Arbeitsmarkt Hartz IV spaltet noch immer die Nation

Seit zehn Jahren gibt es die Hartz-Gesetze. Seit zehn Jahren fechten Kritiker und Befürworter eine emotionale Debatte über die Reformen aus. Ein Versuch, die Argumente zu ordnen.

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„Sie Speichellecker, Sie! Sie sind das Sinnbild eines Bücklings der Gesellschaft“, macht Klaus Titel seinem Ärger Luft in einer Mail an Roland Tichy, Chefredakteur der WirtschaftsWoche. Ein anonymer Verfasser erbost sich: „Ich weiß, die Wirtschaft finanziert ihr Blatt. Nomen est Omen. Jedoch solche Kalauer zu Hartz IV zu verbreiten ohne zu lachen, das ist höchste Schauspielkunst.“ Roland Tichy vertrat im letzten Presseclub der ARD zum Thema „Zehn Jahre Hartz-Reformen“ den Standpunkt, dass die Arbeitsmarktreformen grundsätzlich positiv zu bewerten seien – und hat mit dieser Einstellung bei vielen Zuschauern eine Grenze überschritten.

Auch Martin Schmitz erbost sich in seinem Leserbrief: „Sehr geehrter Herr Tichy, Sie müssen doch auf dem Mond leben um nicht zu begreifen, was in diesem Land hinsichtlich der Einführung von Hartz IV abläuft. Hartz IV ist für mich ein Verbrechen an Millionen Bürgern dieses Landes.“ Hady Khalil geht in seinem Leserbrief noch ein Stück weiter: "Worüber sie so sympathisch im Presseclub hinweglächeln, das sind die persönlichen Schicksale jener 8 Millionen, die mit Androhung der totalen Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz zu jeder Arbeit gezwungen werden können. In vielen Reden wird an Gedenktagen daran erinnert wie schlimm das Trauma der Hitlerzeit und des Krieges waren. Das ist mehr als unredlich, wenn der Staat tief sitzende existentielle Ängste ausnutzt, um den Arbeitsmarkt anzupassen." Wie eine Sozialleistung, im internationalen Vergleich sogar sehr hoch, mit Krieg, KZ und Massenmord gleichgesetzt wird zeigt, wie verfahren und maßlos diskutiert wird, wie die anti-Hartz-Propaganda der Linken Sumpfblüten treibt.

Offensichtlich hat die Debatte über die Hartz-Reformen, die die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder vor zehn Jahren ersann, auch heute noch nichts an Zündstoff eingebüßt und gibt Anlass dazu, die Argumente der Gegner und Befürworter nochmals zu ordnen.

Gesunkene Arbeitslosenzahlen

Die Befürworter der Hartz-Reform verweisen auf die gesunkene Arbeitslosenquote. Zwar haben die Reformen das Ziel, die Arbeitslosenzahl zu halbieren, nicht erreicht. Jedoch haben aktuell nur noch rund 2,8 Millionen Deutsche keinen Job - im Vergleich zu vier Millionen Arbeitslosen vor zehn Jahren. Die Arbeitslosenquote ist damit um fünf Prozent gesunken. Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich im selben Zeitraum halbiert. Die Hartz-Gesetze haben einen wichtigen Beitrag geleistet, wieder mehr Deutsche in Beschäftigung zu bringen.

Das sieht aber nicht jeder so. Im Gästebuch des Presseclubs schreibt Salvatore C.: „Mir kam der heutige Presseclub wie ein schlechter Krimi vor. Bei den Äußerungen von Herrn Tichy fiel mir Alfred Hitchcock ein, der einmal sagte, dass von einem Messer keine Gefahr ausgehe, sofern man sich auf der Griffseite befindet. Sollten wir dem Hartz noch einen Orden umhängen? Die Hartz-Gesetze als Abbau der Arbeitslosigkeit? Eine Lachnummer!“

 

