Arbeitsmarktökonom Hilmar Schneider "Transfergesellschaften sind Geldverschwendung"

Arbeitsmarktökonom Hilmar Schneider vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) über die Geschäfte der Weiterbildungsindustrie und der Transfergesellschaften.

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Hilmar Schneider, Direktor Arbeitsmarktpolitik beim Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA)

WirtschaftsWoche: Herr Schneider, 2009 gab der Staat 2,3 Milliarden Euro für die Weiterbildung von Arbeitslosen aus. Eine gute Anlage?

Schneider: Ganz generell gilt Bildung als Schlüssel, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Tragisch ist nur, dass die Umsetzung so schwer bleibt. Weiterbildung im öffentlichen Auftrag ist schwer zu organisieren: Es gibt ein Nachfragemonopol der Arbeitsagentur und eine begrenzte Zahl von Anbietern, die auf die BA angewiesen sind. Es ist sehr schwer, in so einem Markt hohe Qualität zu erzeugen.

Kurse für Arbeitslose müssen doch vorab überprüft werden. Hilft das nicht?

Da bin ich skeptisch. Erstens ist es generell sehr schwer, Kurse vorab zu bewerten, weil sich die Prüfer auf die Angaben der Anbieter verlassen müssen. Und zweitens gibt es bei der Prüfung problematische Interessenkollisionen. Teilweise sind zertifizierende Stellen gleichzeitig als Anbieter von Weiterbildung tätig. Da kann ich mir schwerlich eine unabhängige Prüfung vorstellen.

Bei Entlassungen werden Beschäftigte oft in Transfergesellschaften weiterqualifiziert. In einer Studie haben Sie ein vernichtendes Urteil über den Markt gefällt.

Im Grunde sind Transfergesellschaften Geldverschwendung. Es gibt keinen einzigen Beleg dafür, dass ihre Betreiber den Betroffenen schneller aus der Arbeitslosigkeit helfen als es bei der normalen Betreuung über die Arbeitsagenturen der Fall ist. Deshalb sind sie ein teures und völlig überflüssiges Instrument.

Zur Person

Schneider, 52, ist Direktor Arbeitsmarktpolitik beim Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Im Auftrag der Bundesregierung hat der Ökonom die berufliche Weiterbildung für Erwerbslose untersucht.

Ihr Gutachten stammt aus dem Jahr 2006. Hat sich die Lage seither verbessert?

Zumindest bemüht sich die Branche um mehr Transparenz und Qualität. Und natürlich gibt es im Einzelfall Transfergesellschaften, die einen guten Job machen – ebenso, wie es übrigens auch Arbeitsagenturen vor Ort gibt, die anständige Arbeit leisten. Aber in der Durchschnittsbetrachtung bringen Transfergesellschaften keinen Vorteil gegenüber der Vermittlung durch die Agentur.

Warum werden sie nicht abgeschafft?

Weil viele Interessen hinter der Branche stehen. Für Unternehmen, die Mitarbeiter entlassen müssen, ist es interessant, sich einer Transfergesellschaft zu bedienen. So können sie Auseinandersetzungen bei Kündigungen vermeiden. Und Arbeitnehmervertreter stimmen zu, weil sie suggerieren können, sie hätten sich optimal für die Betroffenen eingesetzt.

Unterscheiden sich Arbeitgeber und Gewerkschaften bei dieser Kungelei?

Im Grunde nicht. Viele Transfergesellschaften wie Bildungsträger sind in der Hand von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Jede Seite hat ihre Vorlieben. So scheint es bei Betriebsräten eine Neigung zu geben, vor allem gewerkschaftsnahe Anbieter zu beauftragen.

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