. Danach muss man mindestens 15 Stunden in der Woche arbeiten, um nicht als arbeitslos zu gelten, und gezielt nach einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung suchen. Auch die Altersgrenze ist unterschiedlich, die BA erfasst in ihrer Statistik alle Jobsucher zwischen dem 16. Lebensjahr und dem Renteneintrittsalter.

Beide Messmethoden beziehen die Zahl der Arbeitslosen auf eine Referenzgruppe, um die Arbeitslosenquote zu bestimmen. Bei der Ilo ist dies die „zurzeit aktive Bevölkerung“, bei der BA sind es die „zivilen Erwerbspersonen“. Der Unterschied ist vor allem, dass die Ilo wieder eine Stichprobe zur Ermittlung der Referenzgruppe heranzieht; diese wird im Rahmen des Mikrozensus erhoben. Bei der BA ergibt sich die Zahl der Erwerbspersonen aus einer einmal jährlich durchgeführten bundesweiten Erhebung.

Lücken der Statistik

Obwohl die Messmethode der BA eine höhere Arbeitslosenquote ausweist, gibt es auch bei ihr einige Ausnahmen. So fallen zum Beispiel Arbeitnehmer, die älter als 58 Jahre sind und zwölf Monate vergeblich eine Beschäftigung gesucht haben, aus der Statistik heraus. Gleiches gilt für Erwerbslose, die an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen. Auch Ein-Euro-Jobber sind nach Ansicht der BA nicht arbeitslos.

Mithin spiegelt die offizielle Arbeitslosenstatistik nicht die wahre Zahl der Menschen wider, die eine Arbeit suchen. 2014 wies die Bundesagentur durchschnittlich 2,9 Millionen Personen als arbeitslos aus. Zählt man die Empfänger von Arbeitslosengeld-I-und Hartz-IV-Leistungen zusammen, ergab sich im Schnitt eine Zahl von 5,28 Millionen Menschen.

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