Das sind Deutschlands beste Arbeitgeber 2012
Große UnternehmenIn der Kategorie „Große Unternehmen“ belegt der Personaldienstleister DIS AG den 3. Platz. Die Düsseldorfer gehören damit zu den vier deutschen Unternehmen mit über 500 Beschäftigten, die den Sprung unter die Top 25 der beliebtesten Arbeitgeber in Europa schafften. Die Firma wurde bereits 1967 gegründet. Mittlerweile gehören bundesweit über 160 Niederlassungen zum Unternehmen. Quelle: PR
Neben Photovoltaikanlagen schafft der Solartechniker SMA Solar Technology sehr gute Arbeitsverhältnisse für seine Mitarbeiter. Das Unternehmen mit Sitz im hessischen in Niestetal belegt den 8. Platz. Aber auch ökonomisch läuft es für den Konzern besser als erwartet. Im vergangenen Quartal konnte SMA bei Umsatz und Gewinn kräftig zulegen und übertraf damit teilweise die Markterwartungen. Quelle: dpa
Mindestens 234.000 Kunden hat die Sparda-Bank München laut eigenem Bekunden. Und auch die rund 670 Mitarbeiter der Genossenschaftsbank scheinen sich wohlzufühlen. Immerhin schaffen es die Bayern auf Platz 15 der besten Arbeitgeber in der Kategorie „Große Unternehmen“ von Great Place to Work. Quelle: dpa
Und noch ein Preisträger kommt aus München. Die SBK-Siemens Betriebskrankenkasse belegt Platz 22 auf der Liste der besten Arbeitgeber. Quelle: PR
Kleinere und mittlere Unternehmen Auch In der Kategorie KMU gehören vier deutsche Unternehmen zu den Top 50 der beliebtesten Arbeitgeber in Europa. Auf Rang 3 schaffte es das IT-Beratungshaus Noventum Consulting aus Münster. Quelle: PR
Ebenfalls noch in der Top 10 der Unternehmen mit besonders hoher Arbeitsplatz- und Arbeitgeberattraktivität ist der Personaldienstleister Atrias Personalmanagement (im Bild Geschäftsführer Ziegler, l., und CEO Blersch). Die Hamburger belegen Platz 6 im Ranking des GPW-Instituts. Quelle: PR
Platz 17 geht an die Lego GmbH aus Grasbrunn . Dort werden nicht nur Spielsachen produziert, die Kindern Freude bereiten. Auch die Beschäftigten scheinen Spaß an der Arbeit zu haben und sich bei ihrem Arbeitgeber wohl zu fühlen. Quelle: dpa

Noch einmal zur Erinnerung: Die Hartz-Reformen führten Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammen. Arbeitslose erhalten nun zunächst ein Ersatzgehalt, das sich am letzten Nettolohn orientiert. Nach einem Jahr bekommen sie nur noch Arbeitslosengeld II, das als Hartz IV bekannt wurde. Dieses besteht aus einem einheitlichen Regelsatz, der momentan für Alleinstehende bei 347 Euro liegt, plus Miete und Heizkosten. Diese Grundsicherung soll den Lebensunterhalt decken, nicht mehr den Lebensstandard sichern. Die verringerte finanzielle Unterstützung trägt dazu bei, dass die Motivation Arbeitsloser höher ist, schneller wieder einen Job anzunehmen, um nicht von der geringen staatlichen Stütze leben zu müssen. Dafür nehmen viele auch ein niedrigeres Gehalt, eine befristete Stelle oder einen Job in Kauf, der von ihren Wunschvorstellungen abweicht.

Befürworter sehen darin eine Chance für Arbeitslose, schneller wieder auf den Arbeitsmarkt zu finden; wenn auch nicht unbedingt unter Idealbedingungen. Kritiker sprechen von Abstiegsängsten der Bevölkerung und einem starken Druck auf Arbeitslose, den nächstbesten Job anzunehmen. Dieses Empfinden bestätigt Imke im Gästebuch des Presseclubs: „Hartz IV ist nicht gerade eine attraktive Alternative zum Arbeiten. Man wird schief angeschaut, muss bei Behörden betteln gehen, alles offen legen, jeden Zuschuss einzeln beantragen - und das alles womöglich noch völlig unverschuldet, etwa weil der Firmeninhaber sein Unternehmen vor die Wand gefahren hat und man selbst zu alt ist, um noch vermittelbar zu sein.“  

Flexiblere Arbeitsmodelle

  

