Arbeitsmarkt Die Politik hält Frauen vom Arbeitsmarkt fern

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Falsche Richtung

Claudia Hagemeyer Quelle: Ingo Rappers für WirtschaftsWoche

Dass Union und FDP die Regeln für Minijobs von 400 auf 450 Euro ausweiten wollen, macht Arbeitsmarktexperten fassungslos. „Es wäre besser, die Geringfügigkeitsgrenze zu senken, statt sie zu erhöhen. Die Anreize, die Minijobs setzen, führen systematisch in die falsche Richtung“, schimpft Holger Bonin vom Mannheimer ZEW.

Auch die fünf Wirtschaftsweisen forderten bereits, die Subventionierung kleiner Arbeitsverträge abzuschaffen, weil sie viele Frauen in einer Falle hielten. In Kombination mit 400-Euro-Jobs wendet sich nämlich selbst eine sozialpolitische Errungenschaft, die Mütter schützen soll, am Ende gegen viele Frauen selbst: Gemeint ist die beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse des Ehemanns. „Im Grunde wirkt der Krankenversicherungsbeitrag wie eine 100-prozentige Steuer“, sagt Bonin. Sobald man mehr als 400 Euro verdient, muss man sich plötzlich selbst versichern. Frauen steckten daher in der „Zweitverdiener-Rolle“ fest. Claudia Hagemeyer hat das erlebt. Ihr Sohn Theo ist heute vier Jahre alt, im Februar stieg die Physiotherapeutin wieder in ihren Beruf ein. Auf einer Intensivstation kümmerte sie sich um ältere Patienten – ein Job auf 400-Euro-Basis. Hagemeyer verdiente damit nur ein Zubrot, den Hauptteil des Familieneinkommens steuert ihr Partner bei. „Mein Traum wäre es, so viel zu verdienen, dass auch mein Mann weniger arbeiten müsste. Und sein Traum wäre es, mehr Zeit für Theo zu haben.“

Diagramm: Minijobs sind Frauensache Quelle: Minijob-Zentrale - DRV Knappschaft-Bahn-See

Um diesem Traum näher zu kommen, will Claudia Hagemeyer sich selbstständig machen – mit einer Praxis für Körpertherapie. Wenn da nur nicht ein Problem wäre: Ihr Mann zahlt in die gesetzliche Krankenkasse ein. Darüber ist auch Claudia Hagemeyer beitragsfrei abgesichert – solange sie in einem Minijob arbeitet. Sobald sie aber nur einen Cent mehr als 400 Euro verdient, muss sie in einem Privatkassen-Standardtarif rund 130 Euro für ihre Kranken- und 17 Euro für ihre Pflegeversicherung berappen.

Existenzgründung rentiert sich nicht immer

Mit einer Existenzgründungsberaterin hat Claudia Hagemeyer das einmal durchgerechnet: Bei einem monatlichen Gewinn von 375 Euro blieben ihr abzüglich Steuern vermutlich rund 263 Euro. Stiege der Gewinn auf 500 Euro, blieben ihr nach Abzug von Steuern und Krankenversicherung aber nur 203 Euro. Der Gewinn müsste anfangs sofort an 600 Euro heranreichen, damit sich die Existenzgründung mehr rentiert als ein 400-Euro-Job. Die

Hürde liegt in der Startphase also ziemlich hoch.

Dabei ist längst alles vorbereitet. Das große Dachzimmer hat Hagemeyer renoviert, die Wände in einem sonnigen Beigeton gestrichen und eine Liege für die künftigen Patienten aufgebaut.

Jetzt muss sich der Sprung nur lohnen.

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