Arbeitsmarkt Taugt die duale Ausbildung zum Exportschlager?

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"Das Übel an der Wurzel packen"

Zehn besonders gefragte Jobs
Ein Arzt und eine Spritze Quelle: dpa
Jemand läuft zwischen Bahnschienen entlang Quelle: AP
Eine Frau mit Handschuhen hält Platten mit Polen in die Höhe Quelle: AP
ElektroingenieurWissenschaftler sind überzeugt: Die Zukunft der Handelskonzerne liegt in „Radio-Frequency Identification“, kurz RFID. Bisher wird die Technologie hauptsächlich im Einzelhandel und in der Logistik eingesetzt. Die elektromagnetischen Wellen erleichtern vor allem die Verteilung der Produkte in den Märkten. Die deutsche Metro setzt die Technik schon heute für viele Verkaufsgüter ein. Nach Angaben von McKinsey wird der RFID-Markt in Deutschland bis 2016 jährlich um durchschnittlich 19 Prozent wachsen. Elektroingenieure, die sich mit der Hochfrequenztechnologie auskennen, sind schon heute begehrt. Voraussetzung: In der Regel empfiehlt sich ein Studium für Elektroingenieurwesen oder Nachrichtentechnik. Die renommiertesten Ausbildungsstätten sind die RWTH Aachen, die TU München oder die TU Berlin. Den Feinschliff bekommen die Studenten beispielsweise an einem der Fraunhofer-Institute. Einstiegsgehalt: 45.000 bis 55.000 Euro Quelle: AP
Fotovoltaik-ExperteDie Unternehmensberatung Roland Berger prognostiziert der Fotovoltaik-Branche derzeit ein weltweites Wachstum von 35 Prozent pro Jahr. Hinzu kommt: Aufgrund der globalen Konkurrenz sehen sich insbesondere die deutschen Hersteller gezwungen, die Kosten zu senken und sich auch technologisch weiterzuentwickeln. Dementsprechend optimistisch klingt die Prognose des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik: Die Experten rechnen damit, dass sich der Personalbedarf der Branche bis zum Jahr 2020 mindestens verdoppeln wird. Physiker, die sich auf den Bereich Fotovoltaik spezialisiert haben, müssen daher nicht lange nach einer Stelle suchen. Voraussetzung: Ein abgeschlossenes Physik-Studium und hohe Flexibilität gehören zu den -Grundvoraussetzungen, die jeder Bewerber mitbringen sollte. Viele Absolventen spezialisieren sich nach dem Abschluss -zusätzlich noch in einer anschließenden -Promotion auf den Bereich Fotovoltaik. An den Universitäten in Halle, Ulm oder Oldenburg können Studierende entsprechende Schwerpunkte wählen. Einstiegsgehalt: Etwa 50.000, mit Doktortitel 80.000 Euro Quelle: AP
IT-SicherheitsexperteViele Unternehmen haben ihre Daten in den vergangenen Jahren ins Internet verlagert. Stichwort: Cloud Computing. Daher wächst der Bedarf an Experten, die die Systeme schützen können. 2009 hatte der deutsche Markt für IT-Sicherheit ein Volumen von 2,75 Milliarden Euro, errechnete die Unternehmensberatung Booz & Company im Juli. In den kommenden Jahren soll er jährlich um etwa zehn Prozent wachsen. Davon profitieren auch IT-Sicherheitsexperten, die für Softwarekonzerne Programme zum Schutz von Daten entwickeln oder für Banken und Behörden Angriffe von außen abwehren. Voraussetzung: Gängig ist ein Informatik-Studium, aber auch Physiker oder Mathematiker können sich spezialisieren. Die TU Darmstadt bietet etwa einen Studiengang „Master in IT-Sicherheit“ an. Einen ähnlichen Schwerpunkt gibt es in Deutschland sonst nur an der Ruhr-Universität in Bochum. Unternehmen achten bei der Einstellung vor allem darauf, dass Absolventen sich in die Überlegungen potenzieller Angreifer hineinversetzen können – also erkennen, wo das System seine Lücken hat, und diese schließen. Einstiegsgehalt: 45.000 bis 50.000 Euro Quelle: dpa
MaschinenbauerDem deutschen Maschinenbau fehlen derzeit 5000 Facharbeiter und bis zu 5000 Ingenieure, warnte Thomas Lindner, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, kürzlich in der „Frankfurter Rundschau“. Vor allem durch den demografischen Wandel steuere man bereits „in drei bis vier Jahren auf einen besorgniserregenden Engpass zu“. Soll heißen: Qualifizierte Maschinenbauer sind begehrt. Voraussetzung: Unternehmen achten bei Bewerbern vor allem auf ein abgeschlossenes Maschinenbaustudium. Das ist in dem Bereich keineswegs Normalität – jeder Zweite bricht sein Studium in Deutschland momentan vorzeitig ab. Ersten Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern bekommen Studenten häufig, indem sie ihre Diplomarbeit direkt in einem Unternehmen schreiben. Eine andere Möglichkeit ist ein duales Studium mit festem Praxisanteil. Viele Absolventen starten ihre Karriere bei Mittelständlern – zum einen wegen der familiäreren Atmosphäre, zum anderen wegen besserer Entwicklungsmöglichkeiten als in Großkonzernen. Einstiegsgehalt: 40.000 bis 45.000 Euro Quelle: dpa