So steht es derzeit um die deutschen Unternehmen
Was sind für Sie derzeit die größten Hindernisse, Personal einzustellen? (Mehrfachnennungen möglich) Quelle: ifo-Managerbefragung, August 2012, 630 Befragte
Wie reagieren Sie personalpolitisch auf die schwächelnde Konjunktur? (Mehrfachnennungen möglich)
Wie sehen Ihre Personalplanungen für die kommenden sechs Monate aus? (in Prozent)
Wie hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Beschäftigtenzahl in Ihrem Unternehmen verändert?
Wie beurteilen Sie die Personalkosten in Ihrem Unternehmen heute im internationalen Vergleich?
Wie stark nutzen Sie in Ihrem Betrieb heute die zentralen Elemente der Hartz-Reform beim Einsatz von Minijobbern? (587 Befragte)
Wie stark nutzen Sie in Ihrem Betrieb heute die zentralen Elemente der Hartz-Reform bei Zeitarbeit?(608 Befragte)

Arbeitslose finden schneller einen neuen Job, weil die Hartz-Reformen den Arbeitsmarkt flexibilisierten. Arbeitsmodelle wie befristete Stellen, Minijobs, Kurz-, Teilzeit- und Leiharbeit ermöglichen es Unternehmen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weniger Angestellte zu entlassen oder schneller neue Arbeitskräfte anzuheuern – im Wissen, dass sie ihre Angestellten nicht unbefristet und in Vollzeit halten müssen, selbst wenn die Auftragslage abflacht. Die Gehälter sanken gleichzeitig aufgrund der neuen Arbeitsmodelle und weil Arbeitslose auch zu einer schlechteren Bezahlung eine Arbeitsstelle akzeptierten, um nicht auf Hartz IV abzurutschen.

Hartz-Kritiker sprechen daher von Lohndumping und einer wachsenden Zahl von „working poor“. Das sind Arbeitnehmer, deren Gehalt zum Leben nicht ausreicht. Da inzwischen rund sieben Millionen Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten, sprechen Hartz-Kritiker von geschönten Arbeitsmarktzahlen: „working poor“ tauchen in der Arbeitslosenstatistik nicht mehr auf, kommen aber mit ihrem Lohn de facto nicht über die Runden.

Siegrid van Nahmen schreibt im Gästebuch des Presseclubs: „Wie viele qualifizierte Fachkräfte von der Krankenschwester bis zum Ingenieur erhalten denn heute noch Tariflöhne? Diese ganze Lohndrückerei!“ Ein anonymer Kritiker schließt sich an: „Im klimatisierten Dienstwagen hinterm Chauffeur braucht man natürlich nicht zu jammern, aber Menschen, die nicht nur von der Hand in den Mund leben wollen, sondern eine Perspektive brauchen, um eine Familie zu gründen, deren Leben sinnvoll sein soll und die sich in der Leistungsgesellschaft anerkannt fühlen wollen, die muss man ernst nehmen.“

Ohne Hartz IV Probleme wie Spanien oder Italien 

Befürworter der Hartz-Reformen betrachten auch die prekären Arbeitsverhältnisse als Chance, zurück auf den Arbeitsmarkt zu finden. Beispiel Leiharbeit: 40 bis 50 Prozent der 900.000 Leiharbeiter haben nach zwei Jahren einen festen Job.

Einig sind sich Gegner und Befürworter der Hartz-Gesetze darin, dass die flexibleren Arbeitsmodelle bessere Rahmenbedingungen brauchen. Manche fordern die Einführung von Mindestlöhnen, oder die Gleichbezahlung von Leiharbeitern und Festangestellten. Doch möglicherweise würde dies im Kern Hartz IV unwirksam machen und Deutschland wirtschaftlich in die Krisenlage von Spanien oder Italien zurückwerfen.

Hartz hilft der Konjunktur

 

Den Unternehmen geht es gut, nur den Arbeitnehmern nicht. Die haben mit Reallohnverlusten bei gleichzeitigen Ausgabenerhöhungen, etwa für Energie und Gesundheit, das Wachstum ermöglicht. Dazu ein anonymer Kritiker im Gästebuch des Presseclub: „Zuletzt war doch permanent von Krise die Rede wie die Eurokrise, dem ESM, die Griechenlandkrise und die Staatsverschuldungen. Heute, wo es um Hartz IV geht, klingt auf einmal alles so positiv, wir stehen ja ach so gut da. Hartz hat an der Konjunktur gar nichts geändert, es hat sich nur die Struktur der Beschäftigungsverhältnisse hin zu Leih- und Teilzeit-Arbeit verändert.“

So umstritten die Hartz-Reformen in Deutschland sind, so sehr gelten sie doch in vielen Teilen Europas als Vorbild.  Länder wie Frankreich, Italien oder Spanien kämpfen mit hoher Arbeitslosigkeit, mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und überlasteten Sozialsystemen. Dagegen steht Deutschland trotz Euro-Krise recht gut da. Das liegt unter anderem daran, dass die Reallöhne der Deutschen in den letzten zehn Jahren stagniert oder sogar gesunken sind. Die Lebensarbeitszeit ist dagegen gestiegen, inzwischen arbeiten 45 Prozent der über Sechzigjährigen, 25 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen hält die Wirtschaft am Laufen und das wiederum sorgt für Beschäftigung. Leiharbeit ist für die Befürworter der Einstieg in die Arbeitslosigkeit und der Versuch, das Gefängnis der Langzeitarbeitslosigkeit aufzubrechen. Gegner sehen darin prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die die Langzeitsicherung unterlaufen.

von Cornelia Schmergal, Konrad Fischer

Was wäre ohne Hartz IV? 

Dabei bleibt die Frage offen: Wie wäre es ohne Hartz IV weitergegangen? Sicherlich wäre die Arbeitslosigkeit in den Folgejahren gestiegen, mit katastrophalen Folgen für Sozialkassen, Staatshaushalt und die soziale Lage für die Betroffenen. Es ist eine Diskussion vielfach ohne Alternativen: Mehr Sozialstaat ist, so die Befürworter, nicht finanzierbar. Noch immer gibt es massenhaft Missbräuche, haben sich die Begünstigten in Hartz IV karg, aber behaglich eingerichtet.

Befürworter der Hartz-Reformen führen an, dass der flexibilisierte Arbeitsmarkt dazu beitrug, dass Deutschland sich schneller von der Finanzkrise erholte als seine Nachbarländer, die in der momentanen Euro-Krise unter dem Reformstau ächzen. Die Unternehmen konnten in der Krise flexibel reagieren und dadurch Schritt für Schritt die Wirtschaft stabilisieren. Hartz-Gegner finden aber, dass sich die Wirtschaft auf Kosten der Arbeitnehmer erholt habe, die für dieselbe Leistung nun weniger Lohn und Sicherheit erhalten.

Die Zukunft des Sozialstaates

 