Der Wirtschaftsweise Schmidt sieht noch tiefer liegende Probleme: "Die EU-Regierungschefs sollten nicht nur an den Symptomen der Wirtschaftskrise herumdoktern, sondern das Übel bei der Wurzel packen", fordert er. "Dazu muss dringend der Bankensektor auf Vordermann gebracht werden." Die Milliarden der Europäischen Investitionsbank, mit denen kleine und mittelständische Unternehmen in den Krisenländern bald versorgt werden sollen, könnten kein öffentlicher Ersatz für eine private Aufgabe sein.

Experten-Lob ernten deshalb eher die kleinen, unscheinbaren Maßnahmen – etwa die geplanten EU-Hilfen, mit denen zukünftig Sprachkurs- und Reisekosten übernommen werden sollen, wenn Interessierte außerhalb des Heimatlandes eine Lehre beginnen wollen. "Die Lösung der Krise kann nur so gelingen: die Ausbildung samt ihrer Praxisrelevanz verbessern und die grenzüberschreitende Mobilität fördern", sagt Klaus Zimmermann, Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit. Sorgen vor dem Exodus der Leistungsfähigsten aus den Krisenländern seien "unberechtigt", meint auch Karl Brenke vom DIW. "Heute besteigt niemand mehr ein Schiff und kehrt nie wieder. Was wir erleben werden, ist kein Brain Drain, sondern eher eine Zirkulation der klugen Köpfe."

Extreme Spezialisierung

Die umtriebige Botschafterin von der Leyen wirbt längst offensiv für einen mehrjährigen Qualifizierungsabstecher ins gelobte Deutschland. Doch die Bewunderung, die dem dualen Modell derzeit allenthalben entgegenschlägt, kann nicht verdecken, dass auch im hiesigen System nicht alles glänzt, was schwarz-rot-gold ist.

Gute Job-Chancen für Junge. Arbeitslosenquote in Deutschland

Die Schwächen offenbaren sich vor allem dann, wenn man die Berufsschule mit den Ländern vergleicht, in denen es ähnliche Institutionen gibt, etwa in Österreich, Dänemark und der Schweiz. Im Kontrast zu den anderen zeichnet sich das deutsche System durch seine extreme Spezialisierung aus. Während in Dänemark rund 150 unterschiedliche Berufsbilder existieren, sind es in Österreich und der Schweiz rund 250, in Deutschland sogar gut 350. Entsprechend ist auch die Zahl von Berufen, die mit einer Ausbildung ausgeübt werden können, in Deutschland deutlich kleiner als in den anderen drei Ländern.

Wissenschaftler raten zu österreichischem Modell

Die Folgen dieser hohen Differenzierung zeigt eine Untersuchung des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB). Die Studie analysierte, wie hoch das Risiko für Auszubildende ist, später arbeitslos zu werden oder nur eine befristete Anstellung zu finden. Am schlechtesten schneidet dabei Dänemark ab, am besten Österreich und die Schweiz. In Deutschland ist vor allem das Risiko, nur einen befristeten oder unterbezahlten Job zu finden, deutlich höher.

Viele Wissenschaftler raten deshalb dazu, sich stärker am österreichischen Modell zu orientieren. Auch hier sind die Betriebe zwar intensiv in die Ausbildung eingebunden, die Ausbildungsinhalte haben aber einen stärker theoretischen Hintergrund als in Deutschland. Das macht es den Auszubildenden später leichter, bei Bedarf in einem anderen Feld als dem ursprünglich erlernten tätig zu werden. Die Gefahr, in der Nische festzuhängen, sinkt.

Ein zweites Manko des deutschen Modells könnte dadurch ebenfalls gelindert werden. Denn hierzulande ist die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung nach wie vor niedriger als in den meisten anderen europäischen Ländern. Das mag zwar im Interesse der ausbildenden Betriebe sein, die dadurch seltener Gefahr laufen, dass sich ihre angestammten Kräfte irgendwann an die Universität verabschieden. Es bremst jedoch die Aufstiegschancen. In Österreich wird diese Durchlässigkeit dadurch erhöht, dass Berufsschüler die Möglichkeit haben, neben dem beruflichen auch einen schulischen Abschluss zu erwerben – und damit den Zugang zur Hochschule. So gelingt es, die akademischen Chancen von Auszubildenden zu erhöhen, ohne zugleich die berufliche Ausbildung zu entwerten.

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