Diese Fehler verbauen Frauen die Karriere
1.  Frauen lassen sich von Stellenanzeigen einschüchternKeine Frage, Bewerber sollten Stellenanzeigen sorgfältig durchlesen. Aber zu viel Sorgfalt schadet eher. Ein Problem, das vor allem Frauen betrifft. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Online-Stellenbörse Jobware. 151 Männer und 79 Frauen lasen darin 150 Stellenanzeigen. Währenddessen wurden ihre Augenbewegungen aufgezeichnet, hinterher bewerteten die Studienleiter ihre Aussagen. Das Ergebnis: Frauen klickten im Schnitt nicht nur auf mehr Jobprofile, die sie auch länger durchlasen. Mehr noch: Sie ließen sich wesentlich stärker von vermeintlich männlichen Stellentiteln und Qualifikationen beeindrucken – und wollten sich gar nicht erst bewerben. Ein Indiz dafür, dass sich Frauen von manchen Anforderungen immer noch zu stark beeindrucken lassen. Ein Problem, das schon früh beginnt... Quelle: Fotolia
2. Schon Mädchen scheuen WettbewerbMatthias Sutter und Daniela Rützler von der Universität Innsbruck untersuchten in einer Studie das Verhalten von mehr als 1000 Kindern im Alter zwischen 3 und 18 Jahren. Sie sollten verschiedene Tests lösen, etwa Wettläufe oder Matheaufgaben. Als Belohnung erhielten sie kleine Geldbeträge. Im Verlauf des Spiels konnten die Kinder dann gegen Gleichaltrige antreten und dabei mehr verdienen. Bei den Jungen entschieden sich 40 Prozent für den Wettkampf unter Gleichaltrigen. Von den Mädchen wollten das nur 19 Prozent wagen. Quelle: Fotolia
3. Frauen unterschätzen ihre LeistungErnesto Reuben von der Columbia Business School gewann für sein Experiment (.pdf ) 134 Studenten. Alle hatten zwei Jahre zuvor verschiedene Aufgaben absolviert, jetzt sollten sie ihre damalige Leistung bewerten. Das Ergebnis: Die Männer überschätzen ihre tatsächliche Leistung um rund 30 Prozent überschätzt, die Frauen hingegen um weniger als 15 Prozent. Im zweiten Schritt teilte Reuben die Teilnehmer in Gruppen. Sie sollten einen Vertreter wählen, der für die Gruppe Geld gewinnen konnte. Das Ergebnis: Weil sie zu ehrlich waren, schafften es weibliche Teilnehmer drei Mal seltener als Männer, die Rolle des Anführers zu übernehmen. Quelle: Fotolia
4. Frauen lassen sich von Klischees beeinflussenMarina Pavlova vom Universitätsklinikum Tübingen reichte für ihre Studie im Jahr 2010 83 Medizinstudenten den Abschnitt eines Intelligenztests. Dabei sollten sie eine Reihe von Bildern in die richtige Reihenfolge zu bringen. Doch vorab gaukelte Pavlova der einen Hälfte der Teilnehmer vor, dass Frauen bei dieser Aufgabe generell besser abschneiden. Die andere Hälfte erfuhr, dass Männer darin bessere Ergebnisse erzielen. Ergebnis: Die Frauen ließen sich von negativen Aussagen viel stärker beeinflussen als Männer. Deren Leistung litt kaum unter der Vorab-Information. Quelle: Fotolia
5. Frauen sind schneller zufriedenDer Soziologe Stefan Liebig von der Universität Bielefeld analysierte für seine Studie (.pdf ) Daten des Sozio-oekonomischen Panels. In dieser Langzeitstudie machen 10.000 Deutsche regelmäßig Angaben zu Ihrem Beruf und Privatleben. Liebig wollte wissen, ob sie ihr aktuelles Einkommen als gerecht empfanden - und falls nein, welches Nettogehalt angemessen wäre. Wenig überraschend: Etwa jeder dritte Befragte fand sein Einkommen ungerecht. Doch das Einkommen, das Frauen als gerecht empfanden, lag noch unter dem tatsächlichen Gehalt von Männern. Egal ob Akademikerin oder Reinigungskräfte: Frauen hatten finanzielle geringere Ansprüche. Quelle: Fotolia
6. Frauen scheuen Jobs mit WettbewerbAndreas Leibbrandt und John List schalten für ihre Untersuchung Stellenanzeigen in neun US-Städten – in zwei verschiedenen Versionen. Die eine Ausschreibung suggerierte, dass das Gehalt nicht verhandelbar sei. Die andere behauptete, dass das Gehalt Verhandlungssache sei. Fazit: Bei letzterer Stelle bewarben sich wesentlich mehr Männer. Offenbar meiden viele Frauen Jobs mit starkem Konkurrenzdenken. Quelle: Fotolia
Ein Mann hält einen Zettel mit der Aufschrift "Job gefällig?" in der Hand Quelle: dpa

Dass die aktuell sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger mit der Grundsicherung nicht leicht über die Runden kommen, ist offensichtlich. Dass flexible Arbeitsmodelle niedrige Löhne und fehlende Sicherheit mit sich bringen können, ist die Kehrseite des wirtschaftspolitischen Erfolgs der Hartz-Reformen. Die Emotionalität, mit der die Deutschen die Debatte führen, offenbart aber mehr als nur Meinungsverschiedenheiten. Die Diskussion spült grundsätzliche Fragen um die Zukunft unserer Gesellschaft an die Oberfläche: Was ist uns Arbeit wert? Wie wollen wir unsere Wirtschaft am Laufen halten, um unseren Wohlstand zu sichern? Wie viel kann unser Sozialstaat noch leisten in unserer hoch verschuldeten und überalterten Gesellschaft? Wie kann die Anspruchsinflation gebrochen werden, die die Verantwortung für die eigene Lage einseitig dem Staat aufbürdet und eigene Verantwortung und Anstrengung leugnet?

Wer hat nun Recht? Die Debatte ist nicht zu entscheiden. Die Betroffenen fühlen sich gegängelt, schikaniert, um den Wert ihrer Ausbildung gebracht, entrechtet, stigmatisiert. Sie können sich bestätigt sehen durch Medien und Parteien, die die Einzelschicksale in den Vordergrund stellen und die persönliche Betroffenheit strapazieren. Die Befürworter argumentieren mit Statistiken, Zuwächsen, Haushaltszahlen – kalte Begriffe der wirtschaftlichen Logik gegen das heiße Herz des Mitfühlens. Das macht die Debatte so gefährlich.

Insbesondere die Partei „Die Linke“ hat die Auseinandersetzung für sich zu nutzen gewusst. Die „Montagsdemos“ in Leipzig richteten sich gegen die Vorgängerpartei der Linken, die SED und ihr verbrecherisches Regime in der  DDR. Die Linke nutzte den Begriff der Montagsdemo als Protest gegen die Bundesrepublik und ihre politischen Repräsentanten. Es ist eine ungeheure Umwertung von Begriffen; die Begriffe der friedlichen Revolution gegen den Sozialismus haben sich die alten Machthaber der DDR im neuen Gewand der SED/PDS/Linke angeeignet und gegen ihre eigenen Kritiker instrumentalisiert. Die SPD ist weich geworden. Statt die Erfolge zu verteidigen, versteckt sie sich hinter den Kritikern. Die Union ihrerseits weicht notwendige Reformschritte auf, biedert sich an und kann dies umso leichter tun, da diese Reformen nicht mit Angela Merkel, sondern mit Gerhard Schröder verbunden werden.

Debatte im Hamsterrad

Dabei haben die Proteste erst bewirkt, dass Hartz IV überhaupt wirkt: Denn es ist die Angst vor dem sozialen Abstieg, die Belegschaften, Betriebsräte und Gewerkschafter veranlasste, niedrigere Löhne oder Lohnanstiege zu akzeptieren, die flächendeckenden einheitlichen Tarifverträge durch niedrigere nach betrieblicher Leistungsfähigkeit zu unterlaufen.

Immer wieder fehlt in der Debatte die Alternative. Eine sachliche Diskussion ist daher kaum möglich. Kritiker empfinden die Reformen als ungerecht, wie Gert Schaufel im Gästebuch des Presseclubs anmerkt: „Diesem Roland Tichy würde ich ein Jahr Arbeit auf dem Bau verordnen. Wenn solche ignoranten Menschen behaupten, dass es Deutschland seit diesen Maßnahmen gut geht meint er sicher seine Person und seines Gleichen. Für viele Menschen, die Tag für Tag schwer und das für Mindestlöhne arbeiten, ist das der blanke Hohn. Solche Leute müssten schon allein für Ihre Äußerung bestraft werden.“

Allerdings treffen in der WirtschaftsWoche auch positive Zuschriften ein, wie ein Leserbrief von Josef Pellenz zeigt: „Sie, Herr Tichy, vergleiche ich immer mit dem Propheten, den man aus der Stadt verjagt, dem Überbringer schlechter Nachrichten. Ich kenne kein Land, in dem man mit wohlmeinenden Ideen Erfolge nachweisen könnte. Leider kann man vom Paradies nur träumen. Weder Jesus, noch Karl Marx haben das hinbekommen. Ich muss Sie immer wieder bewundern, Herr Tichy, dass Sie sich Fernsehdiskussionen mit einem breiten Publikum stellen, obwohl Sie sich bewusst sein müssen, wie ungern man doch mit der Wahrheit konfrontiert wird. Die Wahrheit hat es immer schwerer als Populismus. Es gibt nicht viele Journalisten, und ebenso wenig Politiker, die den Mut aufbringen, bittere Wahrheiten zu vertreten.“